Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → FAKTEN

ASYL/753: Wie kann die Lösung für Flüchtlinge des Choucha-Lagers aussehen? (Flüchtlingsrat Hamburg)


flüchtlingsrat hamburg - Pressemitteilung vom 14. Mai 2012

Wie kann die Lösung für die vergessenen Flüchtlinge des Choucha-Lagers aussehen?



Jenseits aller Aufmerksamkeit leben 3.000 Flüchtlinge in Wartestellung - seit mehr als einem Jahr im Choucha-Lager. Sie rufen dazu auf, dass man jetzt endlich eine Lösung findet.

Nachdem ihre Asylanträge von UNHCR abgelehnt wurden, oder nachdem sie zwar anerkann twurden, aber ihr Resettlement in ein anderes Land verweigert wurde, stellen sie klar, dass sie nicht in ihr Herkunftsland zurückreisen können. Irregulär in Tunesien zu bleiben oder nach Libyen zurückzukehren, sind ihre einzigen Optionen, zu denen sie kurzfristig gezwungen sind.

2011‍ ‍hat Tunesien Hunderttausende Personen aufgenommen, zum Teil über das Choucha-Lager. Dann sind keine Weiteren mehr hinzu gekommen, und die Flüchtlinge wurden vergessen. 2.747 Personen sind anerkannte Flüchtlinge, 273 Asylanträge wurden abgelehnt, 156 warten auf ihre Registrierung und auf die Entscheidung über ihren Asylantrag. Das sind beschämend niedrige Zahlen angesichts der im Jahr 2011 aufgenommenen Personen und in Vergleich zu den Aufnahmekapazitäten anderer Staaten.


Die Personen, deren Asylanträge abgelehnt wurden

Es sind 273 Personen, u.a. TschadierInnen, SudanesInnen, NigerianerInnen, IvoirInnen und ÄthiopierInnen. Sie akzeptieren die Antragsablehnungen nicht und berufen sich auf Verfahrensfehler, auf die Unmöglichkeit, in ihre Länder zurückzukehren und auf sehr lange Verzögerungen. Die Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnungsentscheidungen wurden durchgeführt, ohne den Betroffenen schriftliche Begründungen der Ablehnungen zu geben, und es war dieselbe Instanz, die die Ablehungen ausgesprochen hat: der UNHCR. Man kann daher kaum von einem echten Recht auf Widerspruch sprechen.

Für den UNHCR befinden sich diese Personen nicht mehr unter ihrem Mandat. Daher befinden sich diese Personen, wenn sie nicht die Rückkehr in ihre Herkunftsländer akzeptieren, zwangsweise irregulär in Tunesien oder müssen nach Libyen ausreisen - auch wenn sie mehrheitlich keine Pässe haben. Das sind keine Lösungen.


Anerkannte Flüchtlinge, die aber kein Resettlement erlangen

Einige vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge befinden sich in derselben Situation. Ihr Status gibt ihnen keinerlei Recht auf Resettlement, und Tunesien, das eine grosse Umbruchsphase durchmacht, hat noch kein Asylrecht.

Das Resettlement-Programm des UNHCR hat kaum Echo gefunden und wurde am 1. Dezember 2011 beendet. 858 Anträge wurden akzeptiert, 1.738 Anträge sind bei verschiedenen Staaten anhängig, 66 laufen gerade. Die Mehrheit der Staaten wenden restriktive Kriterien beim Resettlement-Programm an. Insbesondere die europäischen Staaten haben nur eine geringe Zahl von UNHCR-anerkannten Flüchtlingen akzeptiert. Also auch hier: welche Lösungen? Im Lager bleiben oder irregulärer Aufenthalt in Tunesien bis zur eventuellen Annahme eines Asylgesetzes im Jahr 2013? Oder nach Libyen aufbrechen ...


Richtung Internierungslager?

Das Fehlen einer Lösung für diese Personen sorgt dafür, dass dieses Lager auf ewig fortbesteht. Dabei war es als Provisorium entstanden. Es kommt der Eindruck auf, dass man dort Flüchtlinge einweist, die niemand aufnehmen will.

So wurden im letzten März 74 SomalierInnen, die mit dem Schiff von Libyen nach Italien aufgebrochen waren, von der tunesischen Marine nach Choucha eingewiesen. Diese Personen sind nie zuvor in Choucha oder in Tunesien gewesen. Solche Praktiken geben der Vermutung Nahrung, dass sich dieses Lager in ein Ausländer-Internierungslager verwandelt.

Wir sprechen hier von 3.000 Personen, die aus ihren Ländern und dann aus dem Krieg in Libyen geflohen sind, und die nun gezwungen sind, seit einem Jahr mitten in der Wüste zu leben. Was bedeutet die Aufnahme von einigen hundert Flüchtlingen für die Staaten des Nordens? Der Glaube an den 'Pull-Faktor' und der Kampf gegen die sogenannte irreguläre Migration verwandelt sich hier in schllimme Realität. Wir betonen an dieser Stelle unsere Solidarität und unsere Unterstützung für die Choucha-Flüchtlinge und appellieren an den UNHCR wie an die betreffenden Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen und Solidarität wie auch den politischen Willen zu akzeptablen Lösungen zu zeigen. Irregulär in Libyen zu bleiben oder nach Libyen auszureisen, sind keine akzeptablen Lösungen.

Wir rufen dazu auf, die laufenden Resettlement-Verfahren zu beschleunigen und ein neues Resettlement-Programm aufzulegen, das diejenigen einschließt, deren Asylanträge abgelehnt oder die nach dem 1.‍ ‍Dezember 2011 registriert wurden. Wir appellieren an den UNHCR, die Ablehnung der Asylanträge zu revidieren und schriftliche sowie präzise Begründungen der Ablehnungen zu liefern, damit ein echtes Widerspruchsrecht in Anspruch genommen werden kann.

Schließlich rufen wir die verschiedenen Staaten zur Solidarität mit den Flüchtlingen und mit Tunesien auf, damit auch Personen eine Aufnahme finden, deren Asylantrag abgelehnt wurde.

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 14. Mai 2012
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Nernstweg 32-34, 3. Stock, 22765 Hamburg
Bürozeiten:
Mo. 10.30 - 14.30 und Do. 10.30 - 12.30
Di. und Do. 17.00 - 19.00
Telefon: (040) 43 15 87, Fax: (040) 430 44 90
E-Mail: info@fluechtlingsrat-hamburg.de
Internet: www.fluechtlingsrat-hamburg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2012