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ASYL/958: Schluss mit dem rassistischen Terror gegen Flüchtlinge! (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 29. Juli 2015

Schluss mit dem rassistischen Terror gegen Flüchtlinge!

PRO ASYL fordert klare Verurteilung und umfassende Maßnahmen zum Schutz der Flüchtlinge


Seit Wochen kommt es in Deutschland fast jeden Tag zu rassistisch motivierten Gewalttaten gegen Flüchtlinge, Flüchtlingsunterkünfte oder Menschen, die Flüchtlinge unterstützen. Ziel der Täterinnen und Täter ist es, Angst und Schrecken unter Flüchtlingen und MigrantInnen zu verbreiten, politische GegnerInnen einzuschüchtern, ihre rassistische Agenda zu propagieren und den Staat gewaltsam an der Wahrnehmung seiner verfassungsgemäßen Aufgabe zu hindern, Flüchtlingen ein faires Asylverfahren und menschenwürdige Aufnahmebedingungen zu gewähren. Die rassistische Gewalt hat damit längst terroristische Züge angenommen.

Inzwischen schrecken die Täter nicht einmal vor gezielten Mordanschlägen zurück. Am Wochenende wurden in Brandenburg/Havel Brandbeschleuniger vor der Wohnungstür einer Familie aus Inguschetien entfacht. Die Berichte über rassistisch motivierte Taten reißen nicht ab. Das Bundesinnenministerium geht von 202 rassistischen Übergriffen allein im ersten Halbjahr 2015 aus.

PRO ASYL fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel und die zuständigen Minister auf, diese erschreckende Entwicklung nicht länger schweigend hinzunehmen. PRO ASYL fordert eine eindeutige Verurteilung des rassistischen Terrors durch die Kanzlerin. Es kann nicht sein, dass eine derartige Welle rassistisch motivierter Gewalt nicht kommentiert wird.

Die Flüchtlinge in Deutschland brauchen Schutz und Beistand. Es darf nicht hingenommen werden, dass Flüchtlinge hierzulande fürchten müssen, dass ihre Unterkunft angezündet wird oder sie auf der Straße angegriffen werden. Es darf kein Zweifel daran gelassen werden, dass Gewalt und Anfeindungen gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen in Deutschland geächtet und mit aller Härte strafrechtlich verfolgt werden.

Die Bundesregierung, die Länder und insbesondere Bundesinnenminister Thomas de Maizière tragen die politische Verantwortung dafür, dass Flüchtlinge und MigrantInnen in Deutschland vor Anschlägen und rassistischen Angriffen effektiv geschützt werden. Sie müssen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen ergreifen und sich klar auf ihre Seite stellen. Das gilt insbesondere in einer Zeit, in der die in vieler Hinsicht unaufgeklärte Mordserie des NSU viele Menschen daran zweifeln lässt, ob der deutsche Staat willens und in der Lage ist, rassistischen Terror effektiv zu bekämpfen.

PRO ASYL fordert eine klare Positionierung und konkrete Präventionsmaßnahmen, um Übergriffe gegen Flüchtlinge und Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte zu verhindern:

• Polizeiliche Prävention: Die Polizei muss die Lage in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften besonders aufmerksam beobachten, sie muss Gefährdungsanalysen erstellen und dabei alle vorliegenden Erkenntnisse berücksichtigen. Flüchtlinge müssen über Gefährdungen und Handlungsoptionen bei Bedrohungen informiert werden. Im Zweifel muss die Polizei durch Streifendienst vor Ort Präsenz zeigen. Gibt es Hinweise auf eine konkrete Gefährdung, sind Flüchtlingsunterkünfte durch permanenten Polizeischutz zu sichern.

• Mehrsprachiger Notruf für Flüchtlinge: Betroffene müssen in einer Bedrohungssituation einen Notruf in den gängigsten Sprachen von Flüchtlingen absetzen können. Als Ergänzung zum regulären Polizeinotruf sollten mehrsprachige Notrufangebote etabliert werden. Der Schutz vor Angriffen und Bedrohungen darf nicht an Sprachbarrieren scheitern.

• Konsequente Strafverfolgung: Die Täter müssen konsequent verfolgt und vor Gericht gestellt werden. Die bisher geringe Erfolgsquote von Ermittlungen bei rassistischen Angriffen auf Flüchtlinge zeigt, dass die Ermittlungen dringend intensiviert werden müssen. Im ersten Quartal 2015 gelang laut Bundesinnenministerium nur in einem Viertel der Delikte die Aufklärung.

• Technische Maßnahmen in Unterkünften: Flüchtlingsunterkünfte müssen hohen Sicherheitsstandards genügen. So müssen die Räume mit Rauchmeldern ausgestattet sein. Feuerlöscher müssen vorhanden sein. Fluchtwege müssen deutlich ausgewiesen sein - in verschiedenen Sprachen.

• Sicherheitspersonal: Die Anstellung von Sicherheitspersonal mit rassistischen Einstellungen muss durch eine gewissenhafte Überprüfung der Auftragnehmer ausgeschlossen werden.

• Bedrohliche Kundgebungen unterbinden: Versammlungen von Rechtsextremen, von denen Übergriffe und Bedrohungen gegenüber Flüchtlingen ausgehen, müssen im unmittelbaren Umfeld von Flüchtlingsunterkünften konsequent unterbunden werden. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit steht nicht über dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Flüchtlinge einer bedrohlichen Atmosphäre auszusetzen, die regelmäßig von rechtsextremen Kundgebungen ausgeht, ist nicht hinnehmbar.

Neben diesen Maßnahmen sieht PRO ASYL die Solidarität der Zivilgesellschaft mit den Flüchtlingen als zentral an, um rassistische Tendenzen zurückzudrängen. Die unzähligen ehrenamtlichen Initiativen, die sich für Flüchtlinge engagieren, sind ein entscheidendes Signal gegen rechte Mobilisierung. Kommunen sollten diese Initiativen und Willkommensbündnisse unterstützen, indem sie Institutionen, Initiativen und Privatpersonen Räume und Ressourcen zur Verfügung stellen. Bund und Länder sollten flächendeckende Programme zur Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit mit Flüchtlingen auflegen. Willkommenskultur ist nicht nur Privatsache.

Damit sich das gesellschaftliche Klima gegenüber Flüchtlingen nicht weiter verschärft, müssen die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen aufhören, mit der Rede vom "Asylmissbrauch" Ressentiments zu schüren. Wer sich auf Kosten von Flüchtlingen mit Stammtischparolen profiliert, der trägt Mitverantwortung dafür, wenn rassistische Ressentiments und Gewalttaten zunehmen. Ein Rückfall in die 1990er Jahre, in denen Flüchtlingsheime brannten und Menschen durch rassistische Gewalt zu Tode kamen, muss mit allen Mitteln verhindert werden. PRO ASYL appelliert an alle Verantwortlichen, mit allen Kräften für eine offene Willkommenskultur zu sorgen, in der sich Flüchtlinge sicher fühlen können.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 29. Juli 2015
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Telefon: +49 069 - 23 06 88, Fax: +49 069 - 23 06 50
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2015

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