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INTERVENTION/022: Zentralafrikanische Republik - Politisches Hickhack um Friedensmission (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. März 2014

Zentralafrikanische Republik: Politisches Hickhack um Friedensmission - Warnung vor ethnischen Säuberungen

von Samuel Oakford


Bild: © Europäische Kommission/cc by 2.0

Flucht oder Tod: Flüchtlinge aus der CAR in Kamerun
Bild: © Europäische Kommission/cc by 2.0

New York, 4. März (IPS) - Haushaltszwänge in Washington und die Hartnäckigkeit der Afrikanischen Union (AU) haben dafür gesorgt, dass sich der Einsatz einer UN-Friedensmission in der Zentralafrikanischen Republik (CAR) gefährlich lange verzögert. Dies ist aus dem Umfeld der Verhandlungen zu hören, die derzeit in New York geführt werden.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sollte seinen Bericht für den Sicherheitsrat über die Lage in der CAR ursprünglich am 28. Februar einreichen. Doch die Veröffentlichung des Reports, der sich kritisch mit den ethnischen Säuberungen und Gräueln auseinandersetzt und die Entsendung einer Friedensmission vorschlagen dürfte, wurde in letzter Minute um eine Woche verschoben, was zu der Befürchtung Anlass gab, dass seine Aussagen abgemildert werden könnten, um Vorbehalten der USA, der AU und weiteren Akteuren entgegenzukommen.

Was auch immer in dem Bericht stehen mag, so zeigt das Gerangel die immer wiederkehrenden und manchmal starken Spannungen zwischen dem UN-Sicherheitsrat, einer immer entschiedener auftretenden AU und den UN in der Frage von UN-Interventionen in Afrika.

"Die Entsendung einer UN-Mission ist für die Stabilisierung der CAR unerlässlich", meinte ein hochrangiger Menschenrechtsbeauftragter in Bangui, der seinen Namen nicht nennen wollte. Diesmal stehen die Chancen gut, dass sich UN-Chef Ban keinem Druck beugen wird.

Im Dezember, als sich die Gewalt in der CAR immer weiter zuspitzte, entschloss sich der Sicherheitsrat, nachdem er zunächst die Forderung Frankreichs nach einer voll ausgestatteten Mission in Erwägung zog, die existierende und als MISCA bekannte AU-Mission mit dem entsprechenden Mandat auszustatten und zu vergrößern. Gleichzeitig wurde der Einsatz der französischen Truppen gebilligt, die derzeit aus 2.000 Mann bestehen.

Kurzfristig hat die Entscheidung zwar hunderte Millionen Dollar gespart, erwies sich letztlich jedoch als reine Überbrückungsmaßnahme.


Schutz von Menschenleben sollte Priorität haben

Befeuert wurden die Spannungen zwischen AU und UN durch den Vorstoß afrikanischer und internationaler Partner, die "afrikanischen Lösungen für afrikanische Probleme" das Wort reden, was in diesem Fall so viel bedeutet, wie der MISCA das Mandat zu überlassen. "Generell stimmen wir mit dem Grundsatz überein, doch sollte er nicht auf Kosten menschlichen Lebens gehen", meinte dazu Philippe Bolopion, der UN-Direktor bei 'Human Rights Watch' (HRW).

Im Fall der CAR sei eine solche Grundsatzdebatte fehl am Platz, meinte er gegenüber IPS. "Es ist ziemlich klar, dass die Kombination aus AU- und französischen Soldaten kaum ausreichen wird, um die Zivilbevölkerung zu schützen." Unter deren Augen hätten unzählige Muslime fliehen müssen.

Im April sollen 700 EU-Soldaten die am Flughafen von Bangui stationierten französischen Kräfte ablösen, damit diese die in den ländlichen Regionen stationierten Blauhelme unterstützen. Die dort agierenden, leicht bewaffneten christlichen Anti-Balaka-Milizen sind durchaus in der Lage, ganze Dörfer auszuradieren.

Im Interview mit 'African Arguments' erklärte Donatella Rovera von 'Amnesty International', dass sich weder die französischen noch die derzeit 6.000 AU-Soldaten als wirksam herausgestellt hätten. "Nie waren sie dort, wo sie gebraucht worden wären, wo sie etwas hätten bewirken können, wo sie Massaker hätten verhindern können", beklagte sie.

Die kleine politische UN-Mission, die BINUCA, befindet sich bereits im Einsatz. Sie ist jedoch deutlich unterfinanziert und nicht in der Lage, ihr grundlegendes Mandat zu erfüllen.

Im Dezember war es zu Bedenken hinsichtlich der Logistik für eine vollständige UN-Mission gekommen. Wo sollte eine ohnehin schon überforderte Abteilung für Friedensoperationen (DPKO) die Truppen hernehmen?, lautete eine Frage. Auch die Finanzierung war ein Thema.

In den USA, die für mehr als ein Viertel aller Friedensoperationen aufkommen, wird der Kongress in Kürze den Haushalt für das Jahr 2014 beschließen, der eine zwölfprozentige Finanzierungslücke aufweist und praktisch nichts für die angekündigte Mali-Mission vorsieht. Woher sollen also die Gelder für den Einsatz in der CAR kommen? Hinzu kommt, dass der UN-Sicherheitsrat dafür ist, die Zahl der Blauhelme im Südsudan aufzustocken.

Da stellt sich bei vielen Beobachtern der Verdacht ein, dass die CAR das Nachsehen haben wird. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, die den Fall der CAR vor dem Sicherheitsrat vertreten hatte, sah sich aus Budgetgründen in eine ungemütliche Lage gebracht. Als Notlösung stellten die USA dann 100 Millionen US-Dollar an Direkthilfe für einen Treuhandfonds zugunsten der MISCA bereit.


AU zunehmend unnachgiebig

Gleichzeitig erweist sich die MISCA in vielerlei Hinsicht als ein Paradebeispiel für die zunehmende Unnachgiebigkeit der AU. "Die AU ist gegen eine UN-Mission, weil sie einen Erfolg in der CAR für sich verbuchen und die MISCA-Mission behalten will, was den USA ebenfalls gelegen sein dürfte", meinte der Menschenrechtsbeauftragte aus Bangui und fügte hinzu, dass die AU die Lage vor Ort lange falsch dargestellt habe.

Im Dezember hatte der AU-Gesandte Smail Chergui Anschuldigungen zurückgewiesen, wonach tschadische MISCA-Soldaten wiederholt Zivilisten in der CAR angegriffen hätten. Auf einem Treffen des AU- Verteidigungsausschusses am 14. Januar erklärte er den versammelten Ministern in Addis Abeba, "dass wir guter Dinge sind, dass wir in Kürze die Sicherheitslage verbessern werden und die Untergangsprophezeiungen als falsch widerlegen können".

Bild: © Paulo Filgueiras/UN

Smail Chergui, AU-Kommissar für Frieden und Sicherheit, vor Journalisten nach einem Treffen des UN-Sicherheitsrates in der CAR am 20. Februar 2014
Bild: © Paulo Filgueiras/UN

Doch im Februar berichteten das UN-Flüchtlingshochkommissariat und Amnesty über ethnische Säuberungen, die sich gegen die muslimische Minderheit im Lande richten. Ende des letzten Monats war dann zu hören, dass die tschadischen Truppen drei Zivilisten in einem christlichen Stadtteil von Bangui getötet haben sollen.

Nach einem anfänglichen Gewaltausbruch von Seiten der vorwiegend muslimischen Séléka-Rebellen, der im Dezember etwa 1.000 Menschen den Tod brachte, begannen die Soldaten der französischen Operation 'Sangaris' mit der Entwaffnung und Festnahme der Gruppe, die Bangui seit der Einnahme der Stadt in ihrer Gewalt gehalten hatte.

Damals warnten Beobachter einschließlich der UN-Menschenrechtshochkommissarin Navi Pillay vor der Gefahr von Racheakten gegen Muslime in den von der Séléka aufgegebenen Gebieten. Diese Sorge hat sich auf fatale Weise bestätigt und die Friedenssoldaten stellten sich als unfähig heraus, die kleinen aber wirksamen Angriffe christlicher Anti-Balaka-Milizen einzudämmen.


Massenflucht von Muslimen

In Bangui, wo vor dem Konflikt mehr als 150.000 Muslime lebten, soll es inzwischen nur noch 10.000 geben. Aus Häusern heraushängende Palmenwedel zeigen an, wo christliche Familien die Häuser ihrer ehemaligen Nachbarn okkupiert haben, nachdem diese entweder ermordet wurden oder geflohen sind. Mindestens 100.000 Muslime haben das Land inzwischen verlassen und unzählige andere verstecken sich im Busch.

Am 5. Dezember hatten Mitglieder des UN-Sicherheitsrats ihre schrittweise Lösung für die Gewalt in der CAR vorgestellt: Sie erteilten der MISCA-Mission unter afrikanischer Führung das Mandat, in den Konflikt einzugreifen, und kündigten eine vollständige UN-Mission in spätestens sechs Monaten an. Doch drei Monate darauf müssen die gleichen Gründe dafür herhalten, die Hoffnungen auf eine Mission zu dämpfen.

Obwohl Frankreich öffentlich für eine offizielle UN-Mission eintritt, führt es mit dem regionalen Strippenzieher Tschad heikle Gespräche über die existierenden Missionen in Mali und das Recht, die französischen Stützpunkte im Land zu behalten.

Und wie die AU hat die Regierung in Paris gute Gründe dafür, warum sie Wert darauf legt, dass die derzeitige Mission ein Erfolg wird. Präsident François Hollande, der Bangui am 28. Februar besucht hatte, möchte die skeptische Bevölkerung beeindrucken, nachdem er die Interventionen in den ehemaligen Kolonien zu Pfeilern seiner Außenpolitik gemacht hat.

Anfang März wurden außerhalb der Reichweite der Friedenstruppen im Verlauf von zwei Tagen in der südwestlichen Stadt Guen 70 Muslime ermordet. Sie mussten sich auf die Erde legen und wurden einer nach dem anderen erschossen. (Ende/IPS/kb/2014)

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2014