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AFRIKA/1812: 600 Armutsflüchtlinge vor Libyen ertrunken (SB)


Massenflucht aus Ressourcenraum endet häufig mit dem Tod


Wenn beim kommenden G20-Treffen in London die Weichen für eine neue Weltordnung gestellt werden, ist damit zu rechnen, daß die Europäer von den USA enger an die Kandare genommen werden. Wohingegen nicht anzunehmen ist, daß den deutlichen Verlierern der Finanz- und Wirtschaftskrise, den afrikanischen Staaten, aussichtsreichere Entwicklungschancen eröffnet werden. Vor kurzem hat der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert, daß sich die Schuldenlast der Entwicklungsländer aufgrund der Krise wieder erheblich auftürmen wird. Alle Maßnahmen zur Entschuldung - so bescheiden sie letztlich auch ausfielen - werden zunichte gemacht; die afrikanischen Staaten werden tiefer den je in die Schuldenfalle getrieben.

Unterdessen meldet die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, daß die Lebensmittelpreise, die in den Jahren 2007, 2008 global stark angestiegen waren, zurückgegangen sind, aber nicht auf den Stand von der Zeit davor. Verhältnismäßig gering fiel der Preisrückgang ausgerechnet in den Entwicklungsländern aus, und von diesem Niveau ziehen die Kosten, die Familien für Nahrung aufbringen müssen, inzwischen wieder an.

Diese Entwicklungen satteln auf die ohnehin verbreitete Armut in Afrika auf und führen zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensverhältnisse für immer mehr Menschen. Da wundert es nicht, daß diese versuchen, dem ihnen zugelasteten Schicksal zu entkommen und das - aus ihrer Sicht - gelobte Land zu erreichen, die Europäische Union. In diesem Jahr, so scheint es, könnte die Zahl der Menschen, die existentiellen Zwängen zu entkommen versuchen und bei der Überfahrt von Afrika nach Europa über den Atlantik oder das Mittelmeer ums Leben kommen, beträchtlich zunehmen.

So sind offenbar diese Woche vor der libyschen Küste zwei Boote mit 253 bzw. 365 Flüchtlingen gesunken. Laut Reuters konnten nur 23 gerettet werden, und man fand lediglich die Leichen von weiteren 21 Flüchtlingen. Die libysche Küstenwache sucht eigenen Angaben zufolge nach Überlebenden. Womöglich sind noch viele Menschen mehr umgekommen, denn Beamte der Küstenwache erklärten, daß insgesamt vier Boote in Seenot geraten sein könnten. 350 Flüchtlinge seien am Montagabend von einem Tanker gerettet worden.

Das Ziel der Flüchtlinge war Italien. Dort kamen nach Angaben des italienischen Innenministeriums im vergangenen Jahr rund 36.500 von ihnen an, wieviele es nicht geschafft haben, ist unklar. Ebenfalls am Montag erreichten 249 Menschen auf einem nur 20 Meter großen Holzboot den süditalienischen Hafen Portopalo, in der Nacht zuvor wurden 153 Afrikaner an einen italienischen Strand geschwemmt.

Der Monat März bildet gewöhnlich erst den Auftakt zur sommerlichen "Flüchtlingssaison", wenngleich der Flucht keine Naturgesetzlichkeit attestiert werden sollte. Die Menschen verlassen ihre Heimat, weil die Lebensverhältnisse unerträglich geworden sind. Das hat auch mit einer Weltordnung zu tun, in der Afrika Schlußlicht war, ist und bleiben soll. Das bedeutet, daß der Kontinent als bloßer Ressourcenraum für die privilegierten Nutzungsräume Nordamerika und Europa vorgesehen ist. Wobei die Verteilungskämpfe innerhalb afrikanischer Staaten nicht zuletzt Folge eines entwickelteren globalen Verteilungskampfes sind, den Afrika allem Anschein nach verloren hat.

31. März 2009