Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/1815: Klage gegen Shell wegen Hinrichtung von Ken Saro-Wiwa (SB)


Ölkonzern Shell wird in Nigeria von seiner Vergangenheit eingeholt ...

und soll sich auch seinen heutigen Machenschaften stellen


Die Plünderung mineralischer und landwirtschaftlicher Ressourcen in Afrika ging seit der Kolonialzeit ununterbrochen mit menschenvernichtenden Machenschaften einher. In der Regel sorgten örtliche Sachwalter, die von den Kolonialstaaten begünstigt wurden, dafür, daß diese die Schätze Afrikas abschleppen konnten. Heute gibt es keine Kolonien mehr ... aber die Abhängigkeit vieler Staaten des Südens übertrifft in mancher Hinsicht sogar noch die Not der Kolonien vor fünfzig oder hundert Jahren.

Vom Westen dominierte Weltorganisationen wie IWF, Weltbank, UN-Sicherheitsrat und Welthandelsorganisation oder auch einzelne Regierungen sowie multinationale Konzerne üben einen großen Einfluß auf die Länder des Südens aus. Das gilt und galt auch für den britisch-niederländischen Ölkonzern Shell im Verhältnis zu Nigeria. Das ist einer der Gründe, warum sich der Konzern demnächst vor einem US-amerikanischen Gericht für den Tod des nigerianischen Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter, die wie er vom Volk der Ogoni stammten, verantworten muß.

Die neun Personen waren am 10. November 1995 von der damaligen Militärdiktatur unter Sani Abacha hingerichtet worden, und es besteht eine begründete Annahme dafür, daß Shell dies hätte verhindern können. Von dem US-Gericht wird zu prüfen sein, ob und inwieweit Shell nicht sogar tiefer in die Machenschaften verstrickt war.

Nigeria war lange Zeit führender Erdölexporteur unter den Subsaharastaaten. Erst in jüngster Zeit wurde es von Angola überholt, aber nur aus dem Grund, weil im Niger-Delta, dem Hauptfördergebiet nigerianischen Erdöls, Bürgerkrieg herrscht. Wieder einmal oder, um genau zu sein, noch immer. Der Kampf der Ogoni gegen die Unterdrückung wird heute von anderen Volksgruppen verfolgt, die Ziele sind geblieben.

Die Bewohner des Niger-Deltas leben in einer Art Industriebrache. Kreuz und quer ziehen sich Erdölpipelines durch die sumpfige Landschaft. An vielen Stellen rosten alte Förderanlagen vor sich hin. Mangels ausreichender Wartung bersten die Leitungen mitunter und ergießen ihren ölig-klebrigen Inhalt über die Felder, in die Flüsse oder auch in die Dörfer. Das eigentlich fischreiche Mündungsgebiet des Niger bietet schon lange nicht mehr ausreichend Nahrung für die Bewohner, deren Vorfahren traditionell vom Fischfang leben konnten.

So übel die vielen Leckagen und rostenden Ölförderinstallationen auch sind, die Lebensverhältnisse werden mindestens ebenso durch das Abfackeln von Erdgas (Flaring) belastet. Schätzungen zufolge gehen Nigeria jedes Jahr rund 2,5 Milliarden Dollar an Einnahmen aufgrund des Abfackelns verloren. Darüber hinaus wird die Luft im Niger-Delta Tag und Nacht verpestet. Das Wasser aus den Brunnen, das Gemüse aus dem eigenen Garten, der Fisch aus dem Fluß, alles schmeckt nach Erdöl. Durch das Gasabfackeln im nigerianischen Ölfördergebiet werden mehr Treibhausgase in die Atmosphäre emittiert als in den übrigen Subsaharastaaten zusammengenommen.

Die Bewohner der Deltaregion wurden und werden bis heute unterdrückt und marginalisiert. Sie erhalten nur einen geringen Prozentsatz aus den Einnahmen aus dem Ölgeschäft und werden auch nicht adäquat an den Entscheidungsprozessen, die sie unmittelbar betreffen, beteiligt. Nigeria müßte nicht arm sein, aber die große Mehrheit der Nigerianer lebt in Armut. Das gilt insbesondere für die Einwohner des Niger-Deltas.

Laut einer Meldung der Ken-Saro-Wiwa-Website (www.remembersarowiwa.com) wird sich der Shell-Konzern am 26. Mai 2009 vor einem Federal District Court in New York für seine mutmaßliche Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen in Nigeria, einschließlich der Massenhinrichtung von Ken Saro-Wiwa und seinen Mitstreitern, für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter, willkürliche Verhaftungen und Haft verantworten müssen. Eingereicht haben die Klage die Organisationen Constitutional Rights (CCR) und EarthRights International (ERI). Zu den Klägern gehören auch Verwandte Saro-Wiwas und seiner Kampfgefährten. Der Klage gingen zwölf Jahre lang Bemühungen des Shell-Konzerns zur Abwendung des Verfahrens in den USA voraus. Sollten die Kläger Recht bekommen, versprechen sie sich davon eine Enschädigung in mehrstelliger Millionenhöhe.

Außerdem hat eine Koalition von Nichtregierungsorganisationen, zu denen PLATFORM, Oil Change International, Friends of the Earth U.S. und Greenpeace UK gehören, am Montag, den 6. April, eine globale Kampagne zur Begleitung des Verfahrens Wiwa vs. Shell gestartet. Die Kampagne möchte Druck auf den Konzern ausüben, damit dieser das Gas-Abfackeln einstellt. Der Termin, bis zu dem die in Nigeria tätigen Ölkonzerne das "Gas-Flaring" beenden sollten, wurde bereits zweimal verschoben. Zuletzt hieß es, die Unternehmen müßten damit bis zum 31. Dezember 2008 aufhören. Der Zeitpunkt verstrich, ohne daß sich Nennenswertes getan hätte. Und die nigerianische Regierung, die sich mit den Global Players gutstellen will, unternimmt keine entscheidenden Schritte gegen deren Ignoranz.

7. April 2009