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AFRIKA/1872: USA setzen Kenia mit Hilfe des IStGH unter Druck (SB)


Ein Wahlbetrug und seine Folgen

Hillary Clinton droht Kenia mit dem Internationalen Strafgerichtshof

Weitere Unruhen zu erwarten


Bislang hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag nur gegen Personen aus Afrika Ermittlungen wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen aufgenommen und sich damit dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt. Zumal das Gericht mit seiner Arbeit vorhandene Konflikte sogar noch verschärft hat. So geschehen in Sudan und in Uganda. In Sudan wurde mit Omar al-Bashir erstmals ein amtierender Staatspräsident vom IStGH angeklagt, was allerdings von einer Reihe afrikanischer Staatsführer abgelehnt wird. Das Für und Wider spaltet die Afrikanische Union. In Uganda wurden gegen den berüchtigten Anführer der Milizenorganisation LRA (Lord's Resistance Army), Joseph Kony, und drei seiner Stellvertreter Internationale Haftbefehle ausgestellt. Dadurch wurde ein laufender, sehr mühseliger Friedensprozeß zunichte gemacht. Kony blieb von vornherein von den Friedensverhandlungen fern, da er wohl zurecht befürchtete, er könne in eine Falle gelockt werden. Seine Bande marodiert weiterhin in den Grenzgebieten von Uganda, Demokratische Republik Kongo und Südsudan. Dafür trägt der IStGH, das die Internationalen Haftbefehle trotz vielfacher Bitten aus der Bevölkerung Ugandas nicht zurückgezogen hat, eine Mitverantwortung.

Nun erwägt das Den Haager Gericht, gegen die mutmaßlichen Anstifter der monatelangen Unruhen in Kenia nach den umstrittenen Wahlen von Dezember 2007 an vorzugehen. Die später von Regierung und Opposition gebildete Einheitsregierung hatte zwar zwischenzeitlich die Einrichtung eines eigenen Tribunals zur Aufklärung des damaligen Konflikts, der schätzungsweise 1500 Menschen das Leben gekostet hat, beschlossen, Ende Juli jedoch davon Abstand genommen. Begründet wurde dies damit, daß die Vorfälle von der bereits bestehenden Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Versöhnungskommission aufgearbeitet werden können und daß für alle weitere Untersuchungen die herkömmlichen Gerichte genügen.

Als US-Außenministerin Hillary Clinton Anfang August ihre Afrikarundreise in Kenia begann, drohte sie der kenianischen Regierung mehr oder weniger unverhohlen mit Konsequenzen, sollte sie sich weigern, die Vorfälle aufzuklären. Clinton brachte ihr Bedauern zum Ausdruck, daß die Vereinigten Staaten den IStGH nicht anerkannt haben. Ungeachtet dessen kritisierte sie die afrikanischen Staatschefs, die sich gegen die Auslieferung al-Bashirs an den IStGH aussprachen. Zeitgleich mit Clintons Erklärungen wurde in Kenia eine Stellungnahme der US-Regierung veröffentlicht, in der sie sich massiv in die inneren Angelegenheiten Kenias einmischte, indem sie behauptete, daß die "bloße Einrichtung eines Mechanismus innerhalb der bestehenden Rechtsstruktur in den Augen des kenianischen Volkes und der internationalen Gemeinschaft kein glaubhafter Ansatz" ist. Sollte es Kenia versäumen, die volle Verantwortung in dieser Sache zu übernehmen, sei der politische Wille, fundamentale Reformen durchzuführen, ernsthaft in Frage gestell, hieß es weiter.

Internationale Beobachter gehen fest davon aus, daß der damalige und heutige Präsident Mwai Kibaki eigentlich verloren und somit vom Wahlbetrug profitiert hat. Nach dem Ausbruch von Unruhen zwischen Oppositionellen und Regierungsanhängern und zähen Verhandlungen, die vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan geleitet wurden, kam schließlich eine Einheitsregierung zusammen. Für Raila Odinga, den Anführer der Opposition, wurde eigens der Posten eines Premierministers geschaffen. Alles in allem gilt das jetzige Kabinett als viel zu groß.

Nun hat Kofi Annan der kenianischen Regierung eine Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder ihr richtet ein Sondertribunal ein, so daß die entscheidenden Personen zur Verantwortung gezogen werden, oder das IStGH wird eine Liste mit den Namen der Verdächtigen erhalten. Es wird vermutet, daß dem Gericht vor kurzem ein Umschlag mit entsprechendem Inhalt übergeben wurde.

Sollte, abgesehen von Hillary Clinton und Kofi Annan, vor allem der IStGH-Vorsitzende Luis Moreno-Ocampo darauf drängen, daß, wenn Kenia kein eigenes Tribunal einrichtet, er eigene Ermittlungen in die Wege leitet, muß man damit rechnen, daß die Verdachtspersonen Vorbereitungen treffen werden, um sich zu schützen. Das dürfte auf weitere Unruhen hinauslaufen.

Es spricht nichts dagegen, wenn selbst Staatsführer keine Immunität genössen und für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Gleiches Recht für alle. Aber dieses Leitmotiv der Rechtsprechung in Demokratien wird offensichtlich mißachtet, da das Den Haager Gericht nur Afrikaner zur Rechenschaft zieht, nicht aber westliche Staatsführer wie beispielsweise den früheren britischen Premierminister Tony Blair, da er mit Hilfe von Lügenmärchen sein Land in den Irakkrieg hineingezogen, oder George W. Bush, der zwei Kriege, die noch immer nicht abgeschlossen sind, vom Zaun gebrochen hat. Oder die vielen mehr oder weniger wichtigen Beteiligten an den kriegerischen Machenschaften der NATO, nachdem sie den Bündnisfall ausgerufen hat.

Ein Gericht wie der IStGH könnte theoretisch bewirken, daß sich auch hochrangige Politiker und Regierungschefs künftig davor hüten müssen, Menschenrechtsverletzungen anzuordnen oder zu dulden. Solange jedoch dort nur über einen Teil der Welt zu Gericht gesessen wird, erfüllt der IStGH die Funktion eines Herrschaftsinstruments, das gegen die Länder des Südens an die Front gebracht wird - ohne Rücksicht auf Verluste in der Bevölkerung. Die wird es wieder geben, sollten kenianische Politiker Unruhen anzetteln, um von einer Verfolgung durch das Gericht abzulenken.

3. September 2009