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AFRIKA/1875: Laut NGCTDC übertrieben Darfur-Rebellen die Zahl der Opfer (SB)


Tricks und Täuschungen

Angebliche Rebellen aus Darfur gestehen, daß sie die Regierung Sudans mit übertriebenen Opferzahlen ins schlechte Licht gerückt haben


Am Dienstag ist eine Gruppe von angeblichen Rebellen aus der westsudanesischen Provinz Darfur an die Öffentlichkeit getreten und hat erklärt, daß sie die Zahlen über die Opfer des dort mutmaßlich stattfindenden Genozids stark übertrieben hat. Waren beispielsweise zehn Personen umgekommen, so wurden daraus einhundert bis zweihundert Tote gemacht, die dann der Regierung in die Schuhe geschoben wurden, erklärte Salah al Din Mansour, der eigenen Angaben zufolge als Übersetzer für westliche Beobachter gearbeitet und ihnen die falschen Zahlen übermittelt hat. "Wir pflegten die Zahlen über Ermordungen und Vergewaltigungen zu übertreiben", sagte er laut einem Al Jazeera-Bericht. [1] Und falls die Janjawid ein bestimmtes Dorf angegriffen hatten, baten sie die Bewohner zu behaupten, daß Regierungssoldaten mit ihren Land Cruisern beteiligt gewesen waren, um so die Regierung mit in die Stammeskämpfe hineinzuziehen. Des weiteren behauptet die Gruppe, daß ihr Falschaussagen dazu beigetrugen, eine Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den amtierenden sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir aufzubauen.

Das Anliegen der Rebellen, die die National Group for Correcting the Track of Darfur Crisis (NGCTDC) gegründet und sich am 8. September in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba der Presse vorgestellt haben, besteht, wie der Name des Zusammenschlusses schon besagt, darin, den Darfurkonflikt zu beenden.

Der in Den Haag ansässige IStGH hatte im März einen internationalen Haftbefehl gegen al-Bashir wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt, nicht jedoch wegen Genozid, da es nach Ansicht des Gerichts dafür keine ausreichende Belege gab. Al-Bashir hat die Vorwürfe zurückgewiesen und erkennt den IStGH nicht an. Zudem hat er als Reaktion auf den Haftbefehl dreizehn internationale und drei örtliche Hilfsorganisationen aus Darfur verwiesen, weil sie angeblich mit dem IStGH zusammenarbeiteten. Dieser Vorwurf wird wiederum von den Hilfsorganisationen zurückgewiesen. Später durften einige Gruppen ihre Tätigkeit erneut aufnehmen.

Über die Zahl der Opfer in Darfur wird seit langem heftig gestritten. Während die sudanesische Regierung behauptet, daß seit Beginn des Aufstands 2003 in Darfur nur 10.000 Einwohner umgekommen sind (was nicht minder inakzeptabel ist), gehen die Vereinten Nationen von 300.000 Toten - allerdings nicht allein Gewaltopfer - und 2,7 Millionen Vertriebenen aus, wohingegen Anti-Sudan-Aktivisten aus den USA mit Zahlen von teils über eine Million Toten hausieren gehen.

Die größte Plausibilität kommt den UN-Angaben zu, da die Hilfsorganisationen tagtäglich mit den Flüchtlingen zu tun haben und sie in einer Reihe von Lagern innerhalb und außerhalb Darfur versorgen. Zudem ist zu erwarten, daß Khartum die Zahl der Opfer untertreibt und die Anti-Sudan-Aktivisten zu hoch greifen.

Der Auftritt der NGCTDC kommt der sudanesischen Regierung äußerst gelegen. Die regierungsnahe Presse [2] [3] berichtet genüßlich über den Auftritt der friedenswilligen Rebellen aus Darfur. Doch welche Gewähr gibt es, daß sie "echt" sind? Welche Regierung würde zur Reinwaschung ihres Präsidenten darauf verzichten, "falsche" Rebellen in dieser Form zu präsentieren? Yahia Bolad, Sprecher der Sudan Liberation Movement (SLA) in Darfur, erklärte [1], daß diese Leute nicht zu den sudanesischen Rebellengruppen gehörten und ihre Behauptungen fabriziert worden seien.

Aber auch hier muß gefragt werden: Welche Rebellenorganisation in Darfur würde darauf verzichten, die Erklärungen der NGCTDC zu bestreiten? Der mutmaßliche Völkermord in Darfur ist das wichtigste Pfund der Aufständischen. Der Darfur-Konflikt reicht sehr weit vor 2003 zurück, aber erst als in der westlichen Presse von Völkermord die Rede war und sich dieser Vorwurf passend gegen die muslimische, eng mit China kooperierende Regierung instrumentralisieren ließ, wurde das Thema im Westen aufgekocht. Darum könnten die Rebellen befürchten, daß ihr internationaler Rückhalt aufgrund des Auftritts der NGCTDC abnimmt und deshalb die Behauptung der Übertreibung in Frage stellen.

Täuschungen sind in der Politik keine Seltenheit, auch nicht bei den Konflikten in Sudan. Erinnert sei hier nur an den Sklavenhandel, den christliche Organisationen aus der Schweiz und den USA in Südsudan beförderten, indem sie fingierte Sklaven freikauften - ein nicht zu verachtendes Nebeneinkommen für die damals von den USA unterstützten Milizen der SPLA, die sich als Sklavenhändler verkleidet hatten.

So perfide es ist, über die Zahl der Getöteten in Darfur zu feilschen, so kommt man nicht daran vorbei, weil das Resultat weitreichende Konsequenzen mit noch mehr Leid für die Bevölkerung nach sich ziehen kann. Die Zahlen haben mit darüber entschieden, daß die internationale Gemeinschaft Beobachter nach Darfur entsandt hat und daß laufend Druck auf die Regierung in Khartum ausgeübt wird.

Welche Schlußfolgerungen sollten aus dem Auftritt der NGCTDC, ob sie von der Regierung vorgeschoben ist oder nicht, gezogen werden? Erstens sollte der internationale Haftbefehl gegen al-Bashir ausgesetzt werden, solange westliche Regierungschefs, die an den Angriffskriegen gegen Afghanistan und Irak, die auf der nachgewiesenen Basis von Lügen und Fälschungen vom Zaun gebrochen wurden, nicht ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden. Andernfalls setzt sich der IStGH dem Vorwurf aus, ein verlängerter Arm des Westens zu sein. Zweitens sollten sämtliche offenen und verdeckten Einmischungen ausländischer Interessen in Darfur beendet werden. Da dies illusorisch ist, sollten sämtliche Maßnahmen zumindest darauf hinauslaufen, die Einmischungen permanent zu reduzieren. Auf diesem Kurs stellt sich die Frage nach der Authentizität der NGCTDC nicht. Ihr Auftreten könnte somit als willkommener Anlaß genommen werden, festgefahrene Wege zu verlassen und Vorurteile in Verbindung mit dem Darfurkonflikt abzubauen.


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Anmerkungen:

[1] "Darfur groups 'padded' death tolls", Al Jazeera, 10. September 2009
http://english.aljazeera.net/news/africa/2009/09/200991083039170414.html

[2] "Darfuri group says opposed to foreign interference in conflict", Sudan Tribune, 9. September 2009
http://www.sudantribune.com/spip.php?article32397

[3] "Scandal! A Group of Darfur Activists (NGCTDC) Reveals about the Biggest Falsification in Darfur Issue", 9. September 2009
http://www.sudanvisiondaily.com/modules.php?name=News&file=article&sid=49312

11. September 2009