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DILJA/1381: Kein Schutz für die honduranische Bevölkerung gegen Lobos De-facto-Diktatur (SB)


Unaufgeklärte politische Morde schüren Hoffnungslosigkeit


Am 28. Juni 2009 hatte das honduranische Militär bekanntlich gegen den gewählten Ministerpräsidenten des mittelamerikanischen Landes, Manuel Zelaya von der liberal-konservativen Partei "Partido Liberal de Honduras" (PLH), geputscht und ihn gewaltsam außer Landes geschafft. Seitdem herrscht in Honduras eine De-facto-Diktatur, die durch die unter der Kontrolle der Militärs und des von ihnen eingesetzten politischen Personals im November 2009 durchgeführten Wahlen keinesfalls kuriert und "demokratisiert" werden konnte. Gleichwohl hatte dieser Urnengang den mit ihm verfolgten eigentlichen Zweck erfüllt, ermöglichte er es doch der internationalen Staatenwelt, die mit wenigen Ausnahmen nicht umhingekommen war, diesen Putsch und den daraufhin eingesetzten Notstand zu kritisieren, zu der Tagesordnung überzugehen, die sie ebenfalls de facto zu keinem Zeitpunkt verlassen hatte.

Wer sich angesichts der jüngsten Wahlergebnisse der deutschen FDP fragen mag, wo denn eigentlich der politische Nutzen oder die an liberalen Positionen festzumachende Aufgabe dieser Schrumpfpartei zu vermuten ist und wie lange es wohl noch dauern möge, bis Schulkinder im Geschichtsunterricht von ihrer früheren Existenz erfahren, sollte sich vor Augen halten, daß es eine ganz spezifische Aufgabe gab und aller Vermutung nach auch noch immer gibt, die von dieser Partei und der ihr zuzurechnenden Friedrich-Naumann-Stiftung mit einer gewissen Exklusivität wahrgenommen wird. Zelaya ist höchstpersönlich, wie etliche andere Mitglieder seiner liberalen Partei auch, durch die Schulungen der in Honduras höchst aktiven deutschen Stiftung gegangen; allein, er muß aus Sicht seiner vermeintlichen Gönner "aus dem Ruder" geraten und vom vorgeschriebenen politischen Pfad abgewichen sein. Es gab einen ganz konkreten Grund für den gegen ihn durchgeführten Putsch. Zelaya stand im Begriff, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen bzw. einzuleiten, um ein Referendum über eine Verfassungsgebende Versammlung zu ermöglichen mit dem Ziel, eine echte Demokratisierung herbeizuführen.

Desweiteren hatte er den "Fehler" aus Sicht seiner deutschen oder auch sonstigen westlichen Förderer begangen, eine Kooperation mit den von der führenden Staatenwelt verfemten Linksregierungen Venezuelas und weiterer lateinamerikanischer Staaten einzugehen. Würden in Honduras Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen stattfinden können, die nicht von den jetzigen Machthabern kontrolliert und in ihrem Sinne beeinflußt werden könnten, so darf gemutmaßt werden, würde sich eher früher als später wieder eine Partei auf demokratisch legitimiertem Wege in die Regierungsposition bringen können, die dasselbe Verfassungsprojekt in Angriff nehmen würde. Um eine solche gesamtgesellschaftliche Entwicklung, sprich einen Verfassungsgebungsprozeß, an dem alle Bevölkerungsgruppen beteiligt wären, zu verhindern, sorgen schwer zu identifizierende und noch schwerer konkret zu beschuldigende politische Kräfte dafür, daß in Honduras ein Klima von Angst und Ohnmacht herrscht.

Dies ist längst geschehen und eingetreten, ohne daß dies in den vorherrschenden Medien und der Weltöffentlichkeit ein nennenswertes Echo ausgelöst hätte. Politische Morde sind beinahe an der Tagesordnung. Es ist nicht unbedingt ihre hohe Zahl, sondern der faktische Status der Recht- und Schutzlosigkeit, der der Bevölkerung durch die vielen Gewalttaten immer wieder vor Augen geführt wird. Die Opfer haben sich in der Opposition stark engagiert, sie waren zumeist Gewerkschafter, Lehrer oder auch Anwälte. Nach jüngsten Angaben der Honduranischen Anwaltskammer CAH (Colegio de Abogados de Honduras) wurden seit dem Putschjahr 2009 mindestens 74 Anwälte ermordet, ohne daß auch nur einer dieser Mordfälle aufgeklärt und die Verantwortlichen bestraft worden wären.

Am 17. Januar 2012 wurde der Rechtsanwalt José Ricardo Rosales vor seinem Haus erschossen, nachdem er drei Tage zuvor gegenüber Pressevertretern erklärt hatte, daß Polizisten der Stadt Tela Menschenrechtsverletzungen begangen hätten und er dies bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht hätte. Héctor Turcios, der Polizeichef von Tela, bestätigte, daß Rosales von drei Unbekannten, die aus einem Auto heraus auf ihr Opfer gefeuert hätten, erschossen worden war. Rosales hatte auch behauptet, daß die von ihm angezeigten Fälle sexuellen Mißbrauchs auch von Minderjährigen und Folterungen männlicher Häftlinge, die von Polizisten im Dienst begangen worden seien, der Staatsanwaltschaft bekannt gewesen seien, diese jedoch nicht gegen die Beamten vorgehen wolle.

Nachprüfen lassen sich diese schwerwiegenden Vorfälle nicht, liegen doch die Ermittlungsbefugnisse allein in den Händen jener staatlichen Stellen, gegen die die Vorwürfe der direkten Täterschaft oder indirekten Mithilfe erhoben werden. Vor etwa einem Jahr hatte eine von verschiedenen Menschenrechts- und Entwicklungshilfeorganisationen gestellte Kommission den Versuch unternommen, die aktuelle Lage in Honduras und insbesondere die Menschenrechtsverletzungen und politischen Morde aufzuklären. Ihrem Bericht [2] nach habe sich die Lage seit dem Putsch im Juni 2009 noch verschlimmert bis zu einem "allgemeinen Klima der Straflosigkeit". Konkret wußte diese Kommission von über einhundert strafrechtlich nicht aufgearbeiteten politischen Morden sowie zahllosen Übergriffen auch in Landkonflikten zu berichten.

Sich mit der Bitte um Unterstützung an die deutsche Bundesregierung zu wenden, dürfte ein sinnloses Unterfangen sein. Christian Lüth, der zur Zeit des Putsches als Repräsentant der Friedrich-Naumann-Stiftung vor Ort tätig war und weltweit für eine gewisse Aufmerksamkeit gesorgt hatte, weil er in kürzester Zeit den Putsch als rechtmäßiges Amtsenthebungsverfahren gerechtfertigt hatte, ist inzwischen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als Referent im Bereich der Steuerung der Durchführungsorganisationen tätig. Der Stiftungsvorsitzende und FDP-Politiker Wolfgang Gerhardt hatte nach den Novemberwahlen die Europäische Union aufgefordert, das Wahlergebnis - Porfirio Lobo war zum Präsidenten gewählt worden - anzuerkennen. Zwar hat eine Gruppe ehemaliger Stipendiaten der FDP-nahen Stiftung in einer öffentlichen Erklärung bekanntgegeben, daß die Stiftung in Honduras "in den Einfluss kleiner Phantomgrüppchen und Organisationen der extremen Rechten in Lateinamerika geraten" sei [2], doch all dies konnte dem konsequenten Verschweigen der tatsächlichen Verhältnisse in dem mittelamerikanischen Land nicht entgegenwirken.

In der honduranischen Bevölkerung machen sich Ohnmachtsgefühle und Hoffnungslosigkeit breit, wenngleich die Demokratiebewegung nicht müde wird, für die nächsten Wahlen 2013 zu mobilisieren, um einen Übergang zu schaffen und eine Demokratisierung des immer mehr in Armut getriebenen Landes zu ermöglichen. Es versteht sich von selbst, daß dieser Demokratiebewegung keinerlei Unterstützung aus dem westlichen Ausland zukommen wird. Ihre Ziele unterscheiden sich in nichts von den Bewegungen des Arabischen Frühlings. Offensichtlich haben die westlichen Strategen mit Honduras Pläne, bei deren Realisierung eine solche Demokratisierung nicht vorgesehen ist.

Anmerkungen:

[1] HONDURAS - Menschenrechtsverletzungen durch Polizei: Anwalt nach Anzeige ermordet. Aus: Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen, Poonal Nr. 980 vom 16.01.2012 bis 22.01.2012

[2] Abschlussbericht der Delegationsreise nach Honduras; hondurasdelegation.blogspot.com 06.02.2011, aus: Für die Freiheit der Oligarchie, german-foreign-policy, 23.09.2011


1. Februar 2012