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VERBAND/1748: "Tierschutz hat bei Bauern und Verbrauchern hohe Priorität" (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 7. Oktober 2011

"Tierschutz hat bei Bauern und Verbrauchern hohe Priorität"

Gemeinsame Presseerklärung von EDL, KLB, DBV und dlv


Die Verantwortung des Landwirtes, die Tiere artgerecht zu halten und ihnen keine Leiden zuzufügen, sowie die Aufgabe der kirchlichen Organisationen, die Bauernfamilien in diesem Bestreben in der gesellschaftlichen Diskussion zu unterstützen, wurden auf einer gemeinsamen Fachtagung anlässlich der Erntedankfeier in Berlin hervorgehoben. Die Tagung unter dem Motto "(K)eine Zukunft für Nutztierhaltung und Fleischgenuss?" wurde vom Evangelischen Dienst auf dem Lande in der EKD, der Katholischen Landvolkbewegung Deutschland, dem Deutschen Bauernverband und dem Deutschen LandFrauenverband am 4. Oktober 2011 veranstaltet.

Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischhöfe in Berlin, Prälat Dr. Karl Jüsten, hat die Kompetenz und das Handeln des Landwirtes in den Vordergrund gestellt. Durch seine "Gestaltung des Stalles, der Art und Weise von Haltung und Fütterung, von Transport und auch bei der Schlachtung" stellt er sich seiner Verantwortung und übt großen Einfluss aus. Dabei sei die Anzahl der Tiere und die Größe des Stalls weniger erheblich und nicht allein entscheidend. Die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsprinzips, also der ökologischen, ökonomischen und sozialen Belange gelte besonders auch in der Tierhaltung.

Den deutschen Bauern sei es nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus ethischen Gründen ein großes Anliegen, dass sich ihre Nutztiere im Stall wohl fühlten, erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner. Seit den 1990er Jahren habe man sich im Verband mit den Fragen des Tierschutzes intensiv beschäftigt und ihn mit hohen Investitionen in der Praxis auch weiterentwickelt. Die Kritik an der Tierhaltung sei häufig auf Bekanntwerden von Missständen zurückzuführen, die nicht zu verteidigende Einzelfälle darstellten. Landwirte würden ihre Tiere gut halten, dabei aber auch moderne Technik im Sinne des Tier- und Arbeitsschutzes einsetzen. Gerade aber die Nutzung der Technik würde durch Schlagworte wie Massentierhaltung oder Industrialisierung diskreditiert. Mögliche Umweltprobleme, die bei einer zu hohen Viehdichte entstehen könnten, seien durch eine Reihe vorhandener Gesetze zu verhindern. Sonnleitner sagte für den Gesprächskreis aus Kirchen, Bauernverband und LandFrauen zu, gemeinsam den öffentlichen Dialog zur Tierhaltung und zum Tierwohl zu führen. Generell sei der Tierschutz in den Ställen der deutschen Landwirte aber besser sei als sein öffentlicher Ruf. Doch ständige Investitionen in den Tierschutz, aber auch in den Arbeitsschutz seien bei der Tierhaltung notwendig, weshalb Problemlösungen über einen gewissen Zeitraum erfolgten. Die Landwirte jedenfalls würden sich auf dem bisher erreichten Tierschutzniveau nicht ausruhen, sondern die Herausforderungen entschlossen angehen. Hierzu gehörten insbesondere die Ferkelkastration, das Schwänze kürzen, die Enthornung von Rindern, moderne Stallbauten und der Einsatz von Medikamenten.

Für den Beauftragten für agrarsoziale Fragen der evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Clemens Dirscherl, steht neben dem Landwirt auch der Verbraucher in der Verantwortung für eine tiergerechte Haltung. Wenn der Verbraucher hohe moralische Anforderungen an die Tierhaltung habe, aber an der Ladentheke niedrige Preise bezahle, sei dieses Handeln nicht mehr verantwortungsvoll. Durch die Naturentfremdung der Menschen in einer industriell-technisierten Lebenswelt, in der die Natur als "lieb, goldig, niedlich" erlebt werde und größere Tiere oftmals ausschließlich auf einer emotionalen Mensch-Tier-Beziehung gesehen werde ("Bambi-Syndrom"), würden die Verbraucher nicht mehr die Realität in der Tierhaltung kennen, sondern Wunschvorstellung wahrnehmen. Die Verbraucher forderte Dirscherl auf, ihr Verhältnis zur Tierhaltung kritisch zu hinterfragen. Sie könnten sehr wohl ihren Beitrag zu einer tierethischen Verantwortung durch Einkauf und Ernährungsverhalten erfüllen und eine artgerechte Tierhaltung unterstützen. Im Hinblick auf den Fleischkonsum stellte Dirscherl klar, dass schon immer Tiere in der Menschheitsgeschichte genutzt wurden. Die Nutztierhaltung auch in biblischer Überlieferung vorhanden sei. Das Tier sei dem Menschen anvertraut zur respektvollen Nutzung, aber nicht zur Ausbeutung. Die Tötung von Tieren sei in der von Konflikten geprägten Schöpfungsordnung unvermeidlich.

Für den Agrarökonomen der Universität Göttingen, Professor Dr. Ludwig Theuvsen, liegt die Lösung für ein bewussteres Einkaufsverhalten der Verbraucher in der Schaffung des Labels "Tierwohl". Dieses freiwillige Label sei sinnvoll, da es auch von mehreren Tierschutzorganisationen getragen werde und sich durch besondere Kriterien von Bio oder konventioneller Tierhaltung hervorhebe. Beim Verbraucher werde dadurch mehr Akzeptanz erreicht und er sei bereit einen höheren Preis zu bezahlen.

Dies bestätigte in der anschließenden Diskussionsrunde Dr. Helfried Giesen, Vorstand der Westfleisch AG. In der westfälischen Genossenschaft hätten sich schweinehaltende Bauern verpflichtet, die höheren Kriterien zu erfüllen und somit im Markt eine Bereicherung des Fleischangebotes der Genossenschaft erreicht. Mit einem 10 prozentigen Preisaufschlag sei das Produkt mit dem Label gut an der Fleischtheke positioniert. Die Biobäuerin Angela Kern, Präsidiumsmitglied des Rheinischen LandFrauenverbandes, die mit ihrer Familie einen Betrieb mit 100 Milchkühen nach den Prinzipien von Bioland bewirtschaftet, forderte nicht zu viele Labels zu schaffen, um den Verbraucher nicht zu verwirren. Sie mahnte bei der Vielzahl der Programme und staatlichen Auflagen den Bauern keine zusätzlichen Kontrollen aufzulegen, sondern Kontrollen zu koordinieren und bürokratisch vereinfachend zusammenzufassen. Doch nicht nur dem Tierschutz sei größte Aufmerksamkeit zu widmen, sondern auch dem "Menschenschutz". Die öffentliche Diskussion über die Enthornung zeige, dass an den Schutz des Bauern bei seiner Arbeit zum Beispiel im tiergerechteren Boxenlaufstall nicht gedacht werde.

Der Leiter des Lehr- und Forschungsgutes Ruthe der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Dr. Christian Sürie, appellierte an Politik und Kirchen, den Landwirten in der öffentlichen Diskussion über Tierhaltung und Tierschutz den Rücken zu stärken. Die Wissenschaft erarbeite viele Maßnahmen, um das Tier heute besser zu halten, was in der landwirtschaftlichen Praxis auch umgesetzt werde. Wenn man aber 40.000 Broiler in einem modernen Stall halte, wo jedes einzelne Tier sich wohl fühle, sei es bedenklich, wenn der Tierhalter nur auf Grund der Tierzahl als Tierquäler diskreditiert werde oder ihm die Bäuerlichkeit abgesprochen werde. Sürie forderte einen Zusammenschluss von Wirtschaft, Handel, Schlachthöfen und Wissenschaft, um die tierhaltenden Bauern zu stärken, weiter in Ställe zu investieren und die Tierhaltung fortzuentwickeln, damit der erreichte hohe Standard im Tiersschutz und international im Wettbewerb gehalten werde.

In ihrem Schlusswort betonte Nicole Podlinski vom Bundesvorstand der KLB, dass der beste Tierschutz ein gesundes Mensch-Nutztierverhältnis sei. Das Auge des Herrn mäste das Vieh, wie es ein altes Sprichwort sagt. Gleichzeitig forderte sie bei allen Verbesserungen im Tierschutz angemessene Übergangszeiten, damit die Tierhalter nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 7. Oktober 2011
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
Claire-Waldoff-Straße 7
10117 Berlin
Tel.: 030 / 31 904 239
Mail: presse@bauernverband.net
Internet: www.bauernverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2011