Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

HEGEMONIE/1731: Obama droht - Strategische Offensive im asiatisch-pazifischen Raum (SB)



Man könnte es als offenes Geheimnis bezeichnen, daß die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten auf mittlere und lange Sicht die Konfrontation mit China und Rußland suchen. Im erbitterten Ringen um geostrategische Ausgangslagen und Zugriff auf die schwindenden Sourcen des Überlebens forcieren Washington und die NATO die Einkreisung und Einschnürung beider konkurrierenden Großmächte, an deren Schwächung und letztendlichen Unterwerfung sich das Schicksal der USA als globale Übermacht entscheidet. In Osteuropa ist das atlantische Bündnis bis an die russische Grenze vorgerückt, in Asien treibt Washington unter enger Einbindung Taiwans, Südkoreas und Japans das Containment Chinas voran. Zwischen beide schiebt sich der Stoßkeil westlicher Kriegsführung bis in den zentralasiatischen Raum vor.

Wenngleich die verlustreichen Feldzüge im Irak und in Afghanistan noch längst nicht beendet sind und man dem Iran mit einem Angriffskrieg droht, verstärken die USA ihre wirtschaftliche wie militärische Präsenz im asiatisch-pazifischen Raum. Vor dem 19. Gipfeltreffen der Südostasiatischen Staatengemeinschaft (ASEAN) in Indonesien umriß Präsident Barack Obama während einer Rede vor dem australischen Parlament in Canberra die Strategie seines Landes in dieser Weltregion:

"Nach einem Jahrzehnt mit zwei blutigen und teuren Kriegen wenden die USA ihre Aufmerksamkeit nun auf das riesige Potenzial der Asien-Pazifik-Region. [1] Ich habe eine strategische Entscheidung getroffen: Als Pazifiknation werden die USA eine größere und langfristigere Rolle in der Gestaltung dieser Region und ihrer Zukunft spielen. Wir sind hier, und wir werden hier bleiben." Die US-Präsenz genieße für seine Regierung oberste Priorität. Reduzierungen der Ausgaben seines Landes für Verteidigung erfolgten nicht zu Lasten dieses Ziels. Da außer der Mehrheit der Atommächte auch "rund die Hälfte der Menschheit" in Asien beheimatet sei, werde die Region "in hohem Maße bestimmen, ob das kommende Jahrhundert von Konflikt oder Zusammenarbeit, unnötigem Leid oder menschlichem Fortschritt gekennzeichnet sein wird", sagte Obama. [2]

Die explizite Warnung vor Konflikten, die Erwähnung der Atommächte und der Verweis auf die volle Kriegskasse verliehen der Rede des US-Präsidenten einen bellizistischen Unterton, der keinen Zweifel an der Bereitschaft Washingtons ließ, die Hegemonialinteressen mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Wie um keinen Zweifel am Adressaten dieser Drohkulisse zu lassen, fügte Obama hinzu, man werde sich um weitere Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit Peking bemühen, darunter eine bessere Kommunikation zwischen den Streitkräften beider Länder. Dadurch sollten ein besseres Verständnis gefördert und Fehlkalkulationen vermieden werden. Wie Obama betonte, fürchte man China nicht und wolle das Land nicht von seinen Wirtschaftsbündnissen im asiatisch-pazifischen Raum ausschließen. Die USA erwarteten jedoch, daß Peking die Verpflichtungen anerkenne, die es mit sich bringe, eine Weltmacht zu sein.

Zuvor hatte Obama den Ausbau der US-Streitkräfte auf dem australischen Kontinent angekündigt. Bis Mitte 2012 sollen Militärflugzeuge und bis zu 2.500 Mann, darunter viele Elitesoldaten der Marines, nach Darwin in den Norden des Kontinents verlegt werden. Sie könnten in kürzester Zeit Hilfsaktionen starten oder auf Sicherheitsaspekte in der Region reagieren, erklärte Obama euphemistisch. Ziel sei ein Signal, daß die beiden Länder im Angesicht jeglicher Gefahr zusammenhielten, unterstrich US-Verteidigungsminister Leon Panetta. Australiens Premierministerin Julia Gillard erklärte, der Schritt werde die Zusammenarbeit beider Länder in der Region stärken. Die wechselweise Behauptung, diese Vereinbarung schaffe keinen US-Militärstützpunkt in Australien und sei nur von vorübergehender Dauer, kann man getrost unter Propaganda zur Beschwichtigung der australischen Öffentlichkeit verbuchen.

Berücksichtigt man, daß Darwin nur 820 Kilometer von Indonesien entfernt ist, zeichnet sich das Vorhaben Washingtons ab, neben den Stützpunkten in Japan und Südkorea, die seit dem Zweiten Weltkrieg existieren, nun auch den südlichen Teil der Großregion besser abzudecken. Das Südchinesische Meer ist der maritime Vorhof Chinas und dessen wichtigster Handelsweg, weshalb es Peking als seine Einflußsphäre ausgewiesen hat, in der man keine Einmischung der USA dulde. Diese nehmen jedoch wie selbstverständlich für sich in Anspruch, ihre Flugzeugträgerverbände und U-Boote bis dicht vor die chinesische Küste zu steuern, als sei dies nicht pure Aggression, sondern die selbstverständliche Gepflogenheit einer globalen Ordnungsmacht. Umgekehrt wird das Flottenprogramm Pekings zu einer expansionistisch motivierten Bedrohung der gesamten Region erklärt, der man frühzeitig entgegentreten müsse. Wie nicht anders zu erwarten, äußerte das chinesische Außenministerium Zweifel an der Notwendigkeit der US-Truppen in Australien, was noch eine zurückhaltende Reaktion auf die offensichtliche Stoßrichtung dieser verstärkten Militärpräsenz war.

Inzwischen ist Barack Obama zum Gipfeltreffen der asiatischen Staats- und Regierungschefs nach Indonesien weitergereist. Die USA sind erstmals zu einem Gedankenaustausch mit den ASEAN-Staaten und ihren Partnern in der Region, darunter China und Japan, eingeladen. [3] Auf der indonesischen Insel Bali wollen die führenden Repräsentanten der zehn Mitgliedsländer Birma, Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam unter anderem über die bis 2015 angestrebte Freihandelszone beraten. Die Anwesenheit Wen Jiabaos und Barack Obamas dominiert in ihrer Polarität das Gipfeltreffen, das dadurch fast schon den Charakter einer wirtschaftlichen, politischen und letzten Endes militärischen Richtungsentscheidung, zumindest aber einer diesbezüglichen Sondierung annimmt. [4]

Der erste offizielle Beschluß des Gipfels, daß Birma im Jahr 2014 den ASEAN-Vorsitz übernimmt, bescherte den USA eine diplomatische Niederlage. Sie wollten dem Land noch keinen normalen Status zugestehen, da die Militärjunta erst im März beendet und von einer "disziplinierten Demokratie" abgelöst wurde. [5] Für Birma, das fast 50 Jahre von Militärs regiert und drei Jahrzehnte lang geächtet war, ist dies ein beispielloser diplomatischer Durchbruch, für die USA ein Nasenstüber, den Washington zähneknirschend hinnehmen muß, da sehr viel mehr in dieser Weltregion auf dem Spiel steht.

Fußnoten:

[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,798305,00.html

[2] http://orf.at/stories/2089911/

[3] http://www.stern.de/politik/ausland/obama-in-australien-usa-will-pazifik-beziehungen-staerken-1752146.html

[4] http://www.dw-world.de/dw/function/0,,123370_cid_15538298,00.html

[5] http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1233147

17. November 2011