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DILJA/1177: Das Volk macht mobil - baldige Rückkehr des Präsidenten von Honduras? (SB)


In Honduras geht die nationale Widerstandsfront in die Offensive

Das Putschistenregime scheint ungeachtet des angedrohten "Blutbades" vor dem Ende zu stehen


Bekanntlich steht in Honduras auch die katholische Kirche in enger Waffenbrüderschaft mit der Oligarchie des Landes, die mittels der militärischen Führung, konservativer Parteien, führender Unternehmen und Medien unter Einsatz buchstäblich aller nur denkbaren Mittel eine Linksentwicklung verhindern will. Kardinal Rodriguez Maradiaga kann insofern als inoffizielles Sprachrohr der "zivilen" Putschregierung unter Roberto Micheletti eingestuft werden. Für den Fall, daß der demokratische gewählte und durch den Militärputsch vom 28. Juni gewaltsam aus dem Amt entfernte Präsident Manuel Zelaya nach Honduras zurückkehren würde, warnte der Kardinal vor einem "Blutbad". Da es ein solches nicht geben kann, solange die derzeitigen Machthaber nicht die entsprechenden Schießbefehle gegen die oppositionelle Bevölkerung erteilen, kommen diese Worte einer puren Gewaltandrohung gleich.

Nach jüngsten, auf Angaben seiner Unterstützer beruhenden Informationen soll sich der gestürzte Präsident, dessen erster Rückkehrversuch am 5. Juli am Flughafen von Tegucigalpa vom machthabenden Militär verhindert wurde, bereits auf dem Rückweg nach Honduras befinden, wo er zu einem noch unbekannten Zeitpunkt und an einem ungenannten Ort eine Gegenregierung ausrufen will. Von einer "Gegenregierung" kann genaugenommen nicht die Rede sein, da Manuel Zelaya nichts anderes tun würde, als die Wahrnehmung der ihm als dem rechtmäßig gewählten Präsidenten des Landes obliegenden Amtsgeschäfte wiederaufzunehmen. Faktisch käme ein solcher Schritt selbstverständlich der Proklamation einer "Gegenregierung" gleich, da das Micheletti-Regime bislang nicht die geringste Absicht, Zelaya ins Präsidentenamt zurückkehren zu lassen, erkennen ließ.

Die Proteste der landesweit organisierten Nationalen Widerstandsfront haben in Honduras in den zurückliegenden Tagen so deutlich an Intensität zugenommen, daß die Annahme, es könnte sich bei ihnen bereits um Vorkehrungen handeln, um Zelaya zu einem noch unbekannten Zeitpunkt in Empfang nehmen und vor abermaligen Übergriffen des Militärs schützen zu können, nicht von der Hand zu weisen ist. Bereits am Mittwoch zogen Tausende Menschen durch die Straßen der Hauptstadt, um gegen die Putschisten zu protestieren und die Rückkehr Zelayas zu fordern. Einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters zufolge solle eine aktuelle Umfrage ergeben haben, daß Präsident Zelaya 46 Prozent der Bevölkerung hinter sich weiß und nur 30 Prozent die Auffassung vertreten, daß Micheletti im Präsidentenpalast an seiner statt verbleiben sollte.

Am gestrigen Donnerstag wurde die Ausweitung der Protestaktionen bereits in die Realität umgesetzt. Zehntausende beteiligten sich an dem Aktionstag, zu dem linke und soziale Organisationen gemeinsam aufgerufen haben. Das Regime verhängte prompt eine nächtliche Ausgangssperre und schaltete den einzigen Fernsehsender (Kanal 36), der am Donnerstag über die landesweite Mobilisierung berichtete, kurzerhand ab. Doch aufhalten ließ sich die Protestbewegung nicht, und so kam es im Verlauf des Tages auch zu ersten Straßenblockaden und Besetzungen. Wie die Nationale Widerstandsfront berichtete, konnte die von Tegucigalpa nach Norden führende Straße von dreitausend Putschgegnern, denen 300 Soldaten entgegengestellt wurden, blockiert werden.

So wie am Desvio del Durazno gingen vielerorts Demonstranten und Blockierer auf die Straßen. Am Morgen des heutigen Freitag wurde auch die Nationale Universität von Honduras von Putschgegnern besetzt; an den Grenzposten zu den Nachbarländern Nicaragua, El Salvador und Guatemala wurden die Zufahrtswege gleichfalls von Unterstützungsbewegungen für Zelaya blockiert. Den vielfältigen Protesten, die mehr und mehr die Gestalt systematisch durchgeführter Blockaden annehmen - zudem soll von den führenden Gewerkschaften ein Generalstreik vorbereitet werden -, suchen die derzeitigen Machthaber mit repressiven Mitteln entgegenzutreten. Die Militärs mobilisierten ihrerseits ihre Kräfte, und so wurden etliche Straßenblockaden durch Polizei und Militär wieder aufgehoben.

In einigen Bundesstaaten soll das Militär sogar schon dazu übergegangen sein, bestimmte Armenviertel zu "besetzen", um den Widerstand zu brechen oder doch zumindest in Schach zu halten. Ersten Meldungen zufolge soll es innerhalb des Militärs im Zuge dieser Gegenmobilisierung gegen die landesweite Protestbewegung jedoch bereits zu einer Entwicklung gekommen sein, die sich, absehbar wie sie ist, für das Putschregime als extrem gefährlich erweisen könnte. So wurde von mehreren Orten berichtet, daß die zur Räumung der Blockaden eingesetzten Soldaten sich weigerten, wie ihnen befohlen gegen die protestierenden Menschen vorzugehen; stattdessen verstärkten sie deren Blockaden noch durch ihre Anwesenheit. Sollte sich diese Tendenz innerhalb der Streitkräfte fortsetzen und verstärken, könnten nicht nur die Tage, sondern sogar die Stunden der Putschisten gezählt sein, weil das Militär als ihre eigentliche Machtbasis keine Verläßlichkeit mehr bietet, je weiter offene Befehlsverweigerungen der Soldaten um sich greifen.

Damit würde sich eine Entwicklung in Lateinamerika auch in Honduras manifestieren, die den dortigen Putschisten sowie ihren wenn auch verschwiegenen westlichen Partnern alles andere als lieb sein kann. Die Zeit der gewaltsamen Putsche gegen mißliebige, das heißt in aller Regel linke Regierungen, sowie die Errichtung militärdiktatorischer Verhältnisse scheint endgültig einer Vergangenheit anzugehören, die seinerzeit, wie heute niemand mehr bestreiten würde, eindeutig die Handschrift Washingtons trug. Im 21. Jahrhundert allerdings, einem Jahrhundert, das nach Ansicht des um die Jahrtausendwende im Weißen Haus regierenden, neokonservativen Bush-Clans das "Amerikanische Jahrhundert" unter alleiniger Vorherrschaft der USA hätte werden sollen, entzieht sich der einstige "Hinterhof" Lateinamerika gänzlich der Kontrolle Washingtons.

Aus Sicht der westlichen Eliten wird diese Entwicklung dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez angelastet, so als sei dieser der alleinige Bösewicht, der den Völkern Lateinamerikas nach so vielen Jahrzehnten die Augen öffnet über den tatsächlichen Nutzen, den die Unterwerfung bzw. Kooperation mit der westlichen Führungsmacht ihnen bislang eingebracht hat und noch einbringen könnte. Manuel Zelaya, ein keineswegs von Haus aus "linker" Präsident, hat das Faß zum Überlaufen gebracht und eine rote Linie überschritten, nur weil er nach einem Besuch des in den westlichen Hauptstädten wohl meistgehaßtesten Venezolaners in Tegucigalpa, Honduras in die "Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerika" (ALBA) brachte, was im übrigen so sehr im Interesse der Bevölkerung von Honduras lag, daß nicht einmal die Konservative Partei gegen diesen Parlamentsbeschluß zu stimmen wagte.

Und so geht es bei dem jetzigen Militärputsch und der womöglich bereits absehbaren Niederlage der Putschisten keineswegs um die Zelaya ohnehin fälschlicherweise zum Vorwurf gemachten Verfassungs- und Gesetzesverstöße, sondern um die Aufkündigung der Mitgliedschaft in der ALBA und mehr noch gegen eine völlige Neuausrichtung der Staatsordnung, wie sie bei der von Zelaya befürworteten Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung aus Sicht der Oligarchie zu befürchten wäre. Damit halten die derzeitigen Regenten in Honduras nicht einmal hinterm Berg. So rechtfertigte Mauricio Reconco, ein Abgeordneter der Liberalen Partei, der sowohl Zelaya also auch sein Widersacher Micheletti angehören, nicht nur den Putsch mit den Worten: "Wir wissen, dass das, was getan wurde, das Beste war, andernfalls würden wir uns heute in einer schlimmeren Situation befinden", sondern erklärte ganz offen: "Der Krieg richtet sich nicht gegen Zelaya, sondern gegen Hugo Chávez." Die putschfreundlichen Medienkonzerne von Honduras vertreten dieselbe Linie und fordern unverhohlen den Austritt des Landes aus der ALBA, während die Nationale Widerstandsfront nicht nur die Rückkehr Zelayas in sein Amt, sondern nun erst recht die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung auf ihre Fahnen geschrieben hat.

[1] Krieg gegen Chávez. Honduranische Oligarchie will den Einfluss der Emanzipationsbewegung auf dem Kontinent stoppen - und macht gegen Venezuela Front, Ricardo Daher, aporrea.org, 10.07.2009, Übersetzung von Regina, http://amerika21.de/hintergrund/2009/chavez-9237534-honduras/view

17. Juli 2009