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PROPAGANDA/1425: In allen Ländern stehen immer nur "sicherste Kernkraftwerke der Welt" (SB)



Deutsche Atomkraftwerke zählen zu den sichersten der Welt. Japanische ebenfalls. Auch britische, schwedische, russische, amerikanische ... Unsichere Kernkraftwerke gibt es grundsätzlich nicht, es sei denn, es kommt zu einem schweren Nuklearunfall wie aktuell in Fukushima Daiichi. Dann stellen die sogenannten Experten plötzlich fest, daß dieses eine Akw zufällig nicht ganz so sicher war, wie man bis dahin behauptet hatte.

Sicherlich ist es bloß ein unbedeutender Lapsus und widerspricht selbstverständlich nicht den hohen Sicherheitsansprüchen der deutschen Nuklearwirtschaft, daß die nordrhein-westfälische Landesregierung derzeit nach 2286 Brennelementekugeln fahndet. Vielleicht sind sie ja in der Asse gelandet, aber das weiß man nicht so genau, weil man offenbar gar nicht so genau weiß, was in dem Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall sonst noch alles über die Kante gekippt wurde.

Ein zufälliges Versehen in einer der modernsten Nuklearanlagen der Welt in Großbritannien: Von Juli 2004 an lief in der Brennelementefabrik Thorp aus einem abgescherten Rohr radioaktiv belastete Salpetersäure in ein schwimmbadgroßes Auffangecken. Erst neun Monate später wurde der Schaden entdeckt, da war das Becken bereits zu einem Drittel gefüllt. Die Salpetersäure enthielt schätzungsweise 20 Tonnen Uran und 160 Kilogramm Plutonium.

Und aus dem Land mit den natürlich sichersten Akws der Welt, den USA: Im März 2002 fiel Mitarbeitern des Akw Davis Besse im US-Bundesstaat Ohio bei einer längst überfälligen Inspektion auf, daß der 15 Zentimeter dicke Deckel des Reaktordruckbehälters von stetig tropfender Borsäure bis auf wenige Millimeter der Deckelinnenauskleidung durchgefressen war. Die Nuklearexperten der Union of Concerned Scientists (UCS) vermuten, daß es spätestens fünf Monate später zu einer Explosion mit radioaktiver Freisetzung gekommen wäre, hätte niemand den Schaden rechtzeitig entdeckt.

Drei Beispiele von zahllosen "harmlosen", die in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als Unfall auftauchen, aber belegen, wie potentiell gefährlich für Mensch und Umwelt die Kernspaltung zur Energiegewinnung ist. Das hält die Akw-Betreiber und ihre Lobbyisten in den Regierungen nicht davon ab, von der "im Prinzip sicheren" Atomenergie zu fabulieren. Und so wie selbst der Super-GAU von Tschernobyl hauptsächlich zu Anpassungen des Krisenmanagements geführt hat, nicht aber zur weltweiten Ächtung der Atomenergie, wird auch die aktuelle Fukushima-Katastrophe nicht das unwiderrufliche Ende des nuklearen Zeitalters einläuten, allen wahltaktischen Lippenbekenntnissen hier und da zum Trotz.

Das sollte allerdings niemanden erstaunen, denn Atomkraftwerke sind der Inbegriff für administrative Verfügungsgewalt und werden im Zeitalter ständig verschärfter Sicherheitsdoktrinen, mit denen die Staaten wegen ihrer immensen inneren Widersprüche gegenüber anderen Ideen, Vorstellungen und Konzepten menschlichen Zusammenlebens verteidigt werden, als Vorwand und Begründung für umfassende Repressionen dienen. Solche Zwangsmaßnahmen wollen allerdings propagandistisch vorbereitet werden, beispielsweise durch interessengestützte Behauptungen wie, Akws erzeugten keine Treibhausgase und seien angesichts der globalen Bedrohung durch den Klimawandel unverzichtbar, lieferten zuverlässig den notwendigen Grundlaststrom und gäben im Normalbetrieb keine gesundheitsgefährdenden Radionukleotide an die Umwelt ab. Sicher sind Atomkraftwerke nicht - aber sie tragen nicht unerheblich zur Sicherung der Herrschaftsinteressen von Kapital und Politik bei.

3. April 2011