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FRIEDEN/1011: Wahlkampfreise Steinmeiers nach Nahost (SB)



Die Wahlkampfreise des deutschen Außenministers nach Nahost wird sich weder auf seine Chancen als Kanzlerkandidat noch auf den sogenannten Friedensprozeß positiv auswirken. Daß es sich um eine PR-Tour handelt, kann drei Monate vor der Bundestagswahl nicht ernsthaft bestritten werden. Wenn der SPD-Politiker wollte, daß sich seine Aktivitäten im Nahen Osten positiv auf seine Chancen als Kanzlerkandidat auswirkten, dann müßte er schon riskieren, sich in Israel unbeliebt zu machen. Diese Hürde wird er nicht nehmen und daher auch nicht in der Lage sein, eigenständige Urteilskraft und Handlungsfähigkeit auf einem der schwierigsten außenpolitischen Felder, die es für deutsche Außenminister gibt, an den Tag zu legen.

Frank-Walter Steinmeier müßte für diesen Fall der Tatsache Rechnung tragen, daß die israelische Regierung nicht die geringsten Anstalten macht, eine palästinensische Eigenstaatlichkeit zu ermöglichen und damit eine Lösung nicht nur dieses Konflikts in der Krisenregion des Nahen und Mittleren Ostens auf den Weg zu bringen. Wenn er allerdings, wie bei seinem Treffen mit dem israelische Präsident Shimon Peres, lediglich der Hoffnung Ausdruck verleiht, daß man aufgrund der Initiative des US-Präsidenten Barack Obama vor einem Neuanfang stehe, um dann vorsichtig nachzuschieben, daß es ohne einen Stopp des Siedlungsausbaus in den Palästinensergebieten keinen derartigen Fortschritt geben könne, dann bleibt Steinmeier weit hinter den Möglichkeiten des Außenministers des größten EU-Staats zurück.

Aus dieser gut ausgebauten Deckung wird sich Steinmeier auch nicht in den noch anstehenden Gesprächen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seinem Amtskollegen Avigdor Lieberman herauswagen. Ginge es um konkrete Forderungen an die Adresse Israels, wie sie die Bundesrepublik gegenüber anderen Staaten ohne weiteres erhebt, dann stände eine deutliche Parteinahme für die Palästinenser auf der Agenda des Außenministers. Nach dem letzten Stand verlangt die israelische Regierung von diesen, bevor sie sie überhaupt als Gesprächspartner anerkennt, den Verzicht auf jegliche Vorbedingungen, während die Regierung Netanjahu ihrerseits allemal festlegt, unter welchen Bedingungen ein möglicher Friedensprozeß nur möglich wäre.

Neben dem von Steinmeier kritisierten Ausbau der im Westjordanland existierenden jüdischen Siedlungen soll das künftige Palästina von eingeschränkter Souveränität sein, da Israel militärische Hoheitsbefugnisse auf das Gebiet erhebt. Ost-Jerusalem soll ungeteilte Hauptstadt Israels werden, und die Hamas dürfe an einer palästinensischen Regierung nicht beteiligt sein. Natürlich sind diese Forderungen für die von Israel besetzten Palästinenser inakzeptabel, so daß es keiner Spekulationen bedarf, um festzustellen, an wem eine gütliche Einigung scheitert. Eben dieser Sachverhalt bleibt bei Steinmeier im Nebel des diplomatisch Unbestimmbaren. Zudem gäbe sich der deutsche Außenminister niemals die Blöße, sich mit Vertretern der gewählten palästinensischer Regierungspartei Hamas zu treffen, ist die Bundesrepublik doch selbst an deren Boykott beteiligt.

In Anbetracht der hinsichtlich des Fortschritts in einem Friedensprozeß, bei dem die Palästinenser nicht über den Tisch gezogen werden sollen, um nach ihrer absehbaren Weigerung anschließend um so gründlicher dezimiert werden zu können, völligen Irrelevanz der Nahostreise Steinmeiers bleibt die Frage, welches Ziel sie bis auf die vordergründige Inszenierung der staatsmännischen Statur des SPD-Politiker überhaupt haben könnte. Hier drängt sich das Resümee auf, daß Deutschland in eine auf den Iran abzielende Gesamtstrategie eingebunden werden soll.

Nachdem US-Vizepräsident Joe Biden Israel praktisch freie Hand bei einem möglichen militärischen Angriff auf das Land gelassen hat und die Teheraner Führung in den Augen westlicher Bevölkerungen nicht diskreditierter sein könnte, sind die Chancen auf einen Krieg, der mit einem israelischen Angriff auf iranische Atomanlagen eröffnet würde, jedenfalls nicht gesunken. Käme es zu einem solchen, dann stünde die Bundesrepublik schon aufgrund der von Bundeskanzlerin Angela Merkel bekundeten Solidarität mit Israel auf der Seite des Aggressors. Daß sie diesen im Falle Gazas, als den israelischen Streitkräften die logistische waffentechnische Unterstützung der USA und EU ausgereicht hat, um die dortige Bevölkerung zu massakrieren, gewähren ließ, ist ein hinlängliches Indiz für die Bereitschaft der Bundesregierung, den halben Schritt der indirekten Unterstützung israelischer Kriegführung zum ganzen Schritt der militärischen Beteiligung der Bundeswehr an ihr zu komplettieren.

Wird also nach der außenpolitischen Weitsicht des Kanzlerkandidaten der SPD gefragt, dann gibt es einen Grund mehr, den Sozialdemokraten bei dieser Wahl keine Stimme zu geben. Da es mit der Positionierung der Bundesrepublik als passiver oder aktiver Unterstützer Israels gegen die Interessen seiner arabischen Nachbarn bei den Unionsparteien, der FDP und den Grünen nicht anders aussieht, sind auch diese Parteien für Menschen, die nicht wollen, daß Deutschland bei einem weiteren Krieg mitmischt oder sich am Unrecht der Besatzungspolitik Israels beteiligt, nicht zu empfehlen.

6. Juli 2009