Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/1987: AGRF - Privatisierung als Heilsbringer der Landwirtschaft? (SB)


Wer profitiert von einer grünen Revolution für Afrika?

Afrikanische Staats- und Regierungschefs beraten über Förderung der Landwirtschaft


Erneut steigende Preise für Nahrungsmittel sollen die Menschen in Afrika anscheinend vergessen machen, daß die Grüne Revolution des vergangenen Jahrhunderts keineswegs nur Vorteile brachte. Wenn nun im Vorfeld des vom 2. bis zum 4. September stattfindenden African Green Revolution Forum (AGRF) in Accra, Hauptstadt Ghanas, afrikanische Staats- und Regierungschefs eine weitere grüne Revolution fordern, dann setzen sie anscheinend auf den Versuch einer puren Ertragssteigerung, ohne ausreichend die Konsequenzen der ersten Grünen Revolution zu bedenken. Zwar trifft es zu, daß ab den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Ertragsmengen im Getreideanbau durch die Züchtung und Verbreitung neuer Sorten, durch die drastische Erhöhung der Menge an Pflanzenschutzmitteln und Dünger sowie durch die Verbreitung der Bewässerungswirtschaft deutlich zugenommen haben, aber gleichzeitig führte die grüne Revolution zur Verarmung weiter Teile der marginalisierten Kleinbauern. Des weiteren setzte im Landwirtschaftssektor ein Strukturwandel weg vom Kleinbauerntum und Subsistenzwirtschaft, hin zu industriellen Plantagenanbau ein, und es kam aufgrund des vermehrten Chemieeinsatzes zu ökologischen Schäden. Nicht zuletzt hat die grüne Revolution den Artenverlust im Wildwuchs wie auch unter Kulturarten beschleunigt.

Eine zweite grüne Revolution für Afrika wirkt wie ein riesiger bunter Ballon, welcher der starkem Druck ausgesetzten Landbevölkerung vor die Nase gehalten wird. Er verspricht vieles, ob er aber hält? Er stellt vor allem eine gewisse Leichtigkeit in Aussicht gegenüber den bodenständigen Problemen, denen sich die Bauern in Afrika ausgesetzt sehen. Beispielsweise Landraub, im angloamerikanischen Sprachraum "land grabbing" genannt. Kapitalstarke Investoren aus anderen Ländern kaufen oder pachten im großen Umfang Land in Afrika, um dort Pflanzen für Nahrung oder Biosprit anzubauen. Das findet selbst in Ländern wie Äthiopien statt, wo häufig Millionen Einwohner nicht genügend zu essen haben. Der Landraub geht häufig mit direkter Vertreibung vom Land oder aber Verdrängung einher, bei der beispielsweise Bauern oder Nomaden der Zugang zu einem zuvor von ihnen genutzten Gebiet verwehrt wird und sie Ausweichsgebiete aufsuchen müssen. Auch kommt es nicht selten eine Konkurrenzsituation zwischen Plantagenbetreibern und Kleinbauern hinsichtlich der Nutzung von Wasser.

Landraub ist keine neue Erscheinung. Schon zu Beginn der Kolonialzeit vor über hundert Jahren wurden Bauern von ihrem Land vertrieben. Im früheren Rhodesien beispielsweise, dem heutigen Simbabwe, benötigten die Kolonialherren Arbeitskräfte für den Bergbau, und pferchten die Bevölkerung in Lager, so daß ihnen ein permanentes Pool an frischen Arbeitskräften zur Verfügung statt. Als vor zehn Jahren die simbabwischen Regierung eine Landreform erzwang, bei der die unsäglichen, kolonialzeitlichen Besitzverhältnisse korrigiert werden sollten, wurde sie von der westlichen Wertegemeinschaft verteufelt, und es wurden ihr Hindernisse in den Weg gelegt, die eine Landreform im Sinne der Kleinbauern schwer beeinträchtigten. Die verheerenden Folgen dieser Entwicklung wurden dann ausschließlich der Regierungspartei ZANU-PF und Präsident Robert Mugabe zugelastet. Der war zwar keineswegs unbeteiligt an der Verarmung des Landes in den letzten zehn Jahren, aber in der hiesigen Berichterstattung wird gern die Rolle der von der EU und den USA verhängten Sanktionen und die Verteuerung der Kredite für die Regierung auf dem vom Westen dominierten Geldmarkt unterschlagen. Also: Kein Freibrief für Mugabe und seine Kamarilla, aber sicherlich auch keine Verteufelung im Sinne einer einseitigen Schuldzuweisung. Wie gesagt, in Simbabwe wurden Besitzverhältnisse korrigiert, die auf die Kolonialherrschaft zurückgingen. (Daß die "Korrektur" wiederum zu neuer Reichtumsanhäufung bei wenigen und Marginalisierung vieler führte, soll hier nicht bestritten werden.)

Wenn nun der Vorsitzende des AGRF, der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, im Vorfeld des Forums in einer Stellungnahme an die East African Business Week (EABW) ankündigte, man wolle erreichen, daß die Regierungen die Führung übernehmen und ein Klima schaffen, das zum Wachstum und Gedeihen der Landwirtschaft beiträgt, und sich darum kümmern, daß "der Privatsektor" die Triebkraft wird, die "das Wachstum" sichert, dann knüpft er an die negativen Anteile der Grünen Revolution, die Privatisierung, an.

Der viel beschworene Privatsektor hat bislang noch nicht bewiesen, daß er in der Lage ist, den Kleinbauern dauerhaft zu einer größeren Existenzsicherheit zu verhelfen. Im Gegenteil, häufig hatten Privatisierungen zur Folge, daß das System nur wenigen Bauern Vorteile verschaffte, aber alles in allem die Händler begünstigte. Von dem Plus an Deviseneinnahmen, das den Regierungen aufgrund von Privatisierung beschert wird, kommt meist nichts auf kommunaler Ebene an, so daß ein Staat aufgrund der nächsten grünen Revolution dem Anschein nach bessere makroökonomische Daten verzeichnen wird, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, daß die Vergünstigungen auch vergesellschaftet werden und alle zugute kommen. Privatisierung bedeutet das genaue Gegenteil davon.

Das AGRF wird unter Beweis stellen müssen, daß es nicht die hier angedeutete negative Entwicklung begünstigt und tatsächlich den eigenen Anspruch, den afrikanischen Bauern auf eine umweltfreundliche und nachhaltige Weise zu einem höheren Einkommen verhelfen zu wollen, erfüllt. Skepsis ist angesagt. Die vor einigen Jahren noch vorbehaltlos von Entwicklungsexperten gepriesenen "public-private partnerships" jedenfalls haben nicht das gehalten, was man sich von ihnen versprach.

Darüber hinaus haben jene, die in den achtziger und neunziger Jahren die landwirtschaftlichen Sektoren der Entwicklungsländer mit Strukturanpassungsprogrammen und anderen als "Reformen" ausgewiesenen Verarmungsprogrammen so schwer geschädigt haben, daß Nahrungsmittelexportnationen nicht mehr genügend Nahrung selbst produzieren konnten und zu -importnationen wurden, bis jetzt noch keine zufriedenstellende Analyse ihrer Fehler vorgelegt und es versäumt, entsprechende Schritte zu unternehmen, damit diese Entwicklung nicht noch einmal eintritt.

Wieder einmal wird mit Appellen an die Staats- und Regierungschefs und Forderungen wie der nach einem "action plan" für Afrika der nächste Ballon aufgeblasen, wo doch das laute Platzen des vorherigen noch in den Ohren klingt: 2007/2008 stiegen die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel rapide an; in mehreren afrikanischen Ländern kam es zu Unruhen, weil sich die Menschen die Nahrung nicht mehr leisten konnten. Viele Familien haben sich von zwei, drei Mahlzeiten pro Tag auf nur noch eine Mahlzeit umstellen müssen; Kinder wurden entweder hungrig in die Schule geschickt oder gleich ganz aus der Schule herausgenommen, weil sie unmittelbar zum Überleben der Familie beitragen mußten.

Bis heute wurden keine Maßnahmen ergriffen, durch die dem global vagabundierenden Finanzkapital, das einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an der globalen Hungersnot besaßen und weiterhin besitzen, das Handwerk gelegt würde. Somit zeugt es von einer gehörigen Portion Arroganz, wenn Annan vor diesem Hintergrund abermals der Privatisierung das Wort redet, ist damit doch in der Regel gemeint, Investoren die Aussicht auf gute Geschäfte zu ermöglichen. Der Profit des einen erweist sich aber in der Regel als der Verlust und Mangel des anderen.

In dem 2008 auch in Deutsch erschienenen Weltagrarbericht, an dem rund 400 Wissenschaftler vier Jahre gearbeitet haben, fordern die Autoren, daß nicht eine zweite grüne Revolution angestrebt werden sollte, sondern daß Kleinbauern gefördert werden sollten. Die erzeugten noch immer die Mehrheit der weltweit verbrauchten Nahrungsmenge. Auch die Gentechnik in der Landwirtschaft erhielt von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht den Zuspruch, den sich die Weltbank, die Regierungen unter anderem der USA und Konzerne wie Syngenta versprochen hatten. Der grünen Gentechnik wurde zwar keine völlig Abfuhr erteilt, aber es wurde deutlich gemacht, daß sich diese bisher eher durch Versprechungen denn Resultate hervorgetan hat.

Die von Kofi Annan geleitete AGRA fördert die grüne Gentechnik und arbeitet für das Forum mit dem Chemiekonzern und Düngemittelhersteller Yara International ASA, der Wirtschaftsinitiative New Partnership for Africa's Development (NEPAD Agency), der Standard Bank, der Rockefeller Foundation und dem International Fund for Agricultural Development (IFAD) zusammen. Wenn diese Einrichtungen von Nachhaltigkeit sprechen, muß immer die Frage gestellt werden, was sie damit meinen. Der von der Forstwirtschaft übernommene Begriff wird heute mit allerlei Heilserwartungen verknüpft. Innerhalb eines konkurrenzgetriebenen Wirtschaftssystems ist jedoch das Heil des einen in den seltensten Fällen das Heil des anderen. Wenn also die oben genannten Institutionen, die teils nach wirtschaftlichen Kriterien arbeiten, das Bauerntum fördern wollen, könnte das darauf hinauslaufen, daß der von den Bauern erarbeitete Mehrwert abgegriffen werden soll. Um ein solches Ausbeutungsverhältnis nachhaltig zu gestalten, müssen die Bäuerinnen und Bauern selbstverständlich zu einem gewissen Grad versorgt werden. Ob die Sorge der Organisatoren des Forums um die Bauern der Sorge des Bauern um sein Vieh entspricht oder ob es tatsächlich darum geht, die Landwirte von ökonomischen Außenfaktoren zu entlasten und sie gegenüber natürlichen Bedrohungen zu wappnen, wird das Treffen in Accra zeigen. Jedenfalls sorgte die erste Grüne Revolution im wesentlichen für eine Monokultivierung der Landwirtschaft. Damit gingen befristet Vorteile einher, langfristig hingegen kam es zu kaum zu kompensierenden Schäden. Der Fehler sollte nicht wiederholt werden.


*


Anmerkungen:

[1] "Africa: Annan Calls for Faster Green Revolution", East African Business Week (Kampala), 23. August 2010
http://allafrica.com/stories/201008230982.html

23. August 2010