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FRIEDEN/0988: Hilfsgelder für Gaza im Dienst der Repression (SB)



Auch nach Ende des dreiwöchigen Bombardements, das mit geballter Militärmacht den Widerstand der Palästinenser gegen ihre Gefangenschaft, Vertreibung und Vernichtung brechen und die Hamas als Garantin sozialer Versorgung und wehrhaften Schutzes ausschalten sollte, denkt die israelische Führung nicht im Traum daran, ihren Würgegriff um das Schicksal des Gazastreifens und seiner Bewohner zu lockern. Nun wird der Krieg mit dem alten Mittel der Blockade fortgesetzt und um das neue Instrument der Verfügung über die Gelder für den Wiederaufbau ergänzt. Was als Hilfe für die drangsalierten eineinhalb Millionen Menschen in diesem Freiluftgefängnis ausgewiesen ist, erweist sich so in erster Linie als Werkzeug politischer Einflußnahme.

Obgleich Israel in einer Entschließung des UN-Sicherheitsrats wie auch seitens der Europäischen Union aufgefordert wird, die Blockade aufzuheben, lehnt es die Regierung in Tel Aviv kategorisch ab, mehr als eine dosierte Lieferung von Hilfsgütern in Aussicht zu stellen. Wieviel durchgelassen wird und wann die Lastwagen die Übergänge passieren dürfen, liegt allein im Ermessen einer Administration, die sich zum Herrn über Leben und Sterben der Palästinenser aufgeschwungen hat.

Wie ein Sprecher der Hamas-Regierung bei einer Pressekonferenz in Gaza bekanntgegeben hat, wird die Auszahlung von insgesamt 35 bis 40 Millionen Dollar sofort beginnen, um die Menschen für erlittene Verluste zu entschädigen und sie beim Wiederaufbau zu unterstützen. Nach Schätzungen der Hamas wurden beim Angriff der israelischen Streitkräfte rund 1.300 Menschen getötet, mehr als 5.000 verwundet sowie über 4.000 Häuser zerstört und etwa 17.000 beschädigt. Nach einem gestaffelten System sollen die Familien für Todesopfer knapp 1.300 Dollar, für Verletzte fast 650 Dollar sowie für zerstörte Häuser 5.200 Dollar und für beschädigte die Hälfte erhalten. Damit bleibt die Hamas wiederum erste und einzig maßgebliche Kraft, die Soforthilfe leistet und daran nicht von der israelischen Führung gehindert werden kann.

Diese hat bereits jegliche Hilfe an Gaza ausgeschlossen, solange die Hamas an der Macht bleibt. Wie ein Berater Premierminister Ehud Olmerts erklärte, sei eine aus der Militäroperation gestärkt hervorgehende Hamas das letzte, was man sich wünsche. Daher berate man intensiv mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und der internationalen Gemeinschaft, auf welche Weise man Hilfsgelder für den Wiederaufbau moderaten Gruppierungen in Gaza zukommen und sicherstellen könne, daß man damit nicht die Hamas finanziere.

Das erklärte Ziel, Gaza ohne die Hamas wiederaufzubauen, mutet ebenso absurd wie der Vorwurf an die Hamas an, sie könnte Hilfsgelder abzweigen und für ihre eigenen Zwecke verwenden. Wenn eine Fraktion der Palästinenser in der Vergangenheit für ihre Korruption berüchtigt war, so die Fatah, während eine solche Bezichtigung an die Adresse der Hamas nach allgemeiner Einschätzung jeder Grundlage entbehrt. Neben dem Versuch, den Keil noch tiefer in die Spaltung der Palästinenser zu treiben und die kollaborierende Fraktion zu Lasten der widerstreitenden Kräfte auch im Gazastreifen zu installieren, schafft die Regierung in Tel Aviv folglich ein weiteres Werkzeug künftiger Repression und Einflußnahme, indem sie den Geldfluß über die Hamas und damit die legitime Regierung des Gazastreifens ausschließt.

Unter dem Vorwand, Gelder könnten "in die falschen Hände" gelangen, etabliert die israelische Führung ein Zuweisungsregime, das finanzielle Hilfe für den Gazastreifen mehr denn je in ein weiteres Instrument der Verfügung verwandelt. Man kann davon ausgehen, daß die in Aussicht gestellten oder bereits fest zugesagten Mittel den Bewohnern des verwüsteten Gazastreifens zunächst vorenthalten und später allenfalls in Teilen ausgezahlt und dabei an Bedingungen geknüpft werden, die auf völlige Unterwerfung hinauslaufen.

Saudi-Arabien hat eine Milliarde Dollar zugesagt und die Golfstaaten dürften sich mit Geldern derselben Größenordnung anschließen. Hilfen werden auch aus anderen arabischen Ländern erwartet. Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde haben auf einer Pressekonferenz versichert, daß keine Zahlungen den Gazastreifen erreichen werden, ehe man sich auf eine Einheitsregierung von Hamas und Fatah geeinigt hat. Man wolle sicherstellen, daß der Wiederaufbau des Gazastreifens nicht in einen Wiederaufbau der Hamas mündet, unterstrich Mark Regev, Sprecher Premierminister Ehud Olmerts.

Längst macht das Wort die Runde, daß der wahre Sieger des israelischen Angriffs auf Gaza jene Kraft sein wird, welche die Hilfsgelder für den Wiederaufbau kontrolliert. In Tel Aviv will man dafür sorgen, daß das keinesfalls die Hamas und damit auch nicht die Bewohner des Gazastreifens sein werden.

23. Januar 2009