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INTERVENTION/017: Zentralafrikanische Republik - AU bereitet Truppeneinsatz vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2013

Zentralafrikanische Republik: AU bereitet Truppeneinsatz vor

Von Jacey Fortin


Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Marcus Bleasdale/VII für 'Human Rights Watch'

Schutz suchende Bewohner der Stadt Bossangoa, in der Zentralafrikanischen Republik, während die zentralafrikanische Friedenstruppe FOMAC versucht, die Bevölkerung vor den Angriffen der Anti-Balaka am 5. Dezember 2013 zu schützen
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Marcus Bleasdale/VII für 'Human Rights Watch'

Addis Abeba, 11. Dezember (IPS) - Die Afrikanische Union (AU) bereitet derzeit die Entsendung tausender Soldaten in die Zentralafrikanische Republik (CAR) vor, wo ein bewaffneter Konflikt immer weiter außer Kontrolle geraten zu droht.

Am 9. Dezember traf sich der AU-Vizepräsident Erastus Mwencha mit Diplomaten am AU-Sitz in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, um die Details für den AU-Militäreinsatz zu besprechen. Nach dem Treffen erklärte er gegenüber IPS, dass Burundi bislang als einziges afrikanisches Land Truppen zugesagt habe. Ruanda und die Republik Kongo zögen die Bereitstellung eines Kontingents in Erwägung.

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Marcus Bleasdale/VII für 'Human Rights Watch'

Lokale Seleka-Einheiten verlassen das Gelände der zentralafrikanischen Friedensmission FOMAC, nachdem sich ihr Kommandant Saleh mit dem FOMAC-Hauptmann Wilson während einer Feuerpause zwischen Anti-Balaka- und Seleka-Kräften am 7. Dezember 2013 getroffen hatte
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Marcus Bleasdale/VII für 'Human Rights Watch'

Frankreich hat bereits mit der Stationierung eigener Militärs in der CAR-Hauptstadt Bangui begonnen, die im März von dem Rebellenbündnis 'Seleka' eingenommen worden war. Die Kämpfer verbreiten seit ihrem Vorstoß im Dezember 2012 in den ländlichen Gebieten Angst und Schrecken. Sie haben eine weitere Destabilisierung der Regionen verursacht, die ohnehin schon unter Armut und Ernährungsunsicherheit leiden.


Lage landesweit ernst

In Bangui ist die Lage vor allem seit dem 5. Dezember 2013 kritisch, wie Amy Martin, Leiterin der Bangui-Sektion des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Hilfe (OCHA) berichtet. Es kämen schwere und leichte Waffen zum Einsatz, und die Lage sei sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hauptstadt ernst. "Im Landesinnern haben Seleka-Einheiten die Kontrolle übernommen. Diese Leute pressen der Bevölkerung illegale Steuern ab. Eine Vielzahl von Warlords und kriminelle Banden treiben dort ihr Unwesen."

Eine in der ersten Dezemberwoche verabschiedete UN-Resolution stimmte dem Einsatz von 1.200 französischen und 3.500 afrikanischen Soldaten zum Schutz der 4,6 Millionen Einwohner der Zentralafrikanischen Republik zu. Doch nach dem jüngsten Gewaltausbruch, der dem Roten Kreuz zufolge seit 5. Dezember mindestens 400 Hauptstädter das Leben kostete, sind afrikanische und europäische Führer auf einem kürzlichen Gipfeltreffen in Paris übereingekommen, die Zahl der französischen Soldaten auf 1.600 und der afrikanischen Truppen auf 6.000 aufzustocken.

Wie Mwencha erklärte, "sind wir dankbar, dass die USA und die Europäische Union angedeutet haben, dass sie diese Militäroperationen unterstützten werden. Wir machen uns deshalb bereits Gedanken darüber, wie sich ihre Hilfe zur Unterstützung der Mission am besten kanalisieren lässt."

Die Internationale Unterstützungsmission für die Zentralafrikanische Republik (MISCA) soll möglichst bald zum Einsatz kommen. Sie wird die afrikanischen Soldaten unterstützen, die bereits als Teil der Mission zur Konsolidierung des Friedens in der Zentralafrikanischen Republik (MICOPAX) stationiert sind. MICOPAX war eine Initiative der Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten.

"Die MISCA wird eine afrikanische Mission sein. Das bedeutet, dass alle Truppen nach einer Übergangszeit unter afrikanischem Kommando stehen werden", erläuterte Mwencha. "Da haben wir die MICOPAX und die Franzosen, die aber beide in die afrikanische Truppe integriert werden, sobald wir vor Ort sind."

Doch die Krise in der CAR hat Zweifel an den Fähigkeiten der afrikanischen Einheiten geweckt, die Gewalt auf dem Kontinent zu beenden, wie Thierry Vircoulon, der Projektbeauftragte der Friedensforschungsorganisation 'International Crisis Group' (ICG) erklärte. "Leider sind die Franzosen bisher die einzigen, die willens und in der Lage sind, zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Job zu erledigen. Die afrikanischen Friedenstruppen haben sich bisher als ineffektiv erwiesen, für Sicherheit in Bangui zu sorgen."

Vircoulon erinnerte daran, dass der Einsatz der französischen Truppen von der CAR und den Nachbarländern auf dem UN-Gipfel begrüßt worden war. Auf der Konferenz in Paris diskutierten die Staats- und Regierungschefs auch die Möglichkeiten für eine ständige afrikanische Streitmacht, die in Krisenzeiten jederzeit und unabhängig intervenieren könnte. "Die afrikanischen Länder müssen ad hoc für die Bereitstellung der 6.000 MISCA-Soldaten sorgen. Da stellt sich die Frage, wie sie dies auf die Schnelle bewerkstelligen wollen", sagte Vircoulon. Die Krise in der CAR habe Zweifel an der Effektivität der derzeitigen kontinentalen Friedens- und Sicherheitsarchitektur geweckt.


Ein Zehntel der Bevölkerung auf der Flucht

Während sich afrikanische Soldaten auf ihren Einsatz vorbereiten, verschlechtert sich die humanitäre Situation in der CAR zusehends. Hunderttausende Menschen - etwa zehn Prozent der Bevölkerung - wurden bereits vertrieben, und 25 Prozent sind nach Angaben der UN auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die Seleka-Rebellen werden beschuldigt, schwere Menschenrechtsverletzungen an Frauen, Männern und Kindern begangen zu haben.

Seleka war zunächst aus politischen Gründen entstanden. Ziel der Rebellen war der Sturz des ehemaligen Staatspräsidenten François Bozizé. Der ehemalige Seleka-Kommandant Michel Djotodia wurde inzwischen als neuer Staatschef installiert. Er hat Wahlen innerhalb von 18 Monaten angekündigt. Sein Beschluss im September, die bereits auseinandergefallene Rebellenkoalition offiziell aufzulösen, hat nicht zur Rückkehr von Recht und Ordnung geführt.

Viele der ehemaligen Seleka-Kämpfer ziehen plündernd durchs Land, was wiederum die Bildung sogenannter Anti-Balaka-Selbstschutzeinheiten nach sich zog. Die zunehmenden Spannungen zwischen den mehrheitlich muslimischen Rebellen und der überwiegend christlichen Zivilbevölkerung drohen jetzt zu einem religiösen Konflikt auszuarten.


"Wir erleben Anarchie"

"Die Bevölkerung ist müde. Die Familien haben nicht mehr genug Nahrungsmittel und haben unzählige Plünderungen erlebt", berichtet Martin. "Und aus dieser fatalen Situation heraus sind weitere organisierte und bewaffnete Gruppen entstanden. Seit August beobachten wir, wie Anti-Balaka-Gruppen an Stärke gewinnen und sich immer besser organisieren. Doch gibt es keine Regierung und keine visionäre Führung, die dieses Land wieder auf Spur bringen könnte. Wir erleben Anarchie."

Die Aussicht auf eine Intervention der MISCA lässt die Menschen in der CAR auf eine Deeskalation des Konfliktes hoffen. Der AU-Vizepräsident Mwencha legte sich zwar nicht auf einen spezifischen Zeitrahmen für den MISCA-Einsatz fest, erklärte aber, dass die Mission solange im Einsatz bleibe, bis es in der CAR eine stabile Regierung geben werde.

"Zunächst einmal muss es Frieden und Sicherheit geben. Die Institutionen müssen wieder funktionieren und die Voraussetzungen für die möglichst zeitnahe Durchführung von Wahlen gegeben sein, die dem Land eine legitime Regierung verschafft", erklärte er. "Wenn die Menschen der Zentralafrikanischen Republik wieder Herr der Lage sind, gibt es für uns keinen Grund mehr, zu bleiben." (Ende/IPS/kb/2013)

Links:
http://www.unocha.org/
http://www.ipsnews.net/2013/12/africa-prepares-central-african-republic-deployment/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2013