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RAUB/1055: Ware Wasser - Widerstand gegen Privatisierung wächst (SB)




Wasser zur Ware machen heißt, die Bereicherung weniger zu Lasten der lebensnotwendigen Source zahlloser Menschen zum unanfechtbaren Regelfall im Rahmen der herrschenden Gesellschaftsordnung zu erklären. Daß die Verwertung der elementarsten Bedürfnislagen menschlicher Existenz keine Grenzen kennt, liegt in der Natur einer der unausgesetzten Konkurrenz und unablässigen Expansion unterworfenen Erwirtschaftung von Profiten, deren einzige Quelle die menschliche Arbeitskraft und Substanz in all ihren Erscheinungsformen ist. Mangel und Not sind kein Kollateralschaden dieser Wirtschaftsweise, sondern ihre Voraussetzung, die zu generieren, aufrechtzuerhalten und verschärfen ihre immanente Logik gebietet. Wäre sauberes Trinkwasser und genügend Abwasser für alle da, ließe sich kein darüber hinausgehender Nutzen für einzelne Profiteure daraus ziehen. Selbst wenn man voraussetzte, daß die weltweit verfügbare Frischwassermenge den Bedarf der Menschheit nicht deckt - wofür sich substantielle Argumente ins Feld führen lassen -, müßte man daraus grundsätzlich andere Konsequenzen als die vorherrschenden Strategien ziehen, um die Versorgung möglichst vieler Durstender anzustreben.

Die Privatisierung der Wasserversorgung als auf die Spitze getriebene Konsequenz der Aneignung und des Verkaufs von Wasser wird aller gegenteiliger Propaganda zum Trotz eines nicht leisten: Qualitativ besseres Wasser zu erschwinglicherem Preis bereitzustellen, als dies der zuvor bestehenden zumeist kommunalen Versorgung möglich war. Treibstoff der Investoren ist die in Aussicht stehende Rendite, die nur auf dem Rücken anderer realisiert werden kann: Entlassungen, erhöhter Arbeitsdruck, unterlassene Instandsetzung und Erneuerung des Leitungssystems und insbesondere Verteuerung des Wasserpreises sind die zwangsläufigen Folgen, für die es bereits eine ganze Reihe unabweislicher empirischer Belege gibt. [1]

Wie sehr diese Problematik vielen Menschen unter den Nägeln brennt, unterstreicht der Erfolg des Bündnisses "Right2Water", das mehr als eine Million Unterschriften in mindestens sieben EU-Staaten gesammelt hat. "Right2Water" betrachtet Trinkwasser als ein Gut, das von öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden müsse. Trinkwasser dürfe nicht den Wettbewerbsregeln des grenzenlosen Binnenmarkts ausgeliefert und die Wasserversorgung nicht privatisiert werden. Der Ende 2009 in Kraft getretene Lissabon-Vertrag sieht eine "Europäische Bürgerinitiative" vor, von der das Bündnis für Wasser nun erstmals Gebrauch macht. [2]

Auf den Weg gebracht hatte die Initiative der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst. Seit September 2012 können Unterstützer online unterschreiben, wobei sich der bemerkenswerte Sprung über die hohe Hürde insbesondere dem Umstand verdankt, daß die Ende Januar vom zuständigen Ausschuß des Europaparlaments verabschiedete neue EU-Konzessionsrichtlinie öffentlich wahrgenommen und kritisiert wurde. Diese Richtlinie sieht vor, daß Kommunen Aufträge rund um die Wasserversorgung künftig EU-weit ausschreiben müssen. Das ist kein unmittelbarer Zwang zur Privatisierung, öffnet dieser aber die Hintertür sperrangelweit. Die Vergabe an öffentliche Unternehmen, wie sie heute gängige Praxis ist, wäre dann nicht mehr möglich. Viele Gemeinden können die Wasserversorgung aus finanziellen Gründen nicht selbst übernehmen und delegieren sie deshalb an Wasserverbände oder -genossenschaften, die nicht gewinnorientiert arbeiten und öffentlicher Kontrolle unterliegen. Die Konzessionsrichtlinie würde solche Regelungen weitgehend ausschließen, so daß private Unternehmen ein Einfallstor vorfänden. Verwunderlich ist das nicht, setzt sich doch die sogenannte Steering Group, die die EU-Kommission in Fragen der Wasserpolitik berät, hauptsächlich aus Vertretern der Wasserindustrie und verwandter Industriebereiche zusammen.

Der Lissabon-Vertrag sieht bekanntlich keine wirksame Einflußnahme von unten vor. So müssen nicht nur 1.000.000 Unterschriften gesammelt werden, vielmehr ist in mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten auch ein bestimmtes Quorum erforderlich. Erreicht oder übertroffen wurde es bislang in Deutschland, Österreich und Belgien, weshalb bis zum Ablauf der Sammelfrist Ende Oktober noch viel Arbeit auf die Kampagne wartet. Sollte die Initiative erfolgreich sein, muß sich die EU-Kommission mit dem Vorschlag beschäftigen. Zudem gibt es eine Anhörung vor dem Europäischen Parlament. Zwingende inhaltliche Änderungen ergeben sich aber nicht, zumal das Plenum des EU-Parlaments bereits im März über die Konzessionsrichtlinie abstimmt. Auf die Kampagne als solche zu setzen, ohne die im Vertrag von Lissabon konstruierte Sackgasse zu erkennen, hieße folglich, der Bewegung einen Bärendienst zu erweisen.

Daß eine wachsende Bewegung gegen die Privatisierung der Wasserversorgung existiert, dokumentiert auch die Rezeption des Films "Water Makes Money - Wie private Konzerne aus Wasser Geld machen". [3] Eineinhalb Jahre nach der Premiere in 150 Städten Europas haben bis heute fast 1,5 Millionen Menschen den Film gesehen. Der Pressechef von Veolia Wasser Deutschland, Matthias Kolbeck, räumt offenbar ein, daß man das Ansinnen des französischen Mutterkonzerns, die Filmemacher Leslie Franke und Herdolor Lorenz nach deutschem Recht zu verklagen, nach reiflicher Überlegung abgelehnt habe. Wie es heißt, führe er zur Begründung an, "Water Makes Money" und die französische Klage gegen den Film habe dem Konzern bereits derart geschadet, daß eine deutsche Klage diesen Schaden nur noch erhöhen könne. [4]

Der Aktienwert von Veolia ist inzwischen erheblich gefallen, und das Unternehmen mußte sich unter dem Druck der Aktionäre bereits aus 40 von 77 Ländern zurückziehen, in denen der Konzern zuvor präsent war. In Italien lehnten die Bürger eine Privatisierung der Wasserversorgung ab, womit erstmals ein nationales Referendum erfolgreich war. In Deutschland bleibt Veolia noch präsent, doch zieht sich sein Zwillingskonzern Suez vollständig zurück. In Berlin war das Volksbegehren zur Aufdeckung der geheimen Verträge bei der Privatisierung der Wasserbetriebe erfolgreich, obgleich alle Parteien außer Teilen der Grünen dagegen auftraten. Bei all diesen Vorgängen spielte der Film eine nicht unmaßgebliche Rolle, was den Konzern Veolia jedoch nicht daran hindert, weiter gerichtlich gegen "Water Makes Money" vorzugehen.

Am 14. Februar wird im Pariser Justizpalast verhandelt, wobei nicht etwa die im Film gezeigten Fakten bestritten werden, wohl aber die strafrechtlich relevante Verwendung des Begriffs "Korruption", durch die sich das Unternehmen verleumdet fühlt. Man wolle den Film nicht verbieten, hatte der Pressechef von Veolia Wasser, Matthias Kolbeck, seit zwei Jahren stets in öffentlichen Veranstaltungen beteuert. Sollte der Mutterkonzern jedoch den Prozeß gewinnen, wird man erfahrungsgemäß die Zensur der monierten Filmstellen fordern. Da sich das Filmteam (Leslie Franke, Herdolor Lorenz und Lissi Dobbler) darauf nicht einlassen würde, stünde ein Verbot des Films zu befürchten. Neben diesem Angriff auf die Pressefreiheit drohen dem französischen Verleih "La Mare aux Canards" und dem Protagonisten Jean-Luc Touly Geldstrafen, Anwaltskosten bzw. die Bezahlung von Widerrufsanzeigen in fünf- bis sechsstelliger Höhe. [5]

Aus Solidarität zeigt ARTE den Film ein weiteres Mal zwei Tage vor dem Prozeß, am 12. Februar um 22:00 Uhr. In Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Italien und Österreich wird "Water Makes Money" in den Tagen um den Prozeß in vielen Veranstaltungen aufgeführt. Dem milliardenschweren Konzern die Stirn zu bieten, hat sich längst zu einer der öffentlichkeitswirksamsten Waffen gegen die Wasserprivatisierung zugespitzt. Daß Wasser nicht länger Geld einbringen darf, ist eine Überzeugung, die mit Veolia und anderen Unternehmen der Branche beginnen mag, doch gleichermaßen zur EU und weiter in die nationale Politik bis hinunter in die Kommunen führt. Konsequent weiterverfolgt ergeben sich daraus Fragen, die der unterstützenswerte Erfolg in dem von Veolia angestrengten Prozeß nicht etwa beschwichtigen, sondern im Gegenteil anspornen sollte.

Fußnoten:

[1] Siehe dazu: Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → MEINUNGEN
DILJA/1402: Verfügungsobjekt Trinkwasser (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/meinung/polm1402.html

[2] http://www.taz.de/Europaeische-Buergerbeteiligung/!110769/

[3] Siehe dazu: Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → REDAKTION
REZENSION/021: Water Makes Money - Wie private Konzerne aus Wasser Geld machen (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/redakt/mrrz0021.html

[4] http://watermakesmoney.com/index.php/de/startseite/36-home-2

[5] http://www.scharf-links.de/45.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=32544&tx_ttnews%5BbackPid%5D=56&cHash=bed7a7ae23

11. Februar 2013