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KRIEG/1479: Amr Moussa rechtfertigt Kollaboration der Arabischen Liga (SB)



Mit ihrer Forderung, ein Flugverbot über Libyen zu verhängen und durchzusetzen, hatte die Arabische Liga den Interventionsmächten das entscheidende Feigenblatt für den Angriffskrieg geliefert. Notwendig war es nicht, doch zweifellos hochwillkommen, da es fälschlich den Eindruck erweckte, die arabische Welt befürworte mehrheitlich den bellizistischen Übergriff ehemaliger Kolonialmächte und imperialistischer Schwergewichte auf Nordafrika. Vom fragwürdigen Zustandekommen des Votums ganz abgesehen, repräsentiert die Arabische Liga so wenig die Menschen in dieser Weltregion, wie der UN-Sicherheitsrat etwas anderes als ein Werkzeug hochgerüsteter nationalen Eliten sein kann, die sich selbst für ihre Kriegszüge mandatieren. Die völkerrechtswidrige Intervention zu Gunsten der favorisierten Bürgerkriegspartei mit dem Ziel eines gewaltsam herbeigeführten Regimewechsels zu einem Gebot der Menschlichkeit zu erklären, droht nun der taktierenden und lavierenden Arabischen Liga auf die Füße zu fallen. Wer sich wie sie den westlichen Führungsmächten andient, muß zugleich fürchten, für diese Kollaboration zur Rechenschaft gezogen zu werden, wenn die Euphorie der Erhebung in den arabischen Ländern erst einmal einer ernüchterten Bestandsaufnahme das Feld überlassen hat.

Als der Angriffskrieg mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung entfesselt war, machte die Arabische Liga einen Rückzieher und behauptete nun, sie habe nie etwas anderes als ein Flugverbot gebilligt. Türöffner für das Abschlachten von Libyern und die Zerstörung der Infrastruktur möchte sie denn doch nicht sein, zumal man nicht mit letzter Sicherheit vorhersagen kann, welchen Verlauf die Revolte in den Ländern der Region künftig nehmen wird. Sollte sie wider Erwarten in einen antikapitalistischen und antiimperialistischen Aufstand umschlagen, ginge es eben jenen Kräften an den Kragen, die gemeinsame Sache mit den US-amerikanischen und europäischen Hegemonialherren gemacht haben.

Der scheidende Generalsekretär der Arabischen Liga und Präsidentschaftskandidat in Ägypten, Amr Moussa, gab am 21. März in Kairo Raghida Dergham von Global Viewpoint Network ein Interview, in dem das Dilemma des zwischen Handlangerdiensten für die Interventionsmächte und repräsentabel gesäuberter Weste für das Wahlvolk changierenden Spitzenpolitikers auf geradezu peinliche Weise zutage trat. Von dem beharrlich nachfragenden Dergham durch eine Kette naheliegender Zweifel und Einwände in die Ecke gedrängt, wusch Moussa sich auf denkbar unglaubwürdige Weise die Hände in Unschuld.

Ein ums andere Mal zog sich der Generalsekretär auf die Behauptung zurück, ausschließliches Ziel der Resolution 1973 sei der wirksame Schutz von Zivilisten, die durch Angriffe mit schweren Waffen gefährdet seien. Das und nichts anderes seien Wortlaut und Geist dieser Resolution, deren Umsetzung sich die Arabische Liga verpflichtet fühle. Mit anderen Zielen wie insbesondere einem Regimewechsel habe man nichts zu tun. Von Dergham mit dem Umstand konfrontiert, daß die Durchsetzung einer Flugverbotszone Angriffe auf Ziele am Boden voraussetze, von denen in der Resolution auch explizit die Rede ist, weicht Moussa aus. Als sei ihm nicht klar, daß die Verhängung eines wirksamen Flugverbot zwangsläufig mit Kriegseinstieg gleichzusetzen ist, macht er geltend, daß man Flugabwehrstellungen natürlich angreifen dürfe, jedoch ein Einmarsch ausländischer Bodentruppen nicht vorgesehen sei.

Auch die Frage, ob es bei diesem Angriff nicht darum gehe, die Rebellen in Benghasi zu unterstützen und ihnen wenn möglich zum Sieg zu verhelfen, versucht Moussa nach demselben stereotypen Muster abschlägig zu beantworten. Man sei nicht für irgendein Regime, eine Regierung oder einen Rat und unterstütze auch nicht die Rebellen, sondern wende lediglich Schaden von ihnen ab. Als Dergham nachsetzt und fragt, ob nicht manche Leute den Tod Gaddafis für die schnellste und beste Lösung hielten, einen langen Bürgerkrieg zu verhindern, erklärt der Generalsekretär wiederum ausweichend, gewisse Dinge diskutiere er nicht. Im übrigen entscheide die Arabische Liga nicht über die Beteiligung an den Kampfhandlungen, die jedem Land selbst überlassen sei und wie im Falle Katars zu Entsendung von Kampfflugzeugen geführt habe.

Die naheliegende Frage Derghams, ob sich nicht auch eine Koalition bilden müßte, die beispielsweise im Jemen interventiert, weist Moussa entschieden zurück. Der Sicherheitsrat habe nur einen Beschluß zu Libyen gefaßt, der keinesfalls für andere Länder gelte. Als der Interviewer nachfaßt und die prekäre Situation im Jemen schildert, behauptet Moussa, das lasse sich mit Libyen gar nicht vergleichen und werde sich hoffentlich bald ohne äußere Eingriffe regulieren. Vollends ins Schwimmen gerät der Ägypter, als Dergham in nicht von der Angel läßt und auf Bahrein und Syrien zu sprechen kommt, wo man doch ebenfalls eingreifen müßte, wolle man nicht mit zweierlei Maß messen. Trotzig erklärt Moussa, in Libyen habe man richtig gehandelt. Man müsse jedes Land für sich unter die Lupe nehmen, um auf Grundlage einer angemessenen Prüfung eine Entscheidung zu treffen.

Auf sicherem Boden fühlt sich Amr Moussa offenbar erst wieder, als ihm Dergham Fragen zu seiner Kandidatur um das ägyptische Präsidentenamt stellt. Dabei läßt er sich sogar dazu hinreißen, für den Fall seines Wahlsiegs die Öffnung des Grenzübergangs Rafah zum Gazastreifen zuzusagen. Zum Abschluß des Interviews wieder in seinem Element, rühmt er den Drang nach Freiheit, die Revolutionen für die Demokratie als einen Weg, auf dem es keine Umkehr gebe. Was immer dabei herauskomme, werde der arabischen Welt eine bessere Zukunft bescheren, kann er endlich wieder so vage schwadronieren, wie man es von einem ambitionierten Politiker erwarten darf.

Anmerkungen:

[1] Arab League chief: Goal in Libya is to protect civilians, not regime change (23.03.11)
www.csmonitor.com

25. März 2011