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AFRIKA/1859: Vermutlich extralegale Hinrichtung des Boko Haram-Anführers (SB)


Nigerias Sicherheitskräfte maßgeblich für Blutbad verantwortlich

Mehr als 700 Menschen bei Schußwechseln mit muslimischer Glaubensgemeinschaft umgekommen

Mohammed Yusuf in Polizeigewahrsam erschossen


Mohammed Yusuf, Anführer der nigerianischen Glaubensgemeinschaft Boko Haram, wurde in Polizeigewahrsam erschossen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat jetzt eine Untersuchung des Vorfalls verlangt. Nachdem die nigerianische Polizei zunächst eingeräumt hatte, daß der muslimische Führer gefangen und dann erschossen wurde, und später die Erklärung abgegeben wurde, er sei auf der Flucht erschossen worden, wird nun die Version vertreten, er sei in seinem Hauptquartier in der Stadt Maiduguri bei einem Schußwechsel mit der Polizei ums Leben gekommen. [1]

Letzteres wirkt unglaubwürdig, denn es gibt keinen plausiblen Grund, warum sich die Polizei zunächst damit brüsten sollte, Mohammed Yusuf getötet zu haben, nur um dann, wenn hier und da die Forderung nach einer Untersuchung der mutmaßlich extralegalen Hinrichtung erhoben wird, eine andere Version des Tathergangs zu präsentieren, durch die dem Opfer die Schuld an seinem Tod zugelastet wird. Im übrigen haben Journalisten den Gefangenen, der unverletzt schien und stehen konnte, auf einem Militärgelände in Maiduguri gesehen. [2]

Möglicherweise haben die anfänglich triumphal auftretenden nigerianischen Sicherheitskräfte wie selbstverständlich angenommen, daß für sie bei der Verfolgung der "nigerianischen Taliban" keine anderen Rechte gelten als für die US-amerikanischen Soldaten, wenn sie zur Jagd auf die afghanischen Taliban blasen. Denn extralegale Hinrichtungen sind in Afghanistan und Pakistan an der Tagesordnung und werden in einem solch großen Ausmaß durchgeführt, daß sie durch den Gewohnheitseffekt den Anschein von Legalität erwecken. Fliegende Kampfroboter der Amerikaner greifen überfallartig Dörfer in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion an und pulverisieren Häuser samt ihren Bewohnern. Wer auch immer dabei umkommt, wird als Taliban bezeichnet - oder als bedauerlicher Kollateralschaden, wobei es sich dann selbstverständlich um ein "menschliches Schutzschild" gehandelt hat, hinter dem sich die bösen Taliban angeblich verschanzt haben.

Wundert es da noch, daß auch Nigerias Polizei anfangs unumwunden zugab, daß Mohammed Yusuf in ihrem Gewahrsam erschossen wurde? Inzwischen wurde auch die Zahl der Opfer der ab dem 26. Juli in vier nigerianischen Bundesstaaten ausgetragenen Kämpfe gegen die Boko Haram nach oben korrigiert. Nicht "mehr als 300" [3], sondern über 700 Menschen verloren demnach ihr Leben.

Man kann nicht sagen, daß die nigerianischen Soldaten und Polizisten jemals sanft mit unliebsamen Personen und Gruppierungen umgesprungen wären. Die unverhohlene Tötung eines muslimischen Anführers in Polizeigewahrsam deckt sich jedoch mit einer global festzustellenden Verrohung der Sitten, einschließlich der wachsenden Folterakzeptanz, der staatlichen Gewalt im globalen Krieg gegen den Terror.


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Anmerkungen:

[1] "Rights Group Demands Probe into Nigerian Sect Leader's Death", 31. Juli 2009
http://www.globalsecurity.org/military/library/news/2009/07/mil-090731-voa08.htm

[2] "Leader of 'Nigerian Taliban' Killed In Police Custody", 31. Juli 2009
http://www.rferl.org/content/Leader_of_Nigerian_Taliban_Killed_In_Police_Custody/1789800.html
veröffentlicht auf der Website:
http://www.globalsecurity.org/military/library/news/2009/07/mil-090731-rferl02.htm

[3] Siehe AFRIKA/1855: Nigeria - Bomben auf Boko-Haram-Gemeinschaft (SB)

5. August 2009