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REPRESSION/1456: Die Linke verteidigen ... und ihr den Zahn politischer Streitbarkeit ziehen (SB)



Die Forderung des CSU-Generalsekretärs Alexander Dobrindt, "mittelfristig" ein Verbotsverfahren gegen Die Linke einzuleiten, weil sie ein "schwer gestörtes Verhältnis zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung" habe, ist in der bürgerlichen Presse größtenteils auf Ablehnung und Kritik gestoßen. Dies jedoch erfolgt stets unter Abwehr jeglichen Verdachts, man könne vielleicht mit dieser Partei sympathisieren. Auch tritt man nicht grundsätzlich für das politische Organisationsrecht ein, gehört das Parteiverbot doch zu den notwendigen Instrumenten der wehrhaften Demokratie. Wo die Springerpresse eher dazu neigt, links und rechts in einen Topf zu werfen und die Legitimität der Forderung Dobrindts mit der Legalität eines Verbotsverfahrens gegen die NPD zu begründen, will der liberale Kommentator doch nicht so weit gehen und die an anderer Stelle geltend gemachte Gleichsetzung zwischen links und rechts in Hinblick auf ein Parteiverbot mitvollziehen.

Hauptgrund für diese Nachsicht, die bis in die Reihen der FDP reicht, wo gegen Politiker der Linken gerne pauschal mit dem verächtlich gemeinten Titel des "Kommunisten" polemisiert wird, ist die eigene demokratische Glaubwürdigkeit. Wo der politische Gegner der legalistischen Macht des staatlichen Gewaltmonopols ausgesetzt wird, sieht man sich zu Recht dem Vorwurf ausgesetzt, Repression an die Stelle des politischen Streits treten zu lassen. Zudem erfüllt Die Linke die Aufgabe eines Popanz, auf den man ungestraft einschlagen kann, um sich als Verteidiger der freiheitlich demokratischen Grundordnung von echtem Schrot und Korn zu inszenieren. An die Stelle der die eigene Klassenherrschaft entlarvenden Verteidigung von der Linken aufgegriffener Praktiken der sozialen Unterdrückung tritt der gut geölte Reflex einer Brachialapologie, die die Repräsentanten der politischen Mitte aus sich selbst heraus zu Sachwaltern von Freiheit und Demokratie erhebt, während sie das Gegenteil dessen tun.

Wie eng die Grenzen der parlamentarischen Debattenkultur gezogen sind, muß Die Linke mit schöner Regelmäßigkeit erleben, wenn sie mit dem nach der Farbe der Saison kostümierten Gesinnungsverdacht vorgeführt wird. Was in den dazu anberaumten aktuellen Stunden seitens der bürgerlichen Parteien an Argumenten aufgeboten wird, ist nicht selten von der abenteuerlichen Irrationalität eines demagogischen Antikommunismus geprägt, der eher an inquisitorische Hexenverfolgung denn an demokratischen Diskurs erinnert.

Wenn ein Dobrindt nun auf den Busch klopft und die legalistische Konsequenz des in Stellung gebrachten Gesinnungsverdachts einfordert, dann tun die gleichen Stimmen, die eben noch mit gerechtem Furor gegen linke Staatsfeinde zu Felde gezogen sind, so, als verstünden sie gar nicht, wie der CSU-Politiker auf diesen Gedanken kommen kann. So macht man sich im Tagesspiegel nicht nur über diese "jüngste Narretei des amtierenden Generalclowns, Alexander Dobrindt" lustig, sondern auch über den "kreuzbraven Rentner-Wahlverein, der hierzulande als Linkspartei firmiert". Ihn als "reale Bedrohung der Demokratie zu sehen" [1] ist für das Berliner Blatt an dieser Stelle so abwegig, wie es bei anderer Gelegenheit, etwa dem Nachsinnen über "Wege zum Kommunismus" oder tätiger Palästina-Solidarität, genau darum zu gehen scheint.

Auf Zeit Online gibt man sich in der Sache seriöser und erweckt den Anschein, als ginge Dobrindt mit seiner Forderung nun wirklich zu weit. Gleichzeitig möchte man nicht darauf verzichten, im Ernstfall, wenn es den Herrschaften zu bunt wird, zu strafrechtlichen Mitteln zu greifen:

"Ja, es gibt verirrte Linke, es gibt sprachlos machende Solidaritätsbekundungen Einzelner mit Syriens Machthaber Assad, es gibt Glückwunschschreiben an Diktatoren und es gibt Linksextreme, die den Staat und die Staatsmacht nicht achten. Solche Gebaren gehören beobachtet, verfolgt und gegebenenfalls bestraft." [2]

Wo die Sachwalter bürgerlicher Hegemonie sich vorbehalten, die eigene Ablehnung linker Positionen und die irregeleitete Skandalisierung emanzipatorischer Forderungen zum Anlaß exekutiver Maßnahmen zu nehmen, kann auch ein Parteiverbotsverfahren niemals ausgeschlossen werden. Bezeichnenderweise wird auf Zeit Online fast zeitgleich mit der Kritik an Dobrindt über "Die verschwiegenen Extremisten der Linken" [3] nicht nur berichtet, sondern im verschwörungstheoretischen Duktus Alarm geschlagen. Teilweise agiere die Kommunistische Plattform in der Linken wie ein "Geheimbund", heißt es dort unter Verweis auf nicht gewährte Informationen über die personelle Zusammensetzung der KPF. Der auf Zeit Online erhobene Vorwurf, dieser Zusammenschluß "munitioniert Gegner der Linkspartei mit ihren Parolen" auf, verrät denn auch die Intention dieses Anwurfs.

Trennt euch endlich von euren "Extremisten", dann klappt's auch mit der Demokratie, tönt die liberale Presse mehr oder minder unverhohlen seit Beginn der jüngsten Debatte über die Aktivitäten der Verfassungsschutzämter gegen Die Linke. Der disziplinierende Charakter des Extremismusvorwurfs öffnet der Partei den Weg in die politische Mitte sprich in systemkonforme Harmlosigkeit, doch das ist nur das stumpfe Ende des Speers politischer Repression. Auf dieses Angebot zur Güte nicht einzugehen und sich der innerparteilichen Drift zur reformistischen Rolle eines Sozius der SPD nicht hinzugeben hieße, so konsequent gegen das kapitalistische Gewaltverhältnisses Front zu machen, daß man es schon deshalb mit seiner aggressiven Durchsetzung zu tun bekommt, weil Unbotmäßigkeit im Untertanenstaat bestraft gehört. Wo das liberale Bürgertum heute noch die Grundrechte auch der Linkspartei verteidigt, kann es morgen schon, wenn die soziale Krise weiter aufbricht, wenn Demonstrationen gegen neue Kriege und Streiks gegen unzumutbare Verarmung das Land erschüttern, an der Seite Dobrindts und anderer Scharfmacher einer Ordnung zustimmen, die nicht zum ersten Mal in der jüngeren deutschen Geschichte den Frieden der Herrschenden mit Verboten und Haftstrafen durchsetzt.

Dies ist nicht nur strukturell im grundgesetzlich möglichen Parteiverbot, sondern vor allem ideologisch im niemals aufgearbeiteten Antikommunismus des Kalten Kriegs angelegt. Mit offenem Spott oder geteilter Freiheitslyrik gegen den Vorstoß Dobrindts zu halten beseitigt diesen blinden Fleck des zu Unrecht als integres politisches Neutrum dargestellten Staatsbürgertums nicht, sondern vollendet ihn als in seinem antidemokratischen Charakter vollends undurchschaubar gemachten Primat kapitalistischer Herrschaft. Weder Gesellschaftssystem noch Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik sind grundgesetzlich so ehern vorgegeben, wie die antilinke Staatsapologie unterstellt. Gerade deshalb ist das Vermögen zu politischer Ermächtigung gegen die linke Opposition in der Bundesrepublik nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Fußnoten:

[1] http://www.tagesspiegel.de/meinung/dobrindt-und-die-linkspartei-ein-clown-als-narr/6129592.html

[2] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-01/linkspartei-verbot-dobrindt

[3] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-01/kommunistische-plattform

31. Januar 2012