Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KRIEG/1552: Planspiel Angriffskrieg - Schuld hat der Iran (SB)



Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß der von den Vereinigten Staaten, Israel und den Führungsnationen Europas von langer Hand konzipierte Angriffsplan gegen den Iran in das Stadium einer Eskalation eingetreten ist, die umzukehren immer unwahrscheinlicher anmutet. Zu Wochenbeginn hat das Weiße Haus angekündigt, daß US-Präsident Barack Obama die Sanktionen gegen Teheran und seine Zentralbank verstärken wolle. Eigentum und Vermögenswerte der iranischen Regierung und Zentralbank in den USA würden blockiert. Auch die EU hat neue Sanktionen angekündigt. Unterdessen gibt sich die mit den westlichen Mächten kollaborierende Internationale Atomenergiebehörde zunehmend besorgt über die nuklearen Aktivitäten des Irans. Inspektoren der IAEO werden sich am 20. und 21. Februar erneut im Iran aufhalten, um die Ende Januar begonnenen Gespräche "zur Klärung aller offenen substantiellen Fragen" wieder aufzunehmen, in denen es vor allem um mögliche militärische Gesichtspunkte im iranischen Atomprogramm gehen soll. [1]

Die Stufenfolge verschärfter Wirtschaftssanktionen bereitet den Boden für einen Angriffskrieg. Nur aus dem Ende der Kette ergibt sich die Logik der vorangegangenen Eskalation, die den Regimewechsel erzwingen soll. Der Westen fordert nichts weniger als die Kapitulation der iranischen Regierung und schlägt alle Vorschläge, Angebote und Erklärungen Teherans rigoros aus dem Feld, die den Prozeß der Kriegsvorbereitung bremsen oder gar umkehren könnten. Die ökonomischen und militärischen Maßnahmen werden flankiert von einer unablässig angepaßten Propagandakampagne, deren Kernaussage lautet: Die Welt sei in großer Sorge angesichts einer drohenden nuklearen Bewaffnung des Irans und lasse nichts unversucht, Teheran mit friedlichen Mitteln zum Einlenken zu bewegen. Sollten alle wohlmeinenden Appelle an der Uneinsichtigkeit der iranischen Führung scheitern, könne man das Schlimmste nicht mehr ausschließen. Als habe der Angriff auf den Irak unter gefälschten Vorwänden nie stattgefunden, wendet man das ebenso in Afghanistan und später in Libyen angewendete Schema erneut an, während zugleich die syrische Regierung in den Schwitzkasten genommen wird.

Es liegt auf der Hand, daß der Angriff auf den Iran von den Militärstrategen Israels, der USA und der europäischen Kriegstreiber immer wieder im Planspiel simuliert und theoretisch modifiziert wird. Nicht minder selbstverständlich ist die absolute Geheimhaltung dieser Pläne, was im Umkehrschluß nur bedeuten kann, daß eine publizistische Offenlegung derartiger Trockenübungen entweder irrelevant oder ihrerseits Teil der Propagandakampagne sein dürfte. Das gilt auch für ein Kriegsspiel der Washingtoner Denkfabrik "Brookings Institution", von der Karim Sadjadpour, ein Mitarbeiter der Stiftung "Carnegie Endowment for International Peace", bereits Ende letzten Jahres in der Zeitschrift "Foreign Policy" berichtet hat. [2]

Nach Angaben Sadjadpours kamen zwei Dutzend ehemalige Regierungsmitarbeiter und Nahostexperten zu einer eintägigen Simulation zusammen, bei der drei Teams gebildet wurden, die Israel, den Iran und die USA repräsentierten. Sadjapour selbst durfte die Rolle des obersten geistlichen Führers, Ayatollah Khamenei, übernehmen. Man inszenierte einen israelischen Angriff auf die Atomanlagen des Irans, der trotz der Nähe zu Bevölkerungszentren nur wenige zivile Opfer forderte. Dennoch habe Sadjapour als Khamenei sogleich Bilder von Hunderten "unschuldiger Märtyrer" ausstrahlen lassen und die Opposition dazu aufgerufen, den Angriff auf Schärfste zu verurteilen und sich mit dem Regime solidarisch zu erklären.

Wie bereits an dieser Stelle des Planspiels und seiner Aufbereitung zur Veröffentlichung deutlich wird, folgen Simulation und Bewertung so lückenlos dem gängigen Propagandaschema, daß von einem wie auch immer gearteten Erkenntnisgewinn oder gar einer "Enthüllung" keine Rede sein kann: Ein "Präzisionsschlag" der israelischen Luftwaffe unter weitgehender Vermeidung ziviler Opfer, an denen ohnehin die iranische Führung die Schuld trägt, weil sie perfiderweise "menschliche Schutzschilde" mißbraucht. Daß sich die bedrohten Iraner zusammenschließen und gegen den Aggressor wenden, führt man auf ein Täuschungsmanöver der Regierung zurück.

Der Rest des Kriegsspiels ist rasch erzählt und entbehrt zunächst jeder Überraschung. Iranische Raketen werden auf saudiarabische Ölförderstätten abgefeuert, auch Israel wird beschossen, Hamas und Hisbollah beteiligen sich daran, westliche Einrichtungen im Nahen Osten und in Afghanistan geraten unter Druck und in Europa explodieren Bomben. Doch wie verhalten sich die USA? Washington schickt eine geheime Botschaft nach Teheran, wonach man das israelische Vorgehen nicht gutheiße und mäßigend auf Tel Aviv einwirken werde. Daraus schließt die iranische Führung, daß man Israel mit Vergeltungsschlägen treffen könne, ohne mit ernsthaften US-amerikanischen Reaktionen rechnen zu müssen.

Mit diesem vorgeblich offenen Ende wurde das Kriegsspiel nach 24 Stunden gestoppt, worauf die Teilnehmer je nach vorgefaßter Meinung die unterschiedlichsten Schlüsse für und gegen einen Angriff auf die iranischen Atomanlagen zogen. Sadjadpour selbst schließt mit dem Fazit, daß realistischerweise niemand vorhersagen könne, was im Ernstfall geschehen wird. Schon gar nicht aber ließen sich zuverlässige Aussagen über die langfristigen Folgen machen außer der einen: "Es wird hässlich". So mündet die vorgebliche Objektivität des Kriegsspiels in das distanzierte Kalkül des Beobachters, der mangels präziser Rechengrundlagen achselzuckend nicht entscheiden mag, ob sich der Angriff auf den Iran samt dem dadurch ausgelösten Blutbad unter dem Strich auszahlt oder nicht.

Der Propaganda ist allemal gedient, wenn wie in der Simulation der Eindruck erweckt wird, Israel handle auf eigene Faust, was die Vereinigten Staaten mißbilligten. Die ewige Debatte, wer in dieser Beziehung wen am Nasenring führe, verschleiert das hegemoniale Fundament dieser Partnerschaft wie auch die gemeinsamen Angriffspläne. Der Krieg muß kommen, und da ihn angeblich niemand will, spielt man einander die Bälle mit verteilten Rollen zu. Israel fühle sich bedroht, und so mehrten sich dort die Anzeichen, daß ein Militärschlag gegen den Iran immer ernsthafter erwogen wird, heißt es. Die USA nähmen diese Anzeichen natürlich sehr ernst: Verteidigungsminister Panetta hatte Ende letzter Woche explizit erklärt, daß er die Wahrscheinlichkeit eines israelischen Präventivschlags im kommenden Frühling sehr hoch einschätze. Niemand hat schuld - außer natürlich der Iran.

Fußnoten:

[1] http://derstandard.at/1328507099624/Teheran-Neue-US-Sanktionen-reine-Propaganda

[2] http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/experten_simulieren_mit_einem_kriegsspiel_einen_israelischen_angriff_auf_iran_1.14835721.html

7. Februar 2012