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DILJA/1150: Krieg in Sri Lanka - internationale Rückendeckung für Colombo (SB)


Vernichtungskrieg des srilankischen Militärs gegen die Tamilen

Der humanitär bemäntelte westliche Interventionismus macht trotz "Blutbad"-Meldungen Pause


Wenn von zwei Kriegsparteien die eine alle internationalen Beobachter, Menschenrechtsorganisationen und sogar die inländische Presse systematisch und rigoros daran hindert, das Kriegsgebiet auch nur zu betreten, während die andere Seite weder in der Lage noch willens ist, neutrale Beobachter fernzuhalten, welche Seite ist dann wohl glaubwürdiger, wenn beide Kriegsparteien einander ausschließende Angaben über das Kriegsgeschehen machen? Ginge es nach dem sogenannten "gesunden Menschenverstand" würde alles dafür sprechen, denjenigen, der mit den ihm zu Gebote stehenden gewaltsamen und repressiven Mitteln jede von ihm selbst nicht diktierte Berichterstattung zu unterbinden, eine wahrheitswidrige Darstellung zu unterstellen. Das in anderen Zusammenhängen vielbenutzte Argument, wer nichts zu verbergen habe, brauche auch Kontrollen (und staatliche, die persönlichen Freiheitsrechte einschränkenden und verletzenden Überwachungsmaßnahmen) nicht zu fürchten, wird geflissentlich in der Schublade propagandistischer Keulenschläge belassen, wenn es den Anwendern und Nutznießern solcher Mittel nicht zweckdienlich ist.

Folglich sind derzeit auf internationaler Ebene Proteste gegen die im Nordosten des Inselstaates Sri Lanka gegen die dort eingeschlossenen Tamilen kriegführende Regierung im ganzen Land ausgeübte Pressezensur nicht zu vernehmen. Seit Monaten werden Hilfsorganisationen, UN-Repräsentanten und Medienvertreter gleichermaßen daran gehindert, sich dem perfiderweise als "Schutzzone" ausgewiesenen Kriegsgebiet auch nur zu nähern. Jeder Versuch, dennoch innerhalb Sri Lankas über den Krieg zu berichten, kann für inländische Journalisten schwerwiegende, um nicht zu sagen tödliche Folgen haben, während ausländische Medienvertreter, wie unlängst der Asien-Korrespondent des britischen Fernsehsenders Channel 4, Nick Paton Walsh, Verhaftung und Ausweisung riskieren. Wie Walsh der Nachrichtenagentur AP telefonisch mitteilte, wurden er wie auch eine Produzentin und ein Kameramann des Senders in Trincomalee, einer im Osten Sri Lankas gelegenen Stadt, aufgegriffen und verhaftet im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung über die Zustände in den tamilischen Flüchtlingslagern sowie den sexuellen Mißbrauch der Flüchtlinge.

Ihnen wurde zum Vorwurf gemacht, dem "Ansehen" der Regierung geschadet zu haben. Gegen die Vereinten Nationen würde Colombo eine solche Beschuldigung wohl kaum erheben. Nach UN-Angaben wurden in den zurückliegenden Monaten (der verschärften Pressezensur) rund 6.500 Zivilisten in diesem Krieg getötet; doch keineswegs macht die Weltorganisation dafür die Armee Sri Lankas verantwortlich. So hatte der französische UN-Botschafter am 30. April die Regierung in Colombo lediglich aufgefordert, "sich zu benehmen und zu ihren Verpflichtungen" gegenüber den Zivilisten in der Konfliktzone sowie den Flüchtlingen zu stehen. Gegen den Krieg der srilankischen Armee, den diese nach offiziellen Regierungsangaben bis zur völligen Auslöschung ihrer Gegner, der tamilischen "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE), zu führen gedenkt, wird weder von seiten der UN noch der westlichen Staaten Einspruch erhoben.

Die LTTE, die sich zum wiederholten Male zu einem Waffenstillstand und politischen Gesprächen für eine Beilegung des Konflikts bereit erklärt hat, beißt damit auf Granit. Auch ihre Bemühungen, internationale Fürsprecher zumindest für eine Waffenstillstand zu gewinnen, blieben erfolglos. Als Anfang Mai der britische wie auch der französische Außenminister in Colombo auf, wie es hieß, "Friedensmission" waren, wurden sie mit ihrer Forderung nach einem "humanitären Waffenruhe" von Präsident Mahinda Rajapakse mit der Bemerkung, "wir brauchen keine Lektionen von westlichen Repräsentanten", abgewiesen. Dabei haben sich die Vertreter der internationalen Gemeinschaft nicht von ungefähr auf die Ebene der Bitten und vorgetragenen Sorgen und Bedenken verlegt, so als stünden gerade jene Staaten, die den Kampf um die Durchsetzung der Menschenrechte einst bis zu völligen Unkenntlichkeit korrumpiert haben, indem sie die Humanität zur Letztbegründung ihrer Angriffskriege erklärten, nun wie paralysierte Kaninchen vor der Schlage und wüßten partout nicht, wie dem Abschlachten wehrloser Menschen in einem nur noch wenige Quadratkilometer großen Gebiet Einhalt geboten werden könne.

Dieses Abschlachten hat am vergangenen Wochenende eine bislang nicht erreichte Qualifizierung erfahren. In einer ersten Angriffswelle, die in der Nacht zum vergangenen Samstag begann, sollen durch Artilleriefeuer der srilankischen Armee mindestens 378 Menschen getötet worden sein. Eine zweite Angriffswelle erfolgte am Sonntagabend. Nach Angaben eines im Auftrag der Regierung im Kriegsgebiet tätigen Arztes, V. Shanmugarajah, wurden somit in kurzer Zeit bis zu eintausend tamilische Zivilisten getötet. Allein 430 Menschen seien in dieser Zeit tot ins Krankenhaus - das einzige innerhalb des Kriegsgebietes - gebracht worden oder dort gestorben. Die srilankische Armee setzte ihre Angriffe in den darauffolgenden Tagen nicht nur fort, sie griff nun auch direkt das Krankenhaus an, in das viele der Verletzten, deren Zahl ebenfalls die Tausendergrenze überschritten haben, eingeliefert worden waren. Die medizinische Versorgung von über 1300 verletzten Menschen übersteigt die Kapazitäten des Krankenhauses bei weitem. "Die Todesrate im Krankenhaus steigt, aber wir sind hilflos", so Shanmugarajah.

Das von verletzten Zivilisten überfüllte Nothilfekrankenhaus geriet am Dienstag, wie die tamilische Website TamilNet meldete, unter schweren Artilleriebeschuß durch die srilankische Armee. Lawrence Christy von einer tamilischen Rehabilitationsorganisation bezifferte die Zahl der am vergangenen Sonntag und Montag getöteten Menschen sogar mit über dreitausend. Gordon Weiss, Sprecher der Vereinten Nationen, erklärte am Montag, daß nun das "Blutbad", vor dem die UN seit langem gewarnt hätten, Realität geworden sei. Regierung und Armee Sri Lankas erwiesen sich jedoch nicht nur als immun gegen Vorwürfe dieser Art, sie gingen auch an der internationalen Front der Meinungsmanipulation ungeniert in die Offensive. Verteidigungssekretär Gothabaya Rajapakse sprach von plumper Propaganda der LTTE und aufgeblähten Zahlen. An die Adresse eines Auslandes gerichtet, das seine tatsächliche Rückendeckung für diesen Krieg ohnehin hinter Appellen und besorgten Worten kaschiert, war aus Colombo zu vernehmen, man solle doch nicht auf die "Propagandamaschinerie der LTTE" hereinfallen.

Die eigentlich zwingend zu stellende Gegenfrage, ob es sich bei den Erklärungen von Regierungsseite, die sogar der LTTE vorwarf, ihre eigenen Landsleute zu töten, um eine internationale Intervention zu erwirken, nicht in umgekehrter Richtung um eine "Propagandamaschinerie" handeln könnte, wird von der internationalen Staatengemeinschaft geflissentlich ignoriert. Selbstverständlich geht es in diesem Krieg wie auch der Kriegsberichterstattung nicht um die Frage nach Wahrheit und Lüge, da diese Instrumente einer Kriegführung sind, die nicht erst in diesem Krieg auch und keineswegs zuletzt an der medialen Front geführt wird. Für die Betroffenen des srilankischen Vernichtungsfeldzuges - die Zahl der in der Kriegszone eingeschlossenen Tamilen wird auf 50.000 geschätzt - hat sich diese Ausweitung der unmittelbar militärischen Angriffe bereits durch eine völlige Aussichtslosigkeit ihrer Lage bemerkbar gemacht, weil es auf der internationalen Bühne keinen Akteur gibt, für den die Verteidigung ihrer Überlebensinteressen ins strategische Kalkül paßt.

14. Mai 2009