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AFRIKA/1863: Kleinbauern protestieren gegen Landraub (SB)


Von Verheißungen wird niemand satt

US-Außenministerin Hillary Clinton bereist Afrika


Es gehört inzwischen zum guten Ton von westlichen Politikerinnen und Politikern, eine Förderung der afrikanischen Kleinbauern anzumahnen. Mit Verweis auf vereinzelte Vorzeigeprojekte, in denen sich westliche Regierungen, Unternehmen oder zivilgesellschaftliche Einrichtungen engagieren, wird behauptet, daß die dort erbrachten Ergebnisse lediglich auf andere Verhältnisse übertragen werden müßten, dann klappte es auch mit der Landwirtschaft. Aber ist es nicht merkwürdig, daß die Kleinbauern selbst, um deren Wohl das westliche Interesse angeblich allein ausgerichtet ist, von der "vielen" Hilfe noch gar nichts mitbekommen haben und ärmer sind denn je?

Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit, davon die meisten Kleinbauern, leiden chronisch Hunger. Auf der anderen Seite kaufen oder pachten Investoren gegenwärtig mit einer Geschwindigkeit landwirtschaftliche Fläche in Afrika, als ginge es um die letzten Ressourcen der Erde. Vielleicht geht es tatsächlich darum. Die Preisexplosion für Lebensmittel im Zeitraum 2007/2008 hat an den Tag gebracht, was ansonsten verdeckt gehalten wird: Jahr für Jahr sterben viele Millionen Menschen, weil sie nicht genügend zu essen haben.

Eine Reihe von Staaten hatte im Zuge der Preisexplosion angefangen, Getreidexporte zu unterbinden, eigene Vorräte anzulegen und landwirtschaftliche Flächen in anderen Weltregionen zu erwerben. Da annähernd zeitgleich mit der Preissteigerung für Nahrung auch die Weltmarktpreise für Erdöl anzogen, erlebte die Produktion von Sprit aus Pflanzen als Ersatz für fossile Brennstoffe einen Boom. Das hat den Run auf Agrarflächen noch verstärkt.

In der Politik gehört es ja inzwischen zum guten Ton, auf solche mutmaßlichen Mißstände zu verweisen ... um Mißstände handelt es sich jedoch überhaupt nicht, denn das unterstellt demgegenüber einen Normalfall. Aber auch 850 Millionen Hungernde, wie sie vor der globalen Explosion der Getreidepreise existierten, sind inakzeptabel! Politiker lamentierten erwartungsgemäß erst zu dem Zeitpunkt über die Not der Hungernden, nachdem es in mehreren Dutzend Ländern zu Hungerunruhen kam und plötzlich deutlich wurde, daß Regierungen, die sich zuvor sicher wähnten, gefährdet sind und gestürzt werden können. Da wurde auf einmal großspurig Abhilfe beschworen.

Wenn US-Außenministerin Hillary Clinton auf ihrer großen Afrikrarundreise wohlfeil klingende Ansprachen hält und die Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung statt Nahrungsmittelhilfe als neue Außenpolitik der Obama-Administration ausweist, dann läßt sie selbstverständlich nicht aus, was die afrikanischen Staaten hören wollen, nämlich daß das Kleinbauerntum die wirtschaftliche Grundlage der afrikanischen Gesellschaft ist und unterstützt gehört. Dann sagt sie Sätze wie: "Wenn man keine Landwirtschaft betreibt, hat man nichts zu essen, und das ist das wichtigste Ziel jeder Gesellschaft." [1]

Solche Allgemeinplätze sollen anscheinend darüber hinwegtäuschen, daß die USA eine Monopolstellung in der gentechnisch veränderten Landwirtschaft anstreben und daß Afrika in dieser Hinsicht noch voller weißer Flecken ist, die von Konzernen wie Monsanto erobert werden sollen. Eben dieser Anspruch versteckt sich in Erklärungen Clintons wie, daß neue Bewässerungstechniken und die Verteilung dürreresistenter Saaten genauso wichtig sind wie der Marktzugang, um selbst für die kleinsten Bauern Nachhaltigkeit sicherzustellen. "Dürreresistentes Saatgut" ist in der Lesart der Obama-Administration austauschbar mit "gentechnisch verändert". Und wenn Clinton die Bedeutung des Marktzugangs relativiert, wendet sie sich damit gegen die wiederholte Kritik der afrikanischen Staaten an den Importbeschränkungen der USA insbesondere für Agrarprodukte.

Was sagen die Kleinbauern dazu? Erst vor rund zwei Wochen hat die Eastern African Farmers Federation, die Vereinigung von Kleinbauern aus rund ein Dutzend ostafrikanischen Ländern (Burundi, DR Kongo, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Komoren, Ruanda, Somalia, Sudan, Tansania und Uganda), bei einem dreitägigen Treffen in Arusha in aller Deutlichkeit erklärt, daß ihre Existenz durch größere Landwirtschaftsbetriebe gefährdet ist und daß ein Landraub quer durch Afrika stattfindet. Beides bedrohe die Nahrungssicherheit. "In den letzten zwei Jahrzehnten erleben wir einen Rückgang an Unterstützung sowohl seitens der Regierungen als auch der Entwicklungshilfe, wodurch die Nahrungsunsicherheit und Armut auf dem Kontinent zunimmt", erklärte der Vorsitzende der Kleinbauernvereinigung, Philip Kiriro. [2] Kongreßteilnehmer berichteten, daß die Kleinbauern regelmäßig von ihrem Land vertrieben werden und dort anschließend für den Export angebaut wird anstatt für die Nahrungsversorgung der eigenen Bevölkerung.

An dieser Entwicklung sind häufig die eigenen Regierungen, Kommunalbeamte oder örtliche Chiefs beteiligt. Sie bieten sich den ausländischen Unternehmen als Steigbügelhalter für Landraub und die Umwidmung des landwirtschaftlichen Anbaus auf Exportprodukte an. Indem die USA die Förderung der landwirtschaftlichen Strukturen - Stichwort: Hilfe zur Selbsthilfe - anstatt die "bloße" Lieferung von Nahrung als Entwicklungshilfe preisen, greifen sie eine Forderung von Nichtregierungsorganisationen auf. Es steht zu befürchten, daß die afrikanischen Kleinbauern nur deshalb gefördert werden sollen, damit sie so intensiv wirtschaften, daß die Früchte ihrer Arbeit ebenfalls in den Export fließen.

Wie oft haben die relativ wohlhabenden Staaten versprochen, Armut und Hunger in Afrika beenden zu wollen! Das jüngste Ziel, das sie sich gesetzt haben, die Halbierung der Zahl der Hungernden bis 2015, stellt bereits eine abgespeckte Version ursprünglicher Absichten, den Hunger komplett aus der Welt zu schaffen, dar. Dieses sogenannte Millenniumsziel wird nicht nur verfehlt, die Zahl der Hungernden wird in den nächsten sechs Jahren sogar noch zunehmen.


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Anmerkungen:

[1] "Africa: Clinton Backs Agricultural Development", Inter Press Service (Johannesburg), 11. August 2009
http://allafrica.com/stories/200908110345.html

[2] "Africa: Peasants Outcry Land-Grabbing", Arusha Times (Arusha), 8. August 2009
http://allafrica.com/stories/200908101400.html

11. August 2009