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KRIEG/1732: Waffenverkäufe - kehrt marsch ... (SB)



Wenn wir in Europa keine gemeinsame Kultur der Rüstungsexporte haben, dann ist die Entwicklung von gemeinsamen Waffensystemen natürlich auch gefährdet.
Angela Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz [1]

Die Bundeskanzlerin unterstrich in ihrer mit stehenden Ovationen gefeierten Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz die deutschen Ambitionen, auch in militärischer Hinsicht die erste Geige zu spielen. Dazu gehört eine engere Zusammenarbeit mit europäischen Partnern wie insbesondere Frankreich bei der Entwicklung von Waffensystemen, die nicht länger durch die restriktiveren deutschen Exportbeschränkungen wie im Falle Saudi-Arabiens behindert werden dürfe. Ins gleiche Horn stieß Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die erklärte, Berlin setze sich für das Mehrheitsprinzip in der europäischen Außenpolitik ein. Man müsse aber auch anerkennen, daß "deutsche Maximalpositionen nicht mehrheitsfähig" seien. Bei Rüstungsexporten sollten "wir Deutschen nicht so tun, als seien wir moralischer als Frankreich, oder menschenrechtspolitisch weitsichtiger als Großbritannien". Diese Steilvorlage nahm Johann Wadephul, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk auf: "Wieso maßen wir uns an, an dieser Stelle die moralischsten und ethisch saubersten Menschen zu sein, wir finden schlicht gar keinen Partner mehr, mit uns gemeinsam Waffensysteme zu entwickeln, wenn am Ende des Tages der Export derart restriktiv beschränkt ist, wie Deutsche das bisher gehandhabt haben." [2]

Wenn alle anderen Industriestaaten Waffen exportieren, was das Zeug hält, wir Deutschen aber in diesem einzigen Ausnahmefall und auch nur befristet die Handbremse anziehen, leisten wir uns auf unvertretbare Weise einen Rest an Moral, so die Bezichtigung. Damit nicht genug, werden moralische Bedenken und ethische Einwände gegen den hemmungslosen Verkauf von Kriegswerkzeug in alle Welt als schiere Anmaßung diskreditiert, was man durchaus als neue Stufe ideologischer Aufrüstung in der Konkurrenz um größtmögliche Skrupellosigkeit charakterisieren kann. So richtete sich der umjubelte Befreiungsschlag im Bayerischen Hof nicht zuletzt gegen Kritik an Rüstungsschmieden und Waffengebrauch im Dienste deutschen Vormachtstrebens, der jede Berechtigung abgesprochen wird.

Daß es aus Sicht der Bundesregierung ohnehin nicht um Moral geht, belegt eine von Medien als "geheimer Zusatzpakt" zum Aachener Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit kolportierte Übereinkunft. Demnach sollen die beiden Regierungen bei Gemeinschaftsprojekten grundsätzlich keine Einwände gegen ihre jeweiligen Exporte erheben, außer "in Ausnahmefällen, wenn ihre direkten Interessen oder nationale Sicherheit gefährdet sind". Nachdem dies publik wurde, wiegelte Regierungssprecher Steffen Seibert eilfertig mit der fadenscheinigen Erklärung ab, die beiden Länder hätten im Januar "eine erste politische Abstimmung der Verfahrensweisen bei Rüstungsexporten in Bezug auf Gemeinschaftsprojekte und Zulieferungen vorgenommen". Ein Regierungsabkommen zwischen Paris und Berlin zu Fragen des Rüstungsexports sei vor der Unterzeichnung des Aachener Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit aber nicht geschlossen worden. Das dabei erarbeitete Papier solle nun in eine "förmliche Vereinbarung" überführt werden. Wann diese unterschriftsreif sein werde, könne er leider nicht sagen.

Deutschland und Frankreich haben 2017 die Entwicklung gemeinsamer Kampfjets, Panzer und Artillerie beschlossen. Dafür sei es notwendig, daß man auch eine gemeinsame Haltung über Exportfragen habe, sagte Seibert. Daß dies nun brachial vorangetrieben wird, hängt unmittelbar mit der engen Verschränkung von Regierungspolitik und Konzerninteressen zusammen, da die Rüstungsschmieden eine zentrale Rolle in der Militarisierung deutscher Geltungsmacht spielen. Unternehmen wie Airbus und Rheinmetall hatten gefordert, daß Deutschland seine restriktivere nationale Politik an die der EU-Partner wie Frankreich oder Großbritannien anpassen müsse. So deutete Airbus-Chef Tom Enders an, daß die geplante Entwicklung eines deutsch-französischen Kampfjets nicht vorstellbar sei, sollte Deutschland seinen Sonderweg fortsetzen. Deutschland und Frankreich wollen zusammen das Future Air Combat System (FCAS) entwickeln, das ein Kampfflugzeug der sechsten Generation und auch Drohnen umfassen soll. Spanien hat sich erst kürzlich dem Projekt angeschlossen, das für weiter Partner offen ist. Das FCAS soll im Jahr 2040 die Eurofighter der Bundeswehr und die Rafale der französischen Luftwaffe ablösen.

Berichte im Januar, wonach Rheinmetall in einem Brief an das Wirtschaftsministerium mit rechtlichen Schritten gedroht habe, wies das Unternehmen zurück. Man wolle im Gegenteil alles dafür tun, um gemeinsam mit den zuständigen Behörden eine gute und einvernehmliche Lösung zu finden. Daß man beim Düsseldorfer Konzern Kreide gefressen hat, dürfte damit zusammenhängen, daß Rheinmetall offenbar über Tochterfirmen in Italien und Südafrika das Regime in Riad weiter mit Munition beliefert, was inzwischen weithin publik geworden ist. Die Bundesregierung sieht indessen keinen Handlungsbedarf und will umstrittene Exporte von ausländischen Tochterfirmen deutscher Rüstungsunternehmen nicht weiter beschränken. Nach erneuter Prüfung bestehe kein Novellierungsbedarf, teilte das Bundeswirtschaftsministerium auf eine Anfrage der Linken mit. Das Entsenden deutscher Rüstungsfachleute ins Ausland zur Entwicklung von Kriegswaffen bedarf im Gegensatz zu den USA oder Frankreich bislang keiner Genehmigung, was die Auslagerung von Rüstungsproduktion ins Ausland erleichtert. Um dies zu unterbinden, müßte Paragraph 49 der Außenwirtschaftsverordnung entsprechend ergänzt werden. [3]

Der baden-württembergische Würth-Konzern hat beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Widerspruch gegen die Aussetzung einer Ausfuhrgenehmigung eingelegt, bei der es um die Lieferung von Schaltern für gepanzerte Polizeifahrzeuge aus französischer Produktion geht. Das Unternehmen behält sich rechtliche Schritte vor. [4]

Streitpunkt mit den Konzernen ist vor allem der deutsche Exportstopp für Saudi-Arabien, der nicht nur deutsche Waffenlieferungen, sondern auch die Auslieferung von Gemeinschaftsentwicklungen mit Großbritannien wie den Eurofighter blockiert. Die Bundesregierung hatte im November nach der Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul alle Rüstungsexporte in das Königreich abgebrochen, auch die bereits genehmigten. Dabei soll es um Geschäfte im Wert von etwa 1,5 Milliarden Euro gehen. Die Unterbrechung wurde zunächst auf zwei Monate befristet, Ende Dezember aber bis zum 9. März verlängert. Trotz der Lieferunterbrechung zählte Saudi-Arabien 2018 immer noch zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie mit Ausfuhrgenehmigungen im Wert von 416 Millionen Euro.

Von der Unterbrechung betroffen sind auch vier Radarsysteme vom Typ "Cobra", die von einem Konsortium aus dem französischen Konzern Thales, Hensoldt und dem US-Unternehmen Lockheed hergestellt werden. Angesichts dieser internationalen Verflechtungen könnte die Bundesregierung theoretisch enormen Einfluß auf die Lieferung von Kriegswaffen nehmen und diese in gewissem Umfang ausbremsen. Doch das Gegenteil ist der Fall, da unter Verweis auf die transnationalen Verpflichtungen die lästigen Hemmnisse abgebaut werden sollen.

Unterdessen läßt Saudi-Arabien nichts unversucht, um durch Verträge mit anderen EU-Staaten die blockierten deutschen Schiffslieferungen zu umgehen. Das staatliche saudische Unternehmen Sami schloß mit der staatlichen spanischen Werft Navantia ein Joint Venture, um gemeinsam Korvetten für die saudische Marine zu bauen. Zudem wurde mit der französischen Naval Group eine Absichtserklärung für den gemeinsamen Bau von Fregatten und U-Booten unterzeichnet. Der Konzern Sami will sich durch massiven Ausbau bis 2030 unter die zehn größten Rüstungsexportunternehmen der Welt katapultieren. Wie der deutsche Sami-Chef Andreas Schwer mitteilte, habe Sami bereits 19 Gemeinschaftsproduktionen mit Firmen aus Westeuropa, den USA, Asien und Südafrika vereinbart und wolle in den kommenden fünf Jahren weitere 25 bis 30 Joint Ventures eingehen. [5]

Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, die deutschen Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 zu "schärfen". Dies sollte eigentlich bereits 2018 geschehen. Kanzlerin Angela Merkel hatte es jedoch offenbar überhaupt nicht eilig und kündigte im Dezember an, die neuen Rüstungsexportrichtlinien würden erst im ersten Halbjahr 2019 fertig sein. Von einem konkreten Termin scheint nach wie vor keine Rede zu sein, wobei spätestens seit der Münchner Sicherheitskonferenz klar sein dürfte, daß die angekündigte Schärfung der Richtlinien darauf hinauslaufen soll, dem Export deutscher Kriegswaffen und gemeinsamen Rüstungsprojektionen mit europäischen Partner die Sporen zu geben.


Fußnoten:

[1] www.sueddeutsche.de/politik/sicherheitskonferenz-merkel-waffen-ruestungsexporte-1.4333412

[2] www.deutschlandfunk.de/streit-um-ruestungsexporte-deutschland-und-frankreich.1783.de.html

[3] www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_85076742/-streit-um-ruestungsexporte-ueber-auslaendische-tochterfirmen.html

[4] www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_85270080/ruestungsexporte-nach-saudi-arabien-gestoppt-unternehmen-wehren-sich.html

[5] www.tagesschau.de/inland/ruestung-exportrichtlinien-101.html

20. Februar 2019


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