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AFRIKA/1860: AGOA - US-Wirtschaftsförderung dient Ressourcensicherung (SB)


US-Programm für Wirtschaftswachstum in Afrika verschleiert die Plünderung

Zollfreier Export von Afrika in die USA fast nur für unverarbeitete Rohstoffe


Es hat sich nichts geändert und es wird sich auch nichts ändern - AGOA, das US-amerikanische Förderprogramm für Wirtschaftswachstum in Afrika, hält nicht, was seine Protagonisten versprechen. Initiiert wurde das African Growth and Opportunity Act vor neun Jahren. Mit ihm sollte der Handel zwischen den USA und den Subsaharastaaten entwickelt werden, indem diesen ein zollfreier Zugang für bestimmte Produkte in einer bestimmten Menge zum US-Markt eingeräumt wird. Aus afrikanischer Sicht erwies sich das Projekt mit wenigen Ausnahmen als Schlag ins Wasser, denn die Möglichkeit, rund 6400 Produkte aus dem zollfreien AGOA-Warenkorb auszuführen, wird von den afrikanischen Regierungen gar nicht im vollen Ausmaß in Anspruch genommen.

Zudem wurden Freihandelszonen eingerichtet, in denen ausländische Unternehmen zu erstklassigen, meist steuer- und pachtfreien Konditionen für den US-Markt produzieren lassen. Die Arbeitsbedingungen in den Betrieben sind teils verheerend. Viele Frauen, die sich in ökonomischer Not befinden und angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in ihrer Region froh sein müssen, überhaupt Geld verdienen zu können, sprechen von sexueller Belästigung durch ihre Vorarbeiter. Arbeiterinnen und Arbeiter wurden auch schon mal in der Fabrik eingeschlossen, wenn ein Auftrag erledigt werden soll, und wer sich bei der Arbeit verletzt oder aus anderen gesundheitlichen Gründen aussetzen muß, verliert seinen Job. Es gibt keinen geregelten Arbeitsschutz, und es warten viele, die einen freiwerdenden Arbeitsplatz einnehmen.

Wenn man sich anschaut, welche Waren in die USA exportiert werden, wird erkennbar, zu wessen Nutzen die AGOA-Initiative eingerichtet wurde. Nur drei Prozent der US-Importe im Wert von 56 Milliarden Dollar (2008) stammen aus den 39 AGOA-berechtigten Staaten Afrikas, und von diesen drei Prozent entfallen 92 Prozent auf Erdöl aus Nigeria und Angola, weitere vier Prozent auf Erdöl aus anderen Ländern. Das heißt, die USA beziehen Erdöl aus Afrika und nennen es "Afrikanisches Programm für Wachstum und Möglichkeiten". Die Förderung von Erdöl schafft jedoch kaum lokale Arbeitsplätze, die Ölgesellschaften bringen ihre Fachkräfte mit. Es entsteht auch keine lokale Zulieferindustrie, da die Förderanlagen Spezialanfertigungen sind, die nur im Ausland hergestellt werden können. Die Ölförderung in Afrika stellt nicht nur in ökologischer, sondern auch ökonomischer Hinsicht ein Fremdkörper in der jeweiligen Volkswirtschaft dar.

Selbst bei den restlichen vier Prozent an Waren, die nichts mit Erdöl zu tun haben und auf der Basis der AGOA-Initiative in die USA ausgeführt werden, nehmen größere Industriebetriebe, die sich mitunter in ausländischer Hand befinden, sowie natürliche Ressourcen und nicht etwa weiterverarbeitete Produkte den Löwenanteil ein. Da zwei Drittel der afrikanischen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind und Subsistenzwirtschaft betreiben, haben sie so gut wie keine Vorteile aus der AGOA-Initiative. [1]

Umgekehrt subventionieren die USA ausgerechnet die eigene Landwirtschaft so hoch, daß US-Farmer ihre Produkte in Wettbewerb zu den preiswerter produzierenden afrikanischen Bauern auf dem Weltmarkt anbieten können. Während viele landwirtschaftliche Produkte aus Afrika, hier ist vor allem an Baumwolle zu denken, da deren zollfreier Export in die USA in Konkurrenz zu den dortigen Baumwollfarmern steht, von der Zollfreiheit ausgenommen sind. AGOA-Produkte, die den amerikanischen Markt erreichen, unterliegen strengen Qualitätsstandards; die Anbieter müssen langwierige Verwaltungsvorgänge absolvieren, bis sie in die USA exportieren dürfen.

Auf dem vom 4. bis 6. August in Nairobi abgehaltenen AGOA-Forum, zu dem auch US-Außenministerin Hillary Clinton angereist war, fordern deshalb afrikanische Politiker wie Erastus Mwenche, Vizepräsident der Afrikanischen Union und ehemaliger Generalsekretär der COMESA, des gemeinsamen Marktes für das Östliche und Südliche Afrika, daß die USA erstens die AGOA-Vergünstigungen über 2015 hinaus weiterbetreiben und daß die Zugangsbedingungen erleichtert werden. [2] Bislang hat die US-Regierung noch keine verbindliche Aussage getroffen, ob und falls ja, in welcher Form AGOA über 2015 hinaus weitergeführt wird. Das bedeutet jedoch, daß viele Unternehmen keine langfristigen Investitionen in den AGOA-berechtigten Ländern tätigen. [3]

Die aktuelle Wirtschaftskrise besitzt fundamentale Auswirkungen auf den Handel nach AGOA-Richtlinien. Im ersten Quartal dieses Jahres brachen die AGOA-Importe der USA um 59 Prozent ein. [4] Auf dem AGOA-Forum in Nairobi wurde viel über Perspektiven und Chancen, die der Handel birgt, sowie nicht ergriffene Gelegenheiten seitens der afrikanischen Staaten diskutiert. Dabei wurde außer Acht gelassen, daß die afrikanischen Staaten, sollten sie sich noch mehr als bisher "anstrengen" - was, salopp gesagt, darauf hinausläuft, daß sie die Arbeitskraft noch tiefer unterhalb von Schleuderpreisen verhökern als bisher -, Entwicklungsländer in anderen Weltregionen ausstechen, so daß dort der Handel mit den USA einbrechen und zur Verarmung der dortigen Bevölkerung beitragen wird.

Aus diesem Grund und wegen der einseitigen Ausrichtung der AGOA-Zollfreiheit für unverarbeitete Rohwaren wie insbesondere Erdöl wäre zu fragen, ob die afrikanischen Gesellschaften nicht besser fahren, wenn sie behutsam, Schritt für Schritt, begännen, sich vom Diktat der Exportausrichtung zu befreien. Denn die permanente Ausfuhr von unverarbeiteten Rohwaren hat zur Folge, daß Afrika bloßer Ressourcenkontinent bleibt und eine auf die Bewältigung überlebenswichtiger Probleme der Einwohner ausgerichtete Wirtschaftsentwicklung systematisch im Keim erstickt wird.


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Anmerkungen:

[1] "Africa: Relax Trade Rules, U.S. Urged", UN Integrated Regional Information Networks, 5. August 2009
http://allafrica.com/stories/200908050836.html

[2] "Africa seeks amendments to AGOA deal", Xinhua, 5. August 2009
http://news.xinhuanet.com/english/2009-08/05/content_11830178.htm

[3] "Africa: Continent Wants U.S. to Review Agoa Pact", Business Daily (Nairobi), 5. August 2009
http://allafrica.com/stories/200908050632.html

[4] "Kenya: AGOA Gains 'Overrated', New Report Reveals", The Nation (Nairobi), 2. August 2009
http://allafrica.com/stories/200908030839.html

6. August 2009