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RAUB/1185: Rechtsparteien - Klimawandel kein Thema ... (SB)



Das Märchen vom menschengemachten Klimawandel glauben wir nicht.
AfD-Vorsitzender Alexander Gauland Anfang Januar 2019 [1]

Während die weltweit zunehmenden Wetterextreme vom hereinbrechenden Klimawandel zeugen, Tausende Schülerinnen und Schüler in den Industrienationen regelmäßig für eine radikale Wende beim Klimaschutz demonstrieren, selbst die sozialdemokratische Umweltministerin Svenja Schulze den Eindruck erweckt, sie wolle ein umfassendes Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, und sogar die Rede von den entscheidenden zehn Jahren der Menschheit ist, die globale Katastrophe zumindest zu bremsen, torpedieren maßgebliche politische Lager die unvermeidlichen Maßnahmen. Da de facto kein einziger Staat auf dem Weg ist, die in Paris vereinbarten Ziele zu erreichen, stellt sich das Problem dieser Blockade so umfassend dar, daß keine bestimmte Fraktion des politischen Spektrums allein dafür verantwortlich gemacht werden kann. Allerdings trifft es zu, daß insbesondere rechtspopulistische und rechtsextreme Strömungen und Parteien dafür bekannt sind, häufig gegen den Umwelt- und Klimaschutz zu opponieren, klimaskeptisch zu argumentieren oder den menschengemachten Klimawandel sogar zu bestreiten.

Mit Blick auf die Wahlen zum Europaparlament am 26. Mai stellt sich daher die Frage, in welchem Maße der prognostizierte Zugewinn dieser Parteien die künftige europäische Klimapolitik noch stärker sabotieren wird, als dies bislang ohnehin schon der Fall ist. Dabei ist nicht nur von Bedeutung, wie sich die nationalen Rechtsparteien jeweils positionieren und wie sie im Verbund eines Blocks im EU-Parlament agieren, sondern wie wirkmächtig sie andere Fraktionen beeinflussen und vor sich her treiben, ihre Argumente in gewissem Umfang zu übernehmen. Der Prozeß einer Wechselwirkung zwischen den nach rechts driftenden bürgerlichen Parteien und einer daraus resultierenden Rechten, die sich an die Spitze dieser Entwicklung setzt und sie ihrerseits befeuert, sind auch aus der deutschen Vergangenheit und Gegenwart hinlänglich bekannt.

In sieben europäischen Staaten sind rechte Kräfte inzwischen an der Regierung beteiligt, in Polen verfügt die PiS sogar über die absolute Mehrheit im Parlament. Einer aktuellen Umfrage des Europäischen Parlaments zufolge könnte etwa in Deutschland die Zustimmung für die AfD bei der bevorstehenden Europawahl von sieben auf zwölf Prozent steigen. Wie sich anhand höchst kontroverser Fragen wie der Verteilung von Flüchtlingen in der EU gezeigt hat, wird es für die Fraktionen im Europäischen Parlament zunehmend schwieriger, einen Konsens zu finden. Das könnte die Bedeutung der Rechten zusätzlich aufwerten, zumal allen gegenteiligen Beteuerungen konservativer bürgerlicher Gruppierungen zum Trotz mögliche Bündnisse mit ihnen nicht auszuschließen sind. [2]

Auf der Grundlage von Umfragen und angesichts der Entwicklungen in den vergangenen Jahren, in denen rechtspopulistische Parteien und autoritäre Regierungen deutlich an Zuspruch gewannen, wagt eine aktuell veröffentliche Studie folgende Prognose für die Zeit nach der Europawahl. Die Forscher der Berliner Denkfabrik adelphi gehen für die Jahre bis 2024 davon aus, daß im EU-Parlament die Zustimmung zu klimarelevanten Vorschlägen auf 71 Prozent sinken, die Ablehnungen auf 19 Prozent und der Anteil der Enthaltungen auf 9 Prozent steigen wird. Diese Vorschläge fanden in den beiden Legislaturperioden von 2009 bis 2019 Zustimmung bei 86 Prozent respektive 75 Prozent der Abgeordneten.

Wenngleich das die Mehrheiten noch längst nicht zu kippen scheint, geht die Vorhersage doch von einem klaren Trend aus, der im Zusammenhang der zuvor angeführten Wechselwirkungen großen Einfluß auf die politische Landschaft und die Öffentlichkeit haben könnte. Das ist insofern von zentraler Bedeutung, als die Regierungen der Industriestaaten die notwendigen Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels keinesfalls ergreifen werden, sofern sie nicht von klaren Forderungen aus der Gesellschaft dazu getrieben werden. Rechte Ideologie, die diese Kämpfe torpediert, droht daher an Einfluß zu gewinnen, der über die tatsächliche Wählerschaft dieser Parteien hinausreicht.

Im Rahmen der Berliner Studie wurde untersucht, wie die 21 stärksten rechten Parteien in Europa tatsächlich zur Frage von Klima- und Umweltschutz stehen. Dafür haben die Wissenschaftler die Wahlprogramme der Parteien, Pressemitteilungen, öffentliche Äußerungen der Parteispitze und das Verhalten bei den wichtigsten Abstimmungen zur Klima- und Energiepolitik im Europaparlament untersucht. Die Ergebnisse verheißen nichts Gutes für den Klimaschutz. Insgesamt sitzen sieben Parteien des rechten Flügels im EU-Parlament, die den anthropogenen Klimawandel bestreiten. Dazu gehören auch die deutsche AfD, die österreichische FPÖ, die britische Ukip und die niederländische PVV. Neben diesen Hardlinern gibt es elf rechtspopulistische und rechte Parteien in Europa, die das Thema kaum beschäftigt oder die Klimaschutzmaßnahmen zumindest zurückhaltend gegenüberstehen. Zu ihnen zählt die polnische PiS, die Lega in Italien, der Rassemblement National (früher Front National) von Marine Le Pen in Frankreich und die Schweizerische Volkspartei SVP. Lediglich drei der untersuchten Parteien fordern Maßnahmen gegen den Klimawandel: Fidesz, die unter Viktor Orbán in Ungarn autoritär regiert, sowie die Wahren Finnen und die Nationale Vereinigung aus Lettland.

Die AfD und die britische Ukip leugnen den Klimawandel schon in ihren Programmen. FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz Christian Strache machte 2017 Sonneneruptionen für die Erderhitzung verantwortlich. Unter Rechten gelten Maßnahmen gegen die Klimaveränderung als schädlich für die nationale Industrie im internationalen Wettbewerb und sozial ungerecht, da sie Jobs kosten würden und sich Teile der Bevölkerung höhere Energiekosten nicht leisten können. Die "abgehobenen Eliten" in den Regierungen senkten mit den Klimaschutzmaßnahmen den Lebensstandard der Bevölkerung, während ausländische oder multinationale Unternehmen mit neuen Kraftwerken davon profitierten. Jegliche multilateralen Klimaschutzabkommen seien abzulehnen, da sie in die Souveränität der Nationen eingriffen. Auch seien die Ziele der Vereinbarungen unrealistisch und viele Maßnahmen nutzlos, weil die USA, China und andere wichtige Kohlendioxidproduzenten nicht genug täten.

Da die Rechten die Heimat schützen wollen, kreuzen sich ihre Argumente mitunter mit Forderungen des Umweltschutzes. Für den RN in Frankreich, die italienische Lega oder die FPÖ ist die Erderhitzung deshalb bedrohlich, weil Klimaflüchtlinge Europa "überfluten" könnten, sofern Klimaveränderungen ein Asylgrund würden. Marine le Pen zeigt sich erneuerbaren Energien gegenüber aufgeschlossen, um unabhängig von den Golfstaaten zu werden, die "zusätzlich zu ihrem Öl auch ihre Ideologie schicken". Andererseits versucht sie auch, bei den Gelbwesten aufzusatteln, und lehnt Preiserhöhungen für Kraftstoffe ab. Die tschechischen Rechtspopulisten von der Freiheit-und-Demokratie-Partei sprechen von "Solarbaronen", die sich an der Energiewende bereichern würden. Die Lega wiederum kann sich mit erneuerbare Energien anfreunden, wenn diese in "kleinen Systemen" produziert würden, bei denen "italienische Innovationskraft an erster Stelle steht". Auch die österreichische FPÖ, obgleich im Lager der strikten Klimawandelleugner, hält solche Formen lokaler Energieproduktion für eine gute Sache. Die Schwedendemokraten wollen Klimaschutzmaßnahmen nur insofern mittragen, wie sie "unsere nationalen Flüsse" und "kulturellen und landschaftlichen Werte nicht beeinträchtigen". [3]

Als die AfD vor drei Jahren auf einem Parteitag in Stuttgart ihr Grundsatzprogramm beschloß, gab es durchaus Einwände gegen die Klimawandelleugner, die sich aber durchsetzten. So heißt es im Programm, daß es seit Ende der 90er Jahre im Widerspruch zu den IPCC-Prognosen keinen weiteren Temperaturanstieg gegeben habe, obwohl in diesem Zeitraum die CO2-Emissionen stärker denn je gestiegen sind. Die wirtschaftspolitischen Argumente lassen sich in zwei Stränge unterteilen: Vertreter des neoliberalen Teils der Partei wie Alice Weidel kritisieren den angeblichen Schaden für deutsche Großkonzerne, etwa die deutsche Automobilindustrie, die mit zu strengen Abgaswerten geknebelt werde. AfD-Politiker des sozial-nationalen Lagers rücken die Kohleindustrie mit den an ihr hängenden einheimischen Arbeitsplätzen in den Fokus: "Die kleinen Leute werden die Zeche zahlen." Mit ähnlichen Argumenten wettert auch die PiS gegen den Kohleausstieg, da Polen einen sehr hohen Anteil an Kohleverstromung aufweist.

Wenngleich also im Einzelfall durchaus widersprüchliche Positionen anzutreffen sein können, hat insgesamt gesehen die Mehrheit der Abgeordneten der 16 rechten Parteien im Europäischen Parlament seit dem Pariser Abkommen von 2015 die wichtigsten energie- und klimapolitischen Vorschläge abgelehnt. Das Gros der rechten Strömungen und Parteien biegt seine Klimaskepsis so zurecht, daß sie in die eigene Agenda paßt. Das heißt jedoch nicht, daß sie keine einheitliche Linie finden, wenn es um Blockaden geht. Das nächste EU-Parlament und die nächste EU-Kommission müssen sehr schnell wichtige Weichen stellen, da die EU bereits 2020 bei der UN-Konferenz einen neuen Klimaplan und verschärfte Klimaziele vorlegen muß.

Zudem emtscheiden die Europäer in der nächsten Legislaturperiode auch über die Finanzierung ihrer Gasinfrastruktur, die Kreislaufwirtschaft, Industriestandards und ein grüneres Finanzsystem - alles wichtige Felder für die "Dekarbonisierung", den Abschied von den fossilen Energien. Das alles könnten Hebel für die Rechten werden, um den Klimaschutz zu bremsen. Für sie ist Umweltschutz nur insofern von Belang, als er der Heimat und dem nationalen Interesse dienlich sein könnte. Sie setzen explizit auf Vorteile in der internationalen Konkurrenz, was sie zu entschiedenen Gegnern einer weltweiten Klimagerechtigkeit macht.


Fußnoten:

[1] www.n-tv.de/politik/Warum-Rechtspopulisten-haeufig-Klimaleugner-sind-article20874421.html

[2] www.sueddeutsche.de/politik/rechtspopulisten-klimawandel-1.4341697-2

[3] www.taz.de/Rechtspopulisten-und-der-Klimawandel/!5572456/

26. Februar 2019


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