Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KRIEG/1483: Beinahe-Katastrophe in der Eifel - BRD bleibt Basis der US-Kriegführung (SB)



Remscheid, 8. Dezember 1988: Ein Bodenkampfflugzeug der US Air Force A-10 Thunderbolt stürzt in ein Wohngebiet der Stadt Remscheid. Neben dem Piloten kommen sechs Personen ums Leben, 50 weitere werden zum Teil schwer verletzt.

Laufeld, 1. April 2011: Nur 300 Meter von dem Eifeldorf und 500 Meter von der Autobahn A1 entfernt explodiert ein Bodenkampfflugzeug der US Air Force A-10 Thunderbolt in einem gigantischen Feuerball auf freiem Feld. Augenzeugen zufolge hat der Pilot, der sich mit seinem Schleudersitz rettet, die bereits in der Luft brennende Maschine über einem Gewerbegebiet herumgerissen, um einen Absturz in dem Ort zu vermeiden. [1]

1988 übten US-Streitkräfte mit Flugzeugen dieses Typs über der BRD für den Ernstfall im kurz darauf beendeten Kalten Krieg. 1991 wurden A-10 Thunderbolt im Krieg gegen den Irak eingesetzt und waren auf der Straße von Basra maßgeblich am sogenannten Truthahnschießen, dem Massakrieren der aus Kuwait abrückenden Iraker, beteiligt. In allen Kriegen, die die USA seitdem geführt haben, waren Kampfflugzeuge dieses Typs beteiligt, und zwar in den meisten Fällen ohne großes Risiko, beim massiven Beschuß militärischer und ziviler Ziele auf eine nennenswerte Flugabwehr zu treffen.

Die A-10 ist eine vielseitige Angriffswaffe, deren Standardbewaffnung, eine 30mm-Gatling-Kanone, panzerbrechende, mit abgereichertem Uran gehärtete Projektile verfeuert. Auch wenn die Strahlung der DU-Munition relativ schwach ist, bestätigen Untersuchungen in diversen Kriegsgebieten eine signifikante Zunahme von Erbgutschädigungen und Krebserkrankungen unter den betroffenen Bevölkerungen. Bislang wurde weder eingestanden noch ausgeschlossen, daß die in Laufeld abgestürzte A-10 Uranmunition an Bord hatte. Doch allein die Möglichkeit, daß der Pilot es nicht geschafft hätte, sein Flugzeug außerhalb des Eifeldorfes, das in der Einflugschneise des US-Militärstützpunktes Spangdahlem liegt, aufprallen zu lassen, kann von dessen 500 Bewohnern nur als massive Bedrohung empfunden werden.

Bezeichnenderweise wurde über den Vorfall in überregionalen Medien lediglich routinemäßig und zurückhaltend berichtet. Eine öffentliche Debatte über die Tatsache, daß die Bundesrepublik nicht nur logistische Drehscheibe für Kriegseinsätze der US-Streitkräfte ist, sondern auch Manövergelände für Übungsflüge, mit denen Kampfeinsätze wie der in Libyen vorbereitet werden, wurde durch den Vorfall nicht angestoßen. Politische Stellungnahmen bleiben aus, obwohl die Informationspolitik der US Air Force zu wünschen übrig läßt. Boden- und Luftproben hätten keine erhöhten Werte aufgewiesen, ließ ein Sprecher des US-Militärflugplatzes Spangdahlem verlauten [2], was nicht bedeuten muß, daß die angeblich an Bord befindliche Übungsmunition kein abgereichertes Uran enthielt. Da die Absturzstelle auf längere Zeit abgesperrt bleiben wird, sind zumindest zur Zeit keine unabhängigen Untersuchungen möglich.

Eine von der Onlineausgabe volksfreund.de der Regionalzeitung Trierischer Volksfreund aufgestellte Chronologie in der Eifel verunfallter US-Militärflugzeuge [3] verrät, daß die ganze Region durch Kriegsaktivitäten dieser Art in Mitleidenschaft gezogen wird. Und nicht nur dort ist man beunruhigt. Die Online-Ausgabe der Main Post berichtet über nächtliche Übungsflüge von A-10-Kampfflugzeugen in der Nähe des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld nur zwei Tage vor dem Absturz in Laufeld [4]. In Anbetracht der derzeit in der Bundesrepublik geführten Debatte über die Sicherheit von AKWs bei Flugzeugabstürzen zeigt sich, daß Kriegsvorbereitungen allemal wichtiger sind als ein zurückhaltender Umgang mit politischen Empfindlichkeiten, von den Ängsten der Bevölkerung ganz zu schweigen.

Da von einer Bedrohung der Bundesrepublik durch äußere Aggressoren nicht mehr ausgegangen wird, kann man sich kaum mehr darauf berufen, daß militärische Übungsflüge in der Bundesrepublik der Landesverteidigung dienten. Wenn dieses Argument heute noch Gültigkeit besäße, dann im Kontext der Debatte um den Einsatz der Bundeswehr im Innern, der mit dem möglichen Abschuß entführter Passagiermaschinen begründet und mit der Verabschiedung des Luftsicherheitsgesetzes verankert wurde. Die A-10 Thunderbolt ist jedoch kein Jagdflugzeug, das in einem solchen Fall zum Einsatz käme, sondern eine ausgesprochene Angriffswaffe für Bodenziele. Die Simulation von Angriffszenarios in der Nähe von AKWs entspricht mithin jener Gefährdung, die für den vergleichsweise sehr viel unwahrscheinlicheren Fall eines Anschlags mit entführtem Passagierflugzeug breit diskutiert wurde.

Daß eine Beinahe-Katastrophe wie der Absturz bei Laufeld politisch folgenlos bleibt, dokumentiert die große Einhelligkeit, mit der die Regierungen in Berlin und Washington den Ernstfall planen. In den Kriegen gegen den Irak, gegen Jugoslawien, Afghanistan und Libyen war und ist die Bundesrepublik unentbehrlicher Bestandteil der operativen Logistik und Kommandostrukturen der US-Streitkräfte. Ob die Bundeswehr an diesen Kriegen teilnimmt oder nicht, die Bundesrepublik beteiligt sich in jedem Fall daran, andere Bevölkerungen mit Tod und Zerstörung zu überziehen.

Fußnoten:

[1] http://www.eifelzeitung.de/?artikel=62553

[2] http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/rheinlandpfalz/rheinland/flugzeugabsturz-laufeld./Rheinland-Pfalz-und-Saarland-Kampfjet-Absturz-Kein-Hinweis-auf-Verunreinigung;art158726,2737613

[3] http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/wittlich/aktuell/flugzeugabsturz-laufeld./Heute-in-der-Wittlicher-Zeitung-Immer-wieder-Abstuerze-von-Kampfjets-aus-der-Eifel-Eine-Chronologie;art8137,2735299

[4] http://www.mainpost.de/regional/franken/mosaik;art1727,6080824

6. April 2011