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KRIEG/1406: Soldatinnen ... Grausamkeit als Gleichstellungsmerkmal (SB)



Vor rund zehn Jahren, am 11. Januar 2000, entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH), daß Frauen in Deutschland nicht länger vom Dienst an der Waffe ausgeschlossen werden dürfen. Dieser vermeintliche Erfolg der Gleichstellung von Frauen hat dazu geführt, daß heute an die 15.000 Soldatinnen Dienst in der Bundeswehr leisten. Auch wenn ihr Anteil im Sanitätsdienst überdurchschnittlich hoch ist, werden deutsche Soldatinnen, wie in den Streitkräften anderer NATO-Staaten und dabei insbesondere der USA schon des längeren üblich, routinemäßig an Kriegsschauplätzen wie Afghanistan eingesetzt.

Mit der allgemein begrüßten Verwirklichung einer formalen Gleichberechtigung, die im Widerspruch zur andauernden Benachteiligung von Frauen durch geschlechterspezifische Diskriminierung in Beruf und Gesellschaft steht, wurde ein ein Zuwachs an staatlicher Verfügungsgewalt gefeiert, der das Umbringen anderer Menschen wie das Opfern eigener Bürger im Krieg betrifft. Da diese auf dem Rechtsweg erwirkte Korrektur die Lizenz zum Töten unter die Befehlsgewalt des Staates stellte, konnte das Argument, Frauen würden durch die militärische Ausbildung auch ganz allgemein gegenüber Männern wehrhafter, nur bedingt verfangen.

Feministinnen haben die Behauptung, die Kriegführung sei von jeher eine Domäne der Männer gewesen, das soldatische Element liege ihnen im Blut und ihre körperlichen Voraussetzungen setzten Frauen außerstande, sich gegen maskuline Brutalität zu behaupten, zu Recht als Apologie patriarchalischer Dominanz kritisiert. Die Kritik an diesem Gewaltverhältnis in die positive Forderung umzumünzen, auf der Seite der angeblich Stärkeren an ihm teilzuhaben, entspricht jedoch der Konsequenz, die Politiker der Grünen zogen, als sie die deutsche Schuld am Holocaust in einen Angriffsvorwand gegenüber Jugoslawien verwandelten. Sich unter Einsatz körperlicher Mittel wehrhaft zeigen und an einem staatlichen Gewaltauftrag teilhaben zu wollen sind zweierlei Dinge, die keine Frau miteinander verwechseln kann, die ihr emanzipatorisches Ansinnen nicht auf ihre persönliche Betroffenheit beschränkt, sondern alle Menschen darin einschließt, gegen jede Form der aggressiven Kriegführung zu streiten. Daß Antimilitaristinnen sich damit für Frauen, die in allen Kriegen in besonderer Weise von militärischer und zudem sexueller Gewalt betroffen sind, stark machen, unterstreicht die Relevanz der Machtfrage, die auf herrschaftskonforme Weise zu beantworten nach wie vor patriarchalischen Zielen zuarbeitet.

Was den Soldatinnen der Bundeswehr möglicherweise noch bevorsteht, haben ihre israelischen Kameradinnen bereits leid- oder vielleicht auch lustvoll erfahren. Die Organisation Breaking the Silence versucht, die israelische Öffentlichkeit anhand von Aussagen ehemaliger Soldaten für diejenigen Seiten der eigenen Besatzungspolitik und Kriegführung zu sensibilisieren, die üblicherweise verschwiegen werden. Nun hat Breaking the Silence erstmals Berichte von rund 50 ehemaligen Soldatinnen publiziert. Die wohl wichtigste Erkenntnis ihrer freimütigen Schilderungen, mit denen sie unbewältigt gebliebene Taten verarbeiteten, besteht darin, daß Soldatinnen häufig unter erheblichem Druck stehen, sich als ernstzunehmende Kämpferinnen gegenüber ihren Kameraden zu beweisen. Das habe dazu geführt, daß sie sich zum Teil brutaler an Palästinensern vergangen hätten als ihre männlichen Kollegen. Bei ihrem Einsatz an Checkpoints und Grenzübergängen hätten sie diesen in Sachen Schikanierung, Demütigung und Gewaltanwendung in nichts nachgestanden, ja sie sogar durch besonders aggressives Auftreten übertroffen. Viele Übergriffe, die unterschiedslos gegen palästinensische Männer, Frauen und Kinder gerichtet waren, seien bloßer Langeweile geschuldet gewesen, zudem wären der Willkür der Grenzposten ohnmächtig ausgelieferte Palästinenser immer wieder von diesen beraubt worden (siehe http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3841480,00.html).

Alice Schwarzer hat den Ausschluß von Frauen vom uneingeschränkten Soldatentum schon 1976 als Ausdruck weiblicher Diskriminierung, bei der es schlicht um den Erhalt männlicher Macht ginge, verurteilt. Wenn das Ziel des Feminismus, wie sie ihn versteht, wirklich darin bestehen sollte, Männern auch in ihren besonders maskulinen, weil grausamen Seiten immer ähnlicher zu werden, dann kommt er seinem Ziel immer näher. Angesichts palästinensischer Frauen, die ihre Kinder an israelischen Checkpoints gebären, weil man sie nicht ins Krankenhaus läßt, keine erfreuliche Aussicht.

4. Februar 2010