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STANDPUNKT/322: Wie Amerika den Bankrott noch verhindern kann (idw)


Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 11.10.2013

Wie Amerika den Bankrott noch verhindern kann



Die ganze Welt wartet gespannt auf den kommenden Donnerstag: Am 17. Oktober ist der Stichtag, an dem die USA zahlungsunfähig werden könnte. Der amerikanische Kongress könnte den Bankrott durch die Anhebung der Schuldengrenze verhindern. Doch Demokraten und Republikaner sind von einer Einigung weit entfernt. Prof. Dr. Andreas Falke, Lehrstuhl für Auslandswissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), erklärt, warum die Verschuldungsgrenze in den vergangenen Jahren zum politischen Zankapfel geworden ist und welche Auswege es aus der festgefahrenen Situation gibt.

Die US-amerikanische Verschuldungsgrenze ist eine Anomalie des amerikanischen Haushaltsprozesses, die auf die Zeit des 1. Weltkrieges zurückgeht. Heute besagt sie, dass die Nettokreditaufnahme in einem zweiten legislativen Schritt genehmigt werden muss, wenn dadurch die Gesamtverschuldung über einen bestimmten Wert steigt (zurzeit $16,699 Billionen). Diese Anhebung war lange völlig unproblematisch, sie war automatischer Bestandteil der Haushaltsentschließungen des Kongresses. Bis die Republikaner sie als erpresserischen Hebel entdeckten, ihre haushaltspolitischen Vorstellungen durchzusetzen: eine radikale Haushaltskonsolidierung ohne Steuererhöhungen oder Einnahmeerhöhungen. Bereits 2011 setzten die Republikaner ihre Vorstellungen mit dem Budget Control Act durch: Im Gegenzug für die Anhebung der Schuldengrenze beschloss der Kongress drastische Kürzungen bei allen Programmen, außer den Leistungsprogrammen mit Rechtsanspruch.

Seitdem versuchen es die Republikaner immer wieder. Dieses Mal fordern sie für ihre Zustimmung die Anpassung oder Verschiebung der Gesundheitsreform, die vom Kongress gesetzeskonform verabschiedet und vom obersten Verfassungsgericht als verfassungskonform erklärt worden ist. Verweigern sie ihre Zustimmung, erreichen die USA am 17. Oktober den Punkt, an dem die Steuereinnahmen nur noch bis zu einem gewissen Prozentsatz ausreichen, um den monatlichen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Im Prinzip müssten die USA dann ihre Staatsausgaben abrupt um 20 Prozent kürzen. Dies würde einen auch für die Weltwirtschaft sehr schädlichen makro-ökonomischen Schock auslösen.

Verschärft würde das Problem, wenn auch der Schuldendienst betroffen wäre: Die USA könnten ihren Verpflichtungen gegenüber ihren nationalen und internationalen Gläubigern nicht nachkommen. Sie wären zahlungsunfähig, und US-Staatspapiere, einer der sichersten Vermögenstitel überhaupt, würden nicht mehr als Sicherheiten für die kurzfristige Finanzierung auf nationalen und internationalen Finanzmärkten zur Verfügung stehen. Die Konsequenzen für die Finanzmärkte, den Dollarkurs und die Finanzierungskosten wären immens und global spürbar.

Trotz dieser Aussichten bewegen sich Demokraten und Republikaner nur sehr zögerlich. Letztere bestreiten gar, dass eine Zahlungsunfähigkeit eintreten könnte. Sie schlagen vor, dem Schuldendienst - und vielleicht noch Zahlungen an Rentner und Militärpensionsempfänger - den Vorrang zu geben vor allen anderen Zahlungsverpflichtungen, wie Militärlieferanten oder Leistungserbringern im Gesundheitssystem. Dafür gibt es jedoch keine rechtliche Grundlage und die Computersysteme, die die Zahlungen abwickeln, sind weitgehend automatisiert.

Welche Auswege gibt es nun aus der Misere? Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Republikaner könnten erkennen, dass sie mit ihren Erpressungsversuchen isoliert sind und die Öffentlichkeit sie für den desaströsen Kurs am Abgrund verantwortlich macht. John Boehner, der Sprecher im Repräsentantenhaus und de-facto Parteiführer der Republikaner, könnte eine Abstimmung über eine bedingungslose Anhebung der Schuldengrenze zulassen. Eine entsprechende Senatsvorlage existiert bereits. Damit würde er allerdings der Tea Party-Bewegung vor den Kopf stoßen und abgewählt werden.

Ein andere Möglichkeit ist, dass die Demokraten den Republikanern kleine Zugeständnisse machen: eine Kommission zur Überprüfung der Gesundheitsreform, Rücknahme der Steuer auf medizinische Geräte, Modifikationen der automatischen Kürzungen, im Gegenzug für eine Anhebung der Schuldengrenze bis nach den Wahlen 2014.

Theoretisch denkbar ist auch ein großer Kompromiss zur Haushaltskonsolidierung: Steuererhöhungen verbunden mit einer Reform der großen Sozialprogramme - ein Vorhaben, das schon zweimal gescheitert ist.

Obama könnte auch die Schuldengrenze schlicht ignorieren, und sich dabei auf den 14. Verfassungszusatz berufen. Er besagt, dass die Bundesregierung ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen muss, solange der Kongress die Voraussetzungen geschaffen hat. Allerdings handelt es sich hier um eine rechtliche Grauzone, die eine Verfassungskrise heraufbeschwören könnte, die ebenfalls destabilisierend wirken könnte. Die Last der Verantwortung fiele auf Obama.

Wahrscheinlich ist keine der genannten Möglichkeiten. So bleibt die einfachste Lösung: die Verschiebung um etwa sechs Wochen durch eine geringe, kurzfristige Anhebung der Schuldengrenze.

Für die Zukunft wird eine langfristige Lösung nötig sein. Wichtige Wirtschaftsverbände und große Firmen artikulieren Widerstand gegen die Erpressungsversuche der Tea Party. Eine solche Lösung könnte die Abschaffung der Schuldengrenze sein oder eine Ermächtigung für den Präsidenten, die allerdings den schwarzen Peter der Anhebung bei ihm abladen würde.

33 Prozent der Amerikaner sehen gegenwärtig die Dysfunktionalität des politischen Prozesses als das größte Problem Amerikas an. Das sind mehr als diejenigen, die Arbeitslosigkeit oder die schlechte Wirtschaftslage beklagen. Eine wirkliche Lösung des Problems ist zurzeit nicht in Sicht. Das sind unschöne Aussichten. Hoffnung spendet Winston Churchill, der einmal gesagt hat: "Die Amerikaner machen immer das Richtige, nachdem sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben."

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution18

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Katrin Piecha, 11.10.2013
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2013