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AFRIKA/1835: Erneut Ölverseuchung im Nigerdelta - Daueranlaß für Aufstand (SB)


Das Nigerdelta wird seit Jahrzehnten laufend von Ölkontaminationen heimgesucht

Anlaß für Aufstand gibt es genug


Die Kette an Ölverseuchungen im Nigerdelta reißt nicht ab. Seit Jahrzehnten wird das von zahlreichen größeren und kleineren Flüssen zerschnittene Gebiet, in dem der Hauptanteil der nigerianischen Ölförderung erfolgt, von austretendem Öl kontaminiert. Mal rosten alte Anlagen durch, mal wird Sabotage verübt, und unvermeidlich tritt permanent Öl bei der herkömmlichen Förderung aus. Das ist einer von mehreren Gründen, warum Krieg im Nigerdelta ausgebrochen ist.

Der jüngste Ölunfall ereignete sich in der Küstenstadt Okpoama im Bundesstaat Bayelsa, wo die Nigeria Agip Oil Company (NAOC) ihren Sitz hat. In dieser Region gibt es mehrere Ölquellen. Zwei größere Pipelines durchschneiden das Land, die Brass/Ogoda-Pipeline und die Tebedaba-Pipeline, die beide durch die Siedlungsgebieten zum Brass-Terminal führen, wo Tankschiffe das Agip-Öl aufnehmen und abtransportieren.

Nun berichtet die nigerianische Zeitung "Vanguard" [1] von einer massiven Ölverseuchung im Eku-eku-Creek. Bislang lebten die Einwohner, die ungefähr Mitte Mai den Ölaustritt festgestellt hatten, vom Fischfang, doch das können sie für die nächste Zeit vergessen, denn aus einer Bruchstelle sind unter hohem Druck gewaltige Mengen Rohöl ausgetreten und haben eine große Fläche mit Öl verseucht. Die Netze und sonstigen Gerätschaften der Fischer sind ölverklumpt und unbrauchbar; um an die Fische heranzukommen, sofern diese überlebt haben, müssen die Menschen erst das Öl beiseite schieben. Eine namentlich nicht genannte Quelle des Unternehmens Agip teilte mit, daß die geborstene Stelle versiegelt wurde, doch ein Einwohner berichtete der Zeitung, daß die Maßnahmen nicht verhindert haben, daß das Öl in den nahegelegenen Eku-eku-Creek geströmt ist.

Unterdessen meldete die ebenfalls in Nigeria herausgegebene Zeitung "This Day" [2], daß die National Oil Spill Detection and Response Agency (NOSDRA) einige Anstrengungen unternommen habe, damit sich die Ölunternehmen Mobil Producing Nigeria Limited und AMNI/AFREN Energy an der Beseitigung einer Ölverseuchung in der Region Obolo des Bundesstaats Akwa Ibom vom 28. April dieses Jahres beteiligen. Außerdem teilte NOSDRA hinsichtlich eines weiteren Vorfalls mit, Untersuchungen vom vergangenen Jahr hätten ergeben, daß ein Versagen der Ausrüstung der Shell Petroleum Development Company (SPDC) zu einer Ölleckage geführt hatte.

Die jüngsten Vorfälle reihen sich ein in die lange Serie an kleineren und schwerwiegenderen Ölverseuchungen im Nigerdelta, wie sie ausführlich 1999 von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch [3] und seitdem von verschiedenen Umweltaktivisten und -organisationen beschrieben werden. [4]

In der hiesigen Berichterstattung über Ölverseuchungen in Nigeria wird häufig vernachlässigt, daß die westliche gehobene Lebensweise auch darauf beruht, daß in Westafrika Öl gefördert wird, was wiederum mit Umweltschäden einhergeht, welche die Lebensweise der Menschen in den Fördergebieten nachhaltig zerstört. Die einen leben zu Lasten der anderen.

Somit muß der Aufstand im Nigerdelta, der sich gegen den Export des Öls durch ausländische Konzerne, die Nichtbeteiligung der örtlichen Bevölkerung an den Einnahmen aus dem Ölgeschäft und die permanente Umweltverschmutzung richtet, zunächst als ein Befreiungskampf gegen diese globale Ordnung angesehen werden. (Womit nicht von vornherein ausgeschlossen werden soll, daß es den Milizen aus dem Nigerdelta nicht um persönliche Bereicherung gehen könnte.) Dennoch: Das Erdöl, das die Region von Okpoama verseucht hat, ist auch als eine Umweltverschmutzung der hiesigen Lebensverhältnisse zu werten.


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Anmerkungen:

[1] "Nigeria: Oil Spill Ravages Slyva's Home Town", The Vanguard, 1. Juni 2009
http://allafrica.com/stories/200906010034.html

[2] "Nigeria: Nosdra Moves to Halt Oil Spill", This Day, 29. Mai 2009
http://allafrica.com/stories/200905290274.html

[3] "The Price of Oil. Corporate Responsibility and Human Rights Violations in Nigeria´s Oil Producing Communities", Human Rights Watch, Januar 1999, ISBN: 156432-225-4

[4] "The Land is Dead. Women's Rights as Human Rights: The Case of the Ogbodo Shell Petroleum Spill in Rivers State, Nigeria", Terisa E. Turner, Juni-Juli 2001
www.uoguelph.ca/~terisatu/ogbodospill.pdf

2. Juni 2009