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KRIEG/1635: Kampfdrohnen zur Aufstandsbekämpfung nicht nur in Kolonialkriegen (SB)




"Gerade in asymmetrischen Konflikten ist technologische Überlegenheit entscheidend", so das Plädoyer des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Harald Kujat, für die Anschaffung von Kampfdrohnen gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung. Das beschwichtigende Argument der Befürworter, letztlich ändere sich nichts, wenn ein Flugzeug seine Raketen ohne Piloten an Bord ins Ziel trägt, unterstellt hingegen, daß kein militärischer Innovationssprung stattfände, wenn sich diese Waffe künftig auch in den Händen deutscher Soldaten befindet. Die Unterstellung, bei der Entscheidung spielten lediglich Kosten-Nutzen-Argumente eine Rolle, ignoriert zudem den Einsatz von Kampfdrohnen als Mittel zur "extralegalen Tötung", sprich Ermordung von Menschen durch die Regierungen der USA und Israels.

Kampfdrohnen sind ein weiterer Schritt in Richtung automatisierter Kriegführung, die an ihrem operativen Beginn, der Aufklärung potentieller Ziele, längst begonnen hat. Nicht Menschen filtern sogenannte Terrorverdächtige aus den Datenspuren des Internets heraus, sondern automatisierte Suchprogramme, die Auffälligkeiten ermitteln, die ins Bild angeblicher Sicherheitsrisiken passen. Die Evaluationsmechanismen des Terrorkriegs agieren in hohem Ausmaß autonom und werden erst am Ende, wenn Zielpersonen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit terroristische Absichten hegen sollen, zum Abschuß freigegeben werden, von Geheimdienstlern oder Militärs überprüft. Da deren Relevanzkriterien wiederum auf kriminologischen Profilen basieren, in denen der Mensch als individuelles Subjekt nicht vorkommt, sondern ein Konglomerat aus Abweichungen von der Norm angeblichen Wohlverhaltens Auskunft über seine angeblich sinistren Absichten erteilt, kann letztlich jeder ins Visier antiterroristischer Maßnahmen geraten.

Die Aufrüstung zur erfolgreichen Beherrschung "asymmetrischer Kriege" ist eine Maßnahme für den Bürgerkrieg, der längst nicht nur in den Wüsten und Bergen Afghanistans geführt wird, wo Warlords ihren Vorteil suchten, indem sie sich bei der Bekämpfung der Taliban auf die Seite der NATO-Staaten schlugen. Gemeint ist eine Aufstandsbekämpfung auch für westliche Metropolengesellschaften, die keineswegs davor gefeit sind, etwa im Fall eines plötzlichen Bankencrashs mit Unruhen bis hin zu offener Gewalt konfrontiert zu sein. Auch aus diesem Grund haben die EU-Außenminister vor einer Woche die bereits im Vertrag von Lissabon verankerte, in ihrer konkreten Ausformulierung aufgrund davon ausgehender Eingriffe in die nationale Souveränität allerdings bislang aufgeschobene Umsetzung des Artikels 222 verabschiedet.

Mit dem nun geschaffenen rechtlichen Rahmen für den grenzüberschreitenden Einsatz von Polizei und Militär in der ganzen EU und der dabei erfolgenden Vermischung außen- und innenpolitischer Interventionsszenarios rückt auch der Einsatz von Kampfdrohnen innerhalb der EU näher. Die US-Regierung hat bereits Drohnenangriffe auf US-Bürger im Ausland vorgenommen und verfügt über die Rechtsgrundlage, dies unter bestimmten Umständen auch im eigenen Land zu tun. Der Schritt von der bloßen, in der EU längst üblichen Observation von Demonstrationen durch Drohnen hin zu deren operativem bewaffneten Einsatz ist nicht so weit, wie es durch die exekutive Ermächtigung im Katastrophenfall längst unter Vorbehalt ihrer Aufhebung gestellte Grund- und Bürgerrechte vermuten lassen.

All dies wird in der Debatte um die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr nicht diskutiert. Statt dessen wird auf die strikte Befolgung der Einsatzregeln verwiesen. Die für den Krieg in unübersichtlichem urbanen Terrain ausgelegten Konzepte der Aufstandsbekämpfung brauchen nicht erst entworfen zu werden, wenn der Ausnahmezustand deklariert und das vermeintlich für neue Kolonialkriege vorgesehene Gerät am eigenen Himmel auftaucht.

2. Juli 2014