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PROPAGANDA/1344: Gesinnungsverdacht gegen Künast wirkungslos verpufft ... (SB)



Die der Jerusalem Post (JP) vom 12. Juli zu entnehmende Behauptung, die Grünenpolitikerin Renate Künast habe die Organisation Stop the Bomb als Front des Mossad bezeichnet, basiert bislang ausschließlich auf der Aussage einer Person. Thomas Hemberger von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) behauptete gegenüber dem JP-Berlin-Korrespondenten Benjamin Weinthal, Künast habe ihm gegenüber beim Verteilen von Flugblättern der Organisation am Berliner Reichstag erklärt: "Dies ist eine Mossad-Organisation". Ihr Sprecher Christoph Schmitz dementierte dies gegenüber der Zeitung und behauptete statt dessen, daß Künast den Verdacht geäußert habe, daß sich hinter Stop the Bomb die exiliranische Organisation National Council of Resistance of Iran (NCRI) verberge. Dies sei auf einer Sitzung der Partei vermutet worden, so Schmitz, der der JP allerdings keinen Einblick in die Aufzeichnungen dieses internen Treffens gewähren wollte.

Weitere Bezichtigungen, mit denen die Grünen in diesem Artikel von Vertretern der DIG und Stop the Bomb belegt werden, belaufen sich in der Summe auf die Behauptung, es handle sich um eine den Iran unterstützende und Israel feindlich gesonnene Partei, die alles Recht verwirkt habe, im Namen der Menschenrechte zu agieren. Dieser Frontalangriff auf die Glaubwürdigkeit der Grünen fand außerhalb ohnehin eindeutig positionierter Blogs und Webseiten keine Erwähnung in der deutschen Presse. Abgesehen davon, daß grüne Spitzenpolitiker versiert genug sind, um keine in der PR-Maschinerie des Bundestagswahlkampfs gegen sie zu verwendende Behauptung von sich zu geben, die auf eine verwerfliche Gesinnung schließen ließe, entbehrt der Vorwurf allerdings nicht einer gewissen Plausibilität.

Die Aktivisten von Stop the Bomb sind bekannt dafür, in Deutschland und in Österreich jegliche Unterstützung des Irans als direkte Bedrohung der Sicherheit Israels zu brandmarken. Zu einem kleinen Eklat kam es vor einem Jahr, als Stop the Bomb auf der Hauptversammlung des österreichischen Energiekonzerns OMV gegen dessen finanzielles Engagement im iranischen Gasfeld South Pars protestierte. Damit flankierte die Organisation den Versuch der US-Regierung, den österreichischen Konzern von diesem Investment abzuhalten. Über eine Absichtserklärung ist das Projekt bislang nicht hinausgekommen, und es ist angesichts der Lage im Iran durchaus möglich, daß sich innerhalb der EU die Initiative zur Sanktionierung derartiger Geschäfte durchsetzt.

Nun fungiert Joseph Fischer seit kurzem als OMV-Berater. Indem er sein ganzes politisches Gewicht, über das er nach wie vor verfügt, für den Erfolg der Nabucco-Pipeline einsetzt, mit dem das Iran-Engagement des österreichischen Konzerns direkt verknüpft ist, bestände allerdings ein Motiv für die Künast angelastete Äußerung. Es kann Fischer, der sich seit seinem Aufstieg in die Oberliga politischer Macht demonstrativ um die Anerkennung seiner Läuterung von früheren Sympathien für die Sache der Palästinenser bemüht hat, nicht gleichgültig sein, daß er mit seiner neuen Stellung auf Konfrontationskurs nicht nur zu den Interessen der israelischen, sondern auch der US-amerikanischen Regierung geht. Künast war Fischer stets verbunden und dürfte durchaus Interesse daran haben, seinen Ruf zu verteidigen. Mit dem Verweis darauf, daß Stop the Bomb keine altruistische Friedensinitiative, sondern eine im Interesse der israelischen Regierung agierende und mit geheimdienstlichen Mitteln betriebene Lobbyorganisation ist, könnte durchaus der Versuch unternommen worden sein, den grünen Übervater Fischer in Schutz zu nehmen.

Wie dem auch sei, der gegen die Grünen gerichtete Anwurf, ein Verein notorischer Feinde Israels zu sein, geht ins Leere. Wenigen kritischen Äußerungen einzelner Parteimitglieder zur Politik der israelischen Regierung stehen zahlreiche Bekenntnisse nicht zuletzt der grünen Bundesvorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth zum Existenzrecht und zur Sicherheit Israels gegenüber. Während sich Özdemir im Januar in der Talkshow 3 nach 9 von Radio Bremen daran beteiligte, den mit guten Argumenten aufwartenden Journalisten Peter Scholl-Latour als verblendeten Parteigänger der Palästinenser vorzuführen, trat Roth bei der Fußball-WM 2006 gemeinsam mit Günther Beckstein und Michel Friedman als Rednerin auf einer Kundgebung auf, mit der ein Besuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad zum Spiel der iranischen Nationalmannschaft verhindert werden sollte. Das sind nur zwei Beispiele zahlloser Stellungnahmen grüner Spitzenpolitiker, die deren zuverlässiges Eintreten für die Sache Israels als eines Staatenprojekts, das zu Lasten der Palästinenser geht, dokumentieren.

Es ist mithin nicht erstaunlich, daß der gegen Künast gerichtete Gesinnungsverdacht trotz eines plausiblen Anlasses dieses Mal zum Eigentor jener notorischen Haßprediger zu werden droht, denen jegliches Abweichen von der neokonservativen Linie antiiranischer Kriegstreiberei willkommener Anlaß ist, die Waffen des Antisemitismus- und Totalitarismusvorwurfs zu ziehen. Die Grünen verrichten an der Legitimation und Durchsetzung herrschender Interessen so gute Arbeit, daß es keinen Sinn machte, diese Geschütze gegen sie aufzufahren.

13. Juli 2009