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DILJA/1256: Südafrikas ANC nach Mord an einem Faschistenführer unter Druck (SB)


Zwei schwarze Landarbeiter erschlagen nach Lohnverweigerung den Führer der rechtsextremen Burenbewegung AWB, Eugene Terreblanche

Südafrikas Rechtsopposition bezichtigt den ANC der Mitverantwortung


Am 3. April starb der 69jährige Eugene Terreblanche auf seiner Farm bei Ventersdorp im Nordwesten Südafrikas eines gewaltsamen Todes. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurde er von zwei seiner eigenen Landarbeiter mit einer Machete und einem Stock erschlagen. Die beiden mutmaßlichen Täter, bei denen es sich um einen 15- sowie um einen 21-jährigen handeln soll, ergriffen nach der Tat nicht die Flucht, sondern riefen selbst die Polizei und warteten am Tatort auf deren Eintreffen, um ihre Sicht der Ereignisse darzulegen. Dies ist höchst ungewöhnlich und zugleich geeignet, die Schilderung der jungen Tatverdächtigen, die umgehend verhaftet wurden und in Kürze des Mordes angeklagt werden sollen, plausibel erscheinen zu lassen. Welcher Täter, hätte er, aus welchen Motiven auch immer, ein solches Tötungsdelikt begangen, würde schon seine eigene Verhaftung aktiv herbeiführen, nur um sofort der Polizei berichten zu können, was geschehen ist?

In den internationalen Medien, in denen dieser Vorfall einen breiten Widerhall fand nicht etwa, weil der gewaltsam herbeigeführte Tod eines Menschen im heutigen Südafrika etwas Seltenes wäre, sondern weil der Getötete der Anführer der rechtsextremen Burenorganisation "Afrikaaner Widerstandsbewegung" (AWB) war und diese umgehend "Rache" angekündigt hatte, fand dieser Aspekt nur geringen Widerhall. Es sei um Lohnstreitereien gegangen, war Agenturmeldungen zu entnehmen ganz so, als wäre damit bereits erklärt, warum die jungen Arbeiter zu den Waffen griffen und ihren Chef zu Tode prügelten. Einem Bericht der jungen Welt [1] zufolge soll Terreblanche den beiden Farmarbeitern den ihnen zustehenden Lohn von jeweils 350 Rand (35 Euro) vorenthalten haben. Die Mutter des Fünfzehnjährigen erklärte später gegenüber der Presse, Terreblanche habe sich geweigert, die Löhne auszuzahlen und weitere Arbeiten von den beiden jungen Männern verlangt. Doch als diese ausgeführt worden waren, zahlte der Farmer immer noch nicht. Dem jw-Bericht zufolge drohte er damit, die beiden umzubringen, woraufhin diese ihn erschlugen.

Der Entschluß zu dieser Tat ist nicht so unverständlich, wie er vielleicht erscheinen mag, da Terreblanche in dieser Hinsicht kein unbeschriebenes Blatt war und die beiden jungen Männer, so denn ihre Schilderung zutreffend ist, Grund zur Annahme hatten, daß ihr Chef die Morddrohung gegen sie auch wahr machen könnte. 1997 war er zu einer sechsjährigen Gefängnissstrafe verurteilt worden, weil er einen Tankstellenangestellten tätlich angegriffen und einen früheren Angestellten fast totgeprügelt hatte. Terreblanche ist auch politisch kein unbeschriebenes Blatt, steht er doch mit seiner Person für eine der extrem rechtesten Positionen im heutigen Südafrika wie auch schon zu Apartheidszeiten. Die von ihm 1973 mitbegründete Afrikaaner Weerstandsbeweging befürwortete damals wie heute die Gründung eines reinrassigen Burenstaates und gilt somit als einer der hartnäckigsten Verfechter der Apartheid. Sie war und ist keineswegs ein Debattierclub, sondern ist paramilitärisch organisiert und hat in den 1980er bis 1990er Jahren durch wahllos an Schwarzen begangene Morde klargestellt, daß mit ihr der neue Regenbogenstaat nicht zu machen sein würde.

Unmittelbar nach der Tat hatte der AWB durch seinen Generalsekretär Andre Visagie verkündet, den Tod Terreblanches rächen zu wollen. "Der Tod von Herrn Terreblanche ist eine Kriegserklärung der schwarzen Gemeinschaft an die weiße Gemeinschaft Südafrikas" so Visagie. Wenige Stunden später klang dies gänzlich anders. So ließ der AWB durch seinen Sprecher Pieter Steyn nun wissen, daß kein Mitglied dieser Organisation in irgendeiner Form Gewalt anwenden würde. Wie glaubwürdig diese Erklärung tatsächlich ist, wird sich erst noch herausstellen müssen. Präsident Zuma vom regierenden ANC hat sofort alle Beteiligten beschworen, Ruhe zu bewahren und es nicht zu den nun allgemein befürchteten Rassenunruhen kommen zu lassen. Teile der politischen Rechten haben die Tat gleichwohl zum Anlaß genommen, um Stimmung gegen den ANC zu machen und diesem eine Mitverantwortung zuzulasten.

In der öffentlichen Debatte sowohl im Land selbst wie auch international wird im Zusammenhang mit dieser Tat, die schnell vom Ruch einer rassistisch motivierten Gewalttat befreit wurde, weil es sich ja um einen Lohnstreit gehandelt habe, nun eine Frage diskutiert, die einer politischen Bezichtigung des ANC zuarbeitet und den Boden bereitet. So hat die Oppositionsführerin Helen Zille von der von weißen Südafrikanern gebildeten Partei Demokratische Allianz (DA) ein Lied aus der Vergangenheit des ANC-Befreiungskampfes zum Mordmotiv erklärt. Um dieses Lied hatte es in jüngster Vergangenheit schon heftige Auseinandersetzungen und sogar Gerichtsurteile gegeben. So hatte noch im März Julius Malema, der Vorsitzende der ANC-Jugendliga, das alte Lied aus dem Freiheitskampf "Ayesaba Amagwala" (Die Feiglinge haben Angst) vor Studenten gesungen. In ihm kommt die Zeile "shoot the Boer" (Tötet die Buren) vor, was nun zum Anlaß genommen wird, dem ANC zu unterstellen, er wolle ein gewaltsames Klima gegen die Weißen bzw. Buren im Lande schüren und sogar zu deren Tötung aufrufen oder ermuntern.

Nichts läge der Realität und Regierungspolitik ferner, und so machte die ANC-Jugendliga auch geltend, daß dieses Lied zum kulturellen Erbe des Landes und seiner Geschichte gehöre und daß mit der inkriminierten Zeile der Kampf gegen die Apartheid gemeint sei. Helen Zille von der DA machte aus dem Lied und der besagten Zeile ein Mordmotiv, obwohl bis heute noch nicht einmal geklärt ist, ob die beiden jungen Arbeiter das Lied bzw. die öffentliche Debatte darum überhaupt kannten: "Das Singen von Liedern wie 'Tötet den Buren' erzeugt ein Klima, in dem Gewalt als angemessene Antwort auf Probleme gesehen wird." Wie sehr sich die politischen Verhältnisse in Südafrika schon zuungunsten des ANC verschoben haben, läßt sich an zwei Gerichtsurteilen ablesen, die das Singen des Liedes tatsächlich verboten. ANC-Sprecher Jackson Mthembu, der das umstrittene Lied selbst noch vor kurzem öffentlich gesungen hatte, geriet bereits so weit unter Druck, daß er zusagte, der ANC würde "erörtern, ob es angebracht sei, weiter in dieser Weise zu singen."

Von einer Inangriffnahme der auch nach der Apartheid ungeachtet der Reformversuche der bisherigen ANC-Regierung völlig ungelösten sozialen Probleme des Landes, von denen die noch immer ungeklärte Landfrage nur eine ist, ist das Land nach wie vor weit entfernt. In Reaktion auf die Erschlagung eines Rechtsextremenführers wird die Frage einer möglichen Mitverantwortung des ANC aufgrund seines Liedgutes diskutiert, nicht jedoch problematisiert, daß landlose Südafrikaner, die nach so langer Zeit der Befreiung von der Apartheid noch immer ein sklavenähnliches Dasein fristen müssen, während die weißen Großgrundbesitzer ihre Eigentumsrechte aus jahrhundertealter Rassenherrschaft wahren können, eines Tages zur Machete greifen und Verzweiflungstaten begehen könnten, die von der besitzenden Klasse als rechtfertigender Beweis einer überbordenden Kriminalität ausgewiesen werden, die den schwarzen Südafrikanern nun einmal angeboren zu sein scheint...

[1] Tod eines Nazis. In Südafrika wurde Rassistenführer Eugene Terre'Blanche erschlagen, von Christian Selz, Kapstadt, junge Welt, 06.04.2010, S. 6

7. April 2010