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STANDPUNKT/621: Schick uns nicht ihn! (Uri Avnery)


Schick uns nicht ihn!

von Uri Avnery. 24.12.2016


DONALD TRUMP hat mir ins Gesicht gespuckt.

Nicht nur mir, sondern mindestens der halben israelischen Bevölkerung.

Er hat einen Fachanwalt für Insolvenzfragen mit Namen David Friedman zum Botschafter der USA in Israel ernannt.

Das klingt wie ein böser Scherz. Aber es ist brutale Realität. Dies schafft einen Präzedenzfall in den Annalen der internationalen Diplomatie.


ZUNÄCHST EINMAL ist es schlechte Praxis, einen Botschafter für ein Land zu ernennen, zu dem dieser eine tiefe persönliche Verbindungen hat. Man schickt auch keinen kuba-amerikanischen Castro-Hasser als US-Botschafter nach Havanna. Man schickt keinen Kuomintang-Chinesen aus Taiwan als US-Botschafter nach Peking.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein amerikanischer Jude zum Botschafter in Israel ernannt worden ist. Es mögen zwei oder drei gewesen sein, die ebenso gut als israelische Botschafter in Washington hätten dienen können. Aber sie waren weniger eigensinnig als das jetzige Exemplar.

Die Aufgabe des Botschafters ist, unter anderen, als Auge und Ohr seines Heimatlandes in einem fremden Staat zu dienen. Zu seinen Jobs gehört, dass er seine Vorgesetzten im ausländischen Amt mit seriöser, unparteiischer Information versorgt, auf die sich dann die Politik gründet. Der ideale Botschafter ist ein kühler Beobachter, ohne starke Gefühle gegenüber dem Land seiner Mission, weder positiv noch negativ.

Diese Beschreibung eines Diplomaten ist genau das Gegenteil dieses besonderen Individuums.

Es wäre viel vernünftiger, David Friedman als israelischen Botschafter in den USA zu ernennen. Leider ist der Posten schon von einem anderen amerikanischen Juden besetzt. Das Gerücht geht um, dass er von Netanjahu auf Ersuchen Sheldon Adelsons ernannt worden ist, eines jüdischen Kasino-Magnaten, der sein Geld in die israelischen Ultra-Rechten steckt.

Aber selbst diese Person ist, verglichen mit David Friedman, ein Linker.

Der Name Friedman ist natürlich selbst ein Witz. Dieser David ist das Gegenteil eines Mannes des Friedens. Übrigens der biblische David war durch und durch ein Mann des Krieges und aus diesem Grund ordnete Gott an, dass nur sein Sohn Salomon den Ersten Tempel bauen sollte.


WER IST also dieser Mann des Friedens? Seit die Nachricht über seine bevorstehende Ernennung bekannt wurde, ist das Internet von Zitaten seiner Aussprüche überflutet. Alle sind unglaublich, einer immer unglaublicher als der andere.

Eine Sache fällt einem sogar schon beim ersten Lesen auf: Wenn dieser zukünftige US-Botschafter "wir" sagt, meint er "wir Israelis", "wir wahren Israelis, "wir israelischen Patrioten". Das Territorium von Groß-Israel - vom Mittelmeer bis (wenigstens) zum Jordan - ist "unser Land".

Friedman identifiziert sich nicht mit allen Israelis. Er scheint zu denken, dass die meisten von uns blind, dumm, Miesmacher oder etwas noch Schlimmeres, nämlich Verräter sind. Dies würde einen Weltrekord bedeuten: die meisten Israelis - so scheint es - sind Verräter.

Mit wem identifiziert sich Friedman wirklich? Ein maßgebliches Beispiel seiner Äußerungen macht dies ganz klar: Er hält sich für jemanden, der zu den etwa 5% der israelischen Bevölkerung gehört: den Siedlern und den extremen Rechten.



HIER SIND einige seiner auffallenden Äußerungen:

- Den arabischen Bürgern Israels, etwa 21 Prozent der Bevölkerung, sollte die Staatsbürgerschaft entzogen werden. Das ist fast so, als ob man allen Afro-Amerikanern die US-Saatsbürgerschaft entzieht.

- Es gibt keine "Zwei-Staatenlösung". Allein solch eine Möglichkeit zu erwähnen, ist beinahe Verrat. (Da ich beschuldigt worden bin, der erste gewesen zu sein, der diese Lösung 1948 vorschlug, ist dies noch mehr Spucke, die ich von meinem Gesicht wischen muss.)

- Kein Siedler darf von seinem "Heim" vertrieben werden, selbst wenn sein "Heim" auf Privatbesitz arabischer Bauern liegt.

- In Groß-Israel, "vom Meer bis zum Fluss", bilden die Juden heute eine Mehrheit von 65%. Das ist eine glatte Lüge: In diesem Land, einschließlich des Gazastreifens, bilden die Araber schon jetzt die Mehrheit.

- Der künftige Präsident Trump sollte ermutigt werden, alles Personal im amerikanischen Außenministerium, das die Zwei-Staaten-Lösung befürwortet, zu entlassen.

- Die Palästinenser sind korrupt.

- Präsident Barak Obama ist ein "ausgesprochener Antisemit".

- Bashar al-Assad und Benjamin Netanjahu sollten Freunde sein, wahrscheinlich einschließlich Vladimir Putin - ein reizendes Trio.

- Wir brauchen einen Weltkrieg gegen den islamischen Antisemitismus.

- Die amerikanischen und israelischen Juden, die das israelische Friedenslager unterstützen, sind schlimmer als die Kapos (Kurzform für Lager-Polizei, Juden die von den Nazis ernannt wurden, um die Ordnung in den Todeslagern aufrecht zu erhalten, bis sie selbst getötet wurden). Dies gilt besonders für die sanfte und harmlose J-Street-Organisation in Amerika.

Dies schließt mich natürlich ein.


WENN SIE die Neigung verspüren, bei einigen dieser Definitionen laut zu lachen - tun Sie es nicht. Dies ist keine lächerliche Angelegenheit.

David Friedman ist eine ernste Person. Er ist ein berühmter Fachanwalt für Insolvenzrecht. Aber er wird nicht hierher gesandt, um sich mit Netanjahus bankrotten Regime zu beschäftigen. Im Gegenteil, er wird gesandt, um die Bildung einer israelischen Regierung zu fördern, in der Netanjahu die extreme Linke verkörpern würde. Und dies ist keine Übertreibung.

Seit 1967 hat das israelische Friedenslager die USA gebeten, Israel vor sich selbst zu retten. Jeder neue Präsident wurde mit viel Hoffnung begrüßt. Hier ist der Mann, der Israels Regierung zwingen wird, die palästinensischen Gebiete zurückzugeben und mit den Palästinensern und der ganzen arabischen Welt Frieden zu schließen. Präsident Obama war nur der letzte in dieser Reihe. Intelligent, gut aussehend, ein mitreißender Redner, voll edler Absichten. Aber die Ergebnisse - soweit sie uns betreffen - waren gleich Null.

Ich war immer skeptisch gegenüber dieser Auffassung. Warum sollte ein US-Präsident Kopf und Kragen riskieren, um Israel vor sich selbst zu retten, wenn die Israelis selbst zu faul oder so feige sind, es selbst zu tun?

(Ich habe schon einmal erwähnt, dass ich bei einer internationalen Konferenz den spanischen und europäischen Staatsmann Miguel Moratinos beschuldigt habe, er tue nichts für den israelisch-palästinensischen Frieden. Er antwortete ärgerlich, dass es nicht seine Pflicht sei, uns zu retten, dass es unsere eigene Pflicht sei, uns zu retten. Ich konnte nicht anders, als ihm in meinem Herzen zuzustimmen.)

Ich habe vor langer Zeit jede Hoffnung aufgegeben, dass die amerikanische Regierung uns beistehen wird, mit dem palästinensischen Volk einen historischen Frieden zu schließen und die besetzten Gebiete gegen Frieden einzutauschen. Wir sollten dies selbst machen. Es gibt keine andere Lösung. Die Alternative, die sog. "Ein-Staat-Lösung", verspricht einen Generationen andauernden Bürgerkrieg.

Jeder, der nicht durch ultra-Nationalismus und/oder messianische Leidenschaft verblendet ist, müsste das eigentlich sehen. Es ist so einfach.


DIE EROBERUNG der restlichen palästinensischen Gebiete 1967 stürzte Israel in ein Delirium, das uns noch heute daran hindert, der Vernunft zuzuhören. Die USA haben aus eigenem Interesse Israel ermutigt, auf diesem Kurs weiter zu gehen.

Der designierte Präsident Trump wird Israel mit aller Macht vorwärts treiben - schlussendlich in eine Katastrophe.

Vor etwa 2000 Jahren hat ein jüdischer Rebell mit Namen Bar-Kokhba (Sohn der Sterne) sich gegen das allmächtige Rom erhoben. Berauscht von einigen anfänglichen Siegen, schrie er zu Gott: "Du brauchst uns nicht zu helfen, aber hilf wenigstens auch nicht unseren Feinden!" Gott hörte nicht auf ihn und die Römer zerschlugen den Aufstand. Die jüdische Bevölkerung Palästinas hat sich nie davon erholt, bis vor Kurzem.

Ich würde Donald Trump zurufen: "Wenn du uns schon nicht hilfst, Frieden zu erlangen, dann schick uns wenigstens nicht auch noch diesen eingeschworenen Friedens-Vernichter!"



Copyright 2016 by Uri Avnery

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
Redigiert von der Schattenblick-Redaktion

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Quelle:
Uri Avnery, 23.12.2016
www.uri-avnery.de
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Dezember 2016

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