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KRIEG/1368: Deutsche Waffen funktionieren unter allen Bedingungen (SB)



Ein eher peinliches Beispiel für angewandte Ignoranz bieten die Klagen über auf dem afghanischen Schwarzmarkt aufgetauchte Handfeuerwaffen, die aus einem Kontingent stammen, die das deutsche Verteidigungsministerium zur Ausstattung der afghanischen Regierungsarmee und Polizei in das Land geliefert hat. Ein Altbestand von 10.000 ausgemusterten Walther-P1-Pistolen sei im Januar 2006 "zur Ausrüstung der im Aufbau befindlichen Sicherheitskräfte" an das afghanische Innenministerium übergeben worden, das diese Waffen wiederum an Polizei und Armee verteilt habe, so der vom Radiosender NDR Info bekanntgemachte Vorgang, der zur kommerziellen Zweckentfremdung des dem Stabilitätsexport dienenden Geräts geführt haben soll.

Die daraufhin zu vernehmenden Beschwerden, nun könnten Bundeswehrsoldaten mit deutschen Waffen angegriffen werden, erwecken den Eindruck, als sei dies auf anderem Wege nicht möglich. Offensichtlich ist man sich in der breiten Öffentlichkeit nicht darüber klar, daß die Bundesrepublik der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist und diesen Status unter anderem mit der Lieferung zahlreicher Kleinwaffen natürlich auch in Regionen erreicht hat, in denen aufgrund akuter Kampfhandlungen rege Nachfrage nach diesen Produkten herrscht. Wohin sonst solle man Kriegswaffen liefern als in Spannungsgebiete, fragte einst der selige Franz-Josef Strauß in der ihm eigenen Offenheit, um damit deutlich zu machen, daß es darauf nur eine Antwort geben könnte. Wenn Waffen nicht eingesetzt würden, benötigte man sie nicht, so daß der von der deutschen Rüstungsindustrie gedeckte Bedarf immer auch Tote produziert.

Daß sich darunter auch einmal ein Bundeswehrsoldat befinden könnte, ist angesichts der weltweiten Verbreitung aus deutschen Waffenschmieden stammender Erzeugnisse allemal wahrscheinlich und kein Grund zur Klage. Schließlich wird auch nicht moniert, daß die Sprengfallen, denen Patrouillen der Bundeswehr zum Opfer fallen, häufig aus Beständen konstruiert werden, die von dem reichhaltigen Waffenarsenal übriggeblieben sind, das die USA vor einem Vierteljahrhundert an die afghanischen Mujahedin geliefert hat.

Daß afghanische Polizisten häufig ihren Dienst quittieren, ohne ihre Dienstwaffe abzugeben, um anstelle dessen auf dem Schwarzmarkt einen guten Preis zu erzielen, ist ihnen nicht zu verdenken. Das Anheuern afghanischer Bürger zur Verwendung für Zwecke der Besatzer ist trotz der unter der Bevölkerung vorherrschenden Abneigung gegen die Anwesenheit ausländischer Truppen vor allem der desolaten wirtschaftlichen Lage, in der sich das Gros der Afghanen befindet, geschuldet. Der von den Regierungen der NATO-Staaten alimentierte und organisierte Aufbau einheimischer Streitkräfte und Polizeibehörden bietet afghanischen Männern die Möglichkeit, selbst einmal richtig satt zu werden und ihre am Hungertuch nagenden Familien zu versorgen.

Es ist allgemein bekannt, daß sich unter den angeworbenen Soldaten und Polizisten auch Personen befinden, die gegen die Besatzer kämpfen. Sie wollen sich zwischenzeitlich ein Zubrot verdienen oder die Strategien der Regierungstruppen ausforschen. Ebensowenig, wie das Abhalten korrekter Wahlen unter den gegebenen Bedingungen staatlicher Desorganisation möglich ist, kann mit Gewißheit ausgeschlossen werden, daß nicht einige Rekruten zum Widerstand gehören oder sich ihm anschließen werden. Bundeswehrsoldaten könnten also nicht nur deutschen Waffen zum Opfer fallen, sie könnten sogar auf Gegner treffen, die ihre Kampfkraft US-amerikanischen oder deutschen Ausbildern zu verdanken haben.

Darüber hinaus sollte die Verwendung in der Bundesrepublik produzierter Schußwaffen nicht deshalb beklagt werden, weil sie zweckentfremdet wurden. Mehr noch als gedungene Söldner oder aus Not gepreßte Rekruten sind Waffen dafür geeignet, Menschen umzubringen, die umgebracht werden sollen, ohne daß man mit ihnen irgendeinen Konflikt auszutragen hätte. Wenn deutsche Behörden aus Haushaltsgründen ausgemusterte Dienstwaffen in die USA verkaufen, wo sie in den legalen Waffenhandel gelangen, dann können sie keineswegs garantieren, daß mit ihnen kein Verbrechen begangen wird. Wenn deutsche Rüstungsschmieden hochwirksame Offensivwaffen in alle Welt exportieren, dann bietet auch die Einhaltung der ohnehin häufig umgangenen Rüstungsexportrichtlinien nicht die Gewähr, daß mit ihnen keine Zivilisten umgebracht werden.

Es gibt eine naheliegende Möglichkeit, Bundeswehrsoldaten davor zu schützen, den Auswirkungen deutscher oder anderer Waffen nicht ausgesetzt zu werden. Die Bundeswehr zurückholen ins eigene Land, ihren Auftrag ausschließlich auf die Landesverteidigung begrenzen, ihren überdimensionierten Bestand massiv einschrumpfen und die freigesetzten Mittel sozialen Zwecken zum Beispiel in Afghanistan zuführen, um dort Bedingungen zu schaffen, aufgrund derer sich die verschiedenen Gruppen ohne den unmittelbaren Druck ökonomischer Not auf eine gemeinsame Staats- und Regierungsform einigen können.

12. Oktober 2009