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ASYL/980: Keine Trennung von Flüchtlingen nach Religionszugehörigkeit (DIMR)


Deutsches Institut für Menschenrechte - 30. September 2012

Keine Trennung von Flüchtlingen nach Religionszugehörigkeit


Berlin - Zu aktuellen Vorschlägen, Flüchtlinge in Unterkünften nach Religion zu trennen, erklärt das Deutsche Institut für Menschenrechte:

"Diese Vorschläge lenken von den zentralen Problemen bei der Unterbringung von Flüchtlingen ab. Eine getrennte Unterbringung in Unterkünften ist zwar durchaus notwendig, aber die Trennlinie läuft nicht entlang der Religionszugehörigkeit, sondern entlang des Schutzbedarfes. Die von Deutschland bisher nicht umgesetzte sogenannte EU-Aufnahmerichtlinie sieht vor, dass die Unterbringung verletzlicher Gruppen wie Schwangere, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen oder von Gewalt Betroffene erhöhten Anforderungen genügen muss.

Es trifft zu, dass Menschen in Flüchtlingsunterkünften Intoleranz und Übergriffe wegen ihrer Religionszugehörigkeit erfahren. Dieses Phänomen macht auch in Flüchtlingsunterkünften keinen Halt. Gewalt als Phänomen in Flüchtlingsunterkünften hat indes viele Gesichter. Differenzierungen bei der Unterbringung nach der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gruppen können etwa dann geboten sein, wenn Angehörige unterschiedlicher Konfliktparteien aus ein und derselben Konfliktregion nach Deutschland fliehen.

Konflikte und Gewalt in Flüchtlingsunterkünften entstehen insbesondere dadurch, dass Menschen ohne Privatsphäre auf engstem Raum zwangsweise zusammenleben. Auseinandersetzungen wie zum Beispiel um Koch-, Reinigungs-, Wasch- und Trockengelegenheiten sind dadurch vorprogrammiert. Verzweiflung über die gegenwärtige Situation und Ungewissheit über die Zukunft verschärfen zudem die Probleme in der drangvollen Enge. Vor diesem Hintergrund können auch nichtige Anlässe zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen führen.

Der effektivste Gewaltschutz besteht darin, Menschen nicht in überfüllten Massenunterkünften unterzubringen, sondern in möglichst wohnungsähnlichen Unterkünften. Zudem sollten die Menschen möglichst schnell Zugang zum Wohnungsmarkt erhalten, wodurch auch Plätze für neu ankommende Flüchtlinge in den überfüllten Flüchtlingsunterkünften frei werden. Erforderlich sind Gewaltschutzkonzepte, die präventiv spezielle Gefährdungslagen etwa für Frauen und Kinder einbeziehen wie auch auf konkrete Gewalt in den Einrichtungen reagieren. Dabei ist jeder Mensch gleichermaßen vor Gewalt zu schützen."


Weitere Informationen:

Hendrik Cremer (2014): Policy Paper 26: Menschenrechtliche Verpflichtungen beider Unterbringung von Flüchtlingen. Empfehlungen an die Länder, Kommunen und den Bund:
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/index.php?id=6&tx_publications_products%5Bproduct%5D=547&tx_publications_products%5Baction%5D=show&tx_publications_products%5Bcontroller%5D=Product&cHash=a076e4378d5e308a3ffaa16f399dfe95

Heike Rabe (2015): Policy Paper 32: Effektiver Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt - auch in Flüchtlingsunterkünften:
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/index.php?id=6&tx_publications_products%5Bproduct%5D=614&tx_publications_products%5Baction%5D=show&tx_publications_products%5Bcontroller%5D=Product&cHash=3e7d1ed09b598634063ffda80f81ad62

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Quelle:
Pressemitteilung vom 30. September 2015
Deutsches Institut für Menschenrechte e. V.
Zimmerstr. 26/27, 10969 Berlin
Telefon: +49 30 259 359 0, Telefax: +49 30 259 359 59
E-Mail: info@institut-fuer-menschenrechte.de
www.institut-fuer-menschenrechte.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2015

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