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AFRIKA/1846: Obama besucht Ghana und stiehlt sich aus Verantwortung (SB)


Afrika - im Rahmen der Weltordnung als Ressourcenkontinent vorgesehen

USA wollen anscheinend unmittelbare Hungerhilfe reduzieren


Dieser Tage werden die Staats- und Regierungschefs der führenden Wirtschaftsmächte der Erde nicht müde zu betonen, daß Afrika "dazugehört", daß es gleichberechtigter Partner bei dem gemeinsamen Vorhaben ist, eine Welt aufzubauen, in der Menschen in Frieden und Wohlstand leben können. So wurde auch in Deutschland die Rede des US-Präsidenten Barack Obama am vergangenen Samstag vor dem ghanaischen Parlament mit reichlich Enthusiasmus aufgenommen. Sie sei ein Beispiel für den neuen Wind, der zwischen den Kontinenten aufziehen soll, könnte man die Einschätzung der Mainstreampresse zusammenfassen. Übersehen wird dabei, daß Obama die gleichen alten Gerüche transportiert, die schon immer die stickige Atmosphäre zwischen Amerika und Afrika bestimmt haben. Unter das Motto "gegenseitige Verantwortung" hatte Obama seine Rede gestellt.

Die Zukunft Afrikas liegt in den Händen der Afrikaner, erklärte der US-Präsident, der dafür regen Applaus erhielt. Welch eine Farce angesichts nicht einfach nur wegen des kolonialzeitlichen Erbes, das bis heute keineswegs vollständig abgestreift wurde, sondern wegen aktueller, in eben diesem Moment stattfindender transkontinentaler Raubzüge in Afrika. Während Obama nach vorne hin anerkennt, daß Afrika eine tragische Vergangenheit erlebt hat, organisieren seine Stäbe im Hintergrund, wie die Entwicklungsländer im Rahmen der Doha-Runde der Welthandelsorganisation noch weiter als bisher aufgebrochen werden können, um neben den mineralischen und pflanzlichen Sourcen auch das menschliche Leistungspotential besser verwerten zu können; dazugehört auch Afrika als Absatzraum für Produkte aus den Wohlstandsräumen zu nutzen. Dabei wird die technologische Führerschaft des Westens niemals aus der Hand gegeben, die Abhängigkeit der afrikanischen Gesellschaften vom Segen der Hightech-Länder des Nordens soll stets gewahrt bleiben.

Wenn Obama in seiner Rede Korruption und Vetternwirtschaft in afrikanischen Regierungen kritisiert, dann übersieht er dabei, daß die viel größere Bereicherung ganz woanders stattfindet. Sie ist strukturell angelegt und wird verharmlosend "Welthandel" genannt. Sie hat zum Ergebnis, daß Afrika bloßer Ressourcenkontinent bleibt und beim Handel in der Regel den schlechteren Schnitt macht.

Der Westen hat Afrika häufig von oben herab behandelt, räumte Obama vermeintlich ein. Aber der Westen sei nicht für die Zerstörung der simbabwischen Wirtschaft im Verlauf der letzten zehn Jahre oder dafür, daß Kinder als Kämpfer rekrutiert werden, verantwortlich.

In beidem irrt der US-Präsident. Die simbabwische Regierung unter Präsident Robert Mugabe ist zwar alles andere als ein Sympathieträger, aber es stimmt nicht, daß der Westen nicht an der Zerstörung der Wirtschaft des Landes beteiligt war. Denn die USA und die EU haben Sanktionen gegen die Regierung verhängt, was sich selbstverständlich negativ auf ihre Arbeit ausgewirkt hat und noch heute auswirkt. Die Funktion der Sanktionen besteht ausdrücklich darin, die Regierung unter massiven Druck zu setzen. Das bedeutet aber, daß sie geschwächt wird, was wiederum potentiell der Wirtschaft schadet.

Damit soll nicht behauptet werden, daß die simbabwische Regierung keinerlei Mitverantwortung für die desolate Lage des Landes trägt, aber wenn ein US-Präsident den Anteil seines Landes am wirtschaftlichen Niedergang eines anderen Landes leugnet, sollte das durchaus angemerkt werden. Zudem läßt Obama unerwähnt, daß der Westen durch die umfangreiche Unterstützung des Oppositionsbündnisses MDC (Movement for Democratic Change) die Spaltung der simbabwischen Gesellschaft vertieft hat. Und daß die simbabwische Regierung keine Kredite mehr auf dem Weltmarkt erhalten hat und sich deshalb Ländern wie Libyen und China zugewandt hat, geht ebenfalls nicht unwesentlich auf westliche Einflußnahme zurück.

Auch bei seinem zweiten Beispiel blendet Obama die Machenschaften der US-Regierung aus. Diese hatte über viele Jahre hinweg in einem der längsten und verlustreichsten Konflikte des Kontinents eine Seite jener Auseinandersetzung unterstützt und sich dabei unter anderem der ugandischen Regierung bedient. Die Rede ist vom Sudan-Konflikt, und zwar nicht die aktuelle Variante in Darfur, sondern die Nord-Süd-Auseinandersetzung. Christliche Hilfsorganisationen unter anderem aus den USA, aber auch Washington selbst, haben die südsudanesische Befreiungsarmee (SPLA) unterstützt, während diese gegen die Regierungssoldaten gekämpft hat. In der westlichen Berichterstattung wurde das Bild von den armen christlichen Rebellen im Kampf gegen die finsteren Muselmanen aus dem Norden gezeichnet. Erst als der Konflikt in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts zu Ende ging, wurde bekanntgegeben, daß die SPLA viele tausend Kinder rekrutiert hatte. Die Ausrede der SPLA-Führung, daß dies nur Waisenkinder seien, deren Eltern von den (finsteren, muslimischen) Regierungssoldaten getötet worden waren, konnte durchsichtiger nicht sein.

Demnach haben die USA Milizen unterstützt, die im großen Maßstab Kinder für sich kämpfen, arbeiten oder sonstige häßlichen Dienste verrichten lassen haben. Von der Unterstützung Ruandas durch die USA und die mehrmalige Invasion der ruandischen Armee ins Nachbarland DR Kongo oder die wiederum von Ruanda betriebene Unterstützung kongolesischer Kindersoldaten ganz zu schweigen.

Im übrigen haben die USA keine Probleme damit, in einem der grausamsten und menschenverachtendesten Regimes wie Äquatorial-Guinea eine Botschaft zu eröffnen und intensive Wirtschaftsbeziehungen aufzubauen. Warum wohl? Nun, in Äquatorial-Guinea gibt es reichlich Erdöl. So viel zum Thema "Obama und moralische Werte" ...

Wenn Obama in seiner Rede erklärt, daß die Verpflichtung Amerikas und des Westens gegenüber Afrika nicht mehr nur nach ausgegebenen Dollar gemessen werden sollte, stellt sich sofort die Frage, ob das jetzt die nachträgliche Rechtfertigung dafür sein soll, daß die Entwicklungshilfe für eine Reihe von Ländern zurückgenommen wurde. Jedenfalls sieht Obama das "wahre Zeichen für Erfolg" nicht darin, wenn die USA als Quelle für Hilfe dienen, durch die die Menschen mal so eben über die Runden kommen, sondern ob man Partner im Aufbau der Kapazität für einen Transformationsprozeß ist.

Angesichts dessen, daß das Welternährungsprogramm WFP erst vor kurzem einen dringenden Appell an die Geberländer gerichtet hat, sie möchten unmittelbare Hilfe leisten, ansonsten drohten viele Millionen Menschen in Armut zu fallen und nochmals viele Millionen würden dem Hunger überantwortet, klingt die Ankündigung Obamas, weniger Hilfe zu leisten, damit die Leute über die Runden kommen, sondern statt dessen einen Transformationsprozeß anzustoßen, bitter.

Hinzu kommt, daß nach Ansicht des US-Präsidenten "der Genozid in Darfur" und die "Terroristen in Somalia" nicht einfach afrikanische Probleme sind, sondern "globale Sicherheitsherausforderungen", die eine globale Antwort erfordern. Bedeutet das etwa, daß Obama die Politik seines Vorgängers fortsetzen und beispielsweise somalische Eselkarawanen und Dörfer bombardieren lassen will - im Namen der "globalen Herausforderung" des Konflikts?

Die Aufforderung an die Länder Afrikas, ihre Probleme selbst in Angriff zu nehmen, erweist sich als verkappte Aussage, daß sie nicht mehr wie bisher auf die Hilfe aus den USA setzen können. Selbstverständlich würde Obama dies niemals beim Namen nennen. Das wird dann als Hilfe zur Selbsthilfe oder Übernahme von mehr Eigenverantwortung seitens der Afrikaner ausgewiesen. Dagegen spräche erst dann überhaupt nichts, wenn Afrika tatsächlich nicht mehr im Rahmen einer Weltordnung als bloßer Ressourcenkontinent fungierte, an der kontinuierlich seit Beginn der Sklaverei gearbeitet würde.

Anmerkungen:

[1] Alle Zitate aus der Rede Obamas übersetzt nach: Huffington Post, 11. Juli 2009
http://www.huffingtonpost.com/2009/07/11/obama-ghana-speech-full-t_n_230009.html

13. Juli 2009