Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → FAKTEN

ASYL/584: Neuausrichtung der arbeitsmarktlichen Förderinstrumente (Der Schlepper)


Der Schlepper Nr. 47 - Frühling 2009
Quartalsmagazin für Migration und Flüchtlingssolidarität in Schleswig-Holstein

Neuausrichtung der arbeitsmarktlichen Förderinstrumente
Regelungen gehen an Bedarfen von MigrantInnen vorbei

Von Farzaneh Vagdy-Voß, Hidir Cosgun und Sabine Wollenhaupt


Im vergangenen Jahr hat das Projekt access - in Trägerschaft des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V. - seine Arbeit fortgesetzt. Die seit Jahresbeginn geltenden Neuausrichtung der Arbeitsförderungsinstrumente ist weitgehend ohne Berücksichtigung von Migrantinnen und Migranten passiert.


Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für MigrantInnen durch vielfältige Hürden erschwert. Sie sind aufgrund der nicht anerkannten Bildungs- und Berufabschlüsse und fehlender Ausbildungsabschlüsse überproportional häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. Andere sind für die Jobs, die sie bekommen, oft überqualifiziert. Regelmäßig erhalten MigrantInnen keinen Zugang zu beruflicher Weiterbildung.


Qualifikationen von MigrantInnen besser nutzen

2008 lag die Arbeitslosigkeit bei Ausländern bei 18,1 Prozent, bei den Deutschen bei 8,0 Prozent. Während 66,8 Prozent der arbeitslosen Deutschen Arbeitslosengeld II beziehen, beträgt der Anteil bei den arbeitslosen AusländerInnen 81,3 Prozent. Auch Jugendliche mit Migrationshintergrund sind seltener in Ausbildung als deutschstämmige Jugendliche.

Die Praxis hingegen zeigt, dass Mehrsprachigkeit, spezifische interkulturelle Kompetenzen und mitgebrachte Abschlüsse sowie berufliche Erfahrungen aus dem Ausland ein gutes Potenzial bilden, das Unternehmen und DienstleisterInnen hervorragend nutzen können.

Allerdings besteht dringender Bedarf an verbesserten Deutschkenntnissen, Förderung der beruflicher Qualifikation und Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Dem wird allerdings die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente nicht gerecht.


Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente

Am 1.1.2009 trat das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente in Kraft. Demnach entfallen die bisher üblichen "Sonstigen weiteren Leistungen", fließen ein in das Vermittlungsbudget, die Maßnahmen zur Aktivierung und Eingliederung und die Möglichkeiten der freien Förderung. Aus dem Vermittlungsbudget werden individuelle Hilfen zum (Wieder)Einstieg in den Job gewährt. Darunter fallen Leistungen wie z. B. Bewerbungs-, Reise- und Umzugskosten oder Ausgaben für die Beschaffung von Arbeitsbekleidung. Im Zuge des Vermittlungsbudgets haben ArbeitsvermittlerInnen einen vergrößerten Ermessensspielraum.

Neu ist, dass bestimmte Nachweise (Gesundheitspass o.ä.) unbürokratischer finanziert werden können.

Für ExistenzgründerInnen können nunmehr neben dem Einstiegsgeld Darlehen und Zuschüsse bis 5000 Euro für die Beschaffung von Sachgütern gewährt werden. Diese neue Regelung ist zu begrüßen, da insbesondere MigrantInnen im Bereich des SGB II aufgrund der nicht vorhandenen Sicherheit und des Eigenkapitals finanzielle Mittel für betriebliche Investitionen fehlen.

Neu ist der Rechtsanspruch auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses. Die Agenturen für Arbeit werden dies bei Jugendlichen immer mit einer Berufsvorbereitungsmaßnahme und bei Erwachsenen mit einer beruflichen Weiterbildung kombinieren.


Keine spezifischen Förderungen von Jugendlichen

Zu kritisieren ist, dass es in den Neuregelungen keine spezifischen Maßnahmen zur Förderung von besonders benachteiligten Jugendlichen mit Migrationshintergrund gibt. Die vorhandenen Potentiale wie Mehrsprachigkeit, spezifische interkulturelle Kompetenzen sowie andere besondere Erfahrungen aus dem Ausland sind an keiner Stelle berücksichtigt worden. Als wertvolles Potential müssten diese im Rahmen der Potentialanalyse durch zuständige Stellen in die Bewertung einbezogen werden. Gleiches gilt für Bildungs- und Berufsabschlüsse sowie mitgebrachte, häufig langjährige Berufserfahrungen im Herkunftsland. Auch diese müssen gesondert berücksichtigt werden.

Der Einstellungszuschuss bei Neugründungen, der Einstellungszuschuss bei Vertretung (Job-Rotation) und die Beitragsbefreiung von der Arbeitslosenversicherung bei Einstellung älterer ArbeitnehmerInnen entfallen. Ebenso werden Zuschüsse zu den Ausbildungsvergütungen, wenn Auszubildende während der Arbeitszeit Unterstützungen (z.B. ausbildungsbegleitende Hilfen) bekommen, nicht mehr gewährt.

Insgesamt sind bei den Änderungen weder die besonderen Probleme und Bedarfe noch das spezielle Potenzial von MigrantInnen berücksichtigt worden.


Farzaneh Vagdy-Voß, Hidir Cosgun und Sabine Wollenhaupt sind Mitarbeiter des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V. im Projekt "access - Agentur zur Förderung der Bildungs- und Berufszugänge für Flüchtlinge und MigrantInnen in Schleswig-Holstein"
www.access-frsh.de


*


Leitfaden zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist übersetzt

Der im September überarbeitete Leitfaden zur Anerkennung ausländischer Schul- und Berufsabschlüsse in Schleswig-Holstein steht seit dem Jahresende auch in Türkisch, Russisch und Englisch zur Verfügung.

Die Leitfäden können kostenlos bestellt werden beim Projekt access, Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel, Tel.: 0431/20509524 bzw. unter www.accessfrsh. de heruntergeladen werden.

Auch die regelmäßig aktualisierte Webseite von access ist demnächst in Deutsch, Türkisch und Englisch abrufbar.


Wegweiser ist aktualisiert!

Projekt access hat eine 2. aktualisierte und ergänzte Auflage des Wegweisers zu Beratungsstellen für Flüchtlinge und MigrantInnen in Schleswig-Holstein herausgegeben. Der Wegweiser kann kostenlos bezogen werden bei:

Projekt access
Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel
Tel: 0431-20 50 95 24
Fax: 0431-20 50 95 25


*


Quelle:
Der Schlepper Nr. 47 - Frühling 2009, Seite
Quartalsmagazin für Migration und Flüchtlingssolidarität in
Schleswig-Holstein
Herausgeber: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel
Tel.: 0431/73 50 00, Fax: 0431/73 60 77
E-Mail: office@frsh.de
Internet: www.frsh.de
Der Schlepper online im Internet: www.frsh.de/schlepp.htm

Der Schlepper erscheint vierteljährlich als Rundbrief
des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V.
Für Vereinsmitglieder ist Der Schlepper kostenlos.
Nichtmitglieder können ihn für 18,00 Euro jährlich
abonnieren.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2009