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AFRIKA/2025: Malaysische Firma Bionas will Jatropha-Öl für Europas Agrospritmarkt produzieren (SB)


Anbau von Jatropha in Afrika, damit in Europa weiter Autos fahren können

Sicherung der auf Mobilität ausgelegten Produktionsverhältnisse in Europa im postfossilen Zeitalter


In den letzten Jahren knüpfen vermehrt asiatische Länder wie China, Indien, Malaysia und Japan Wirtschaftsbeziehungen zu afrikanischen Partnern und eröffnen neue Handelswege in Richtung Osten. Zeitgleich bemüht sich die Konkurrenz aus Europa und den USA um die Bewahrung und den Ausbau ihrer traditionellen Beziehungen zum schwarzen Kontinent. Eine Gemeinsamkeit all dieser Geschäftsinteressen besteht darin, daß Afrika keine Entwicklung vollziehen soll, die es von der Weltwirtschaftsordnung emanzipiert in der Absicht, nicht immer nur als Ressourcenkontinent, billiger Produktionsstandort und allenfalls noch Absatzmarkt für Wertschöpfungsprodukte aus den anderen Weltregionen zu dienen. Hunger und Armut sind in Afrika weit verbreitet, die Verstädterung schreitet in rasender Geschwindigkeit voran. Beide Entwicklungen werden einerseits durch örtliche Profiteure der Weltordnung auf afrikanischem Boden und andererseits ausländischen bzw. institutionellen Interventionen vorangetrieben. So haben die kapitalstarken, einflußreichen Länder mit Hilfe entweder bilateraler Abkommen oder Strukturanpassungsprogrammen der globalen Institutionen IWF und Weltbank jahrzehntelang die Entwicklungsförderung des ländlichen Raums in Afrika verhindert und die Fähigkeit der Staaten, die heimische Wirtschaft zu schützen, hintertrieben. Im Ergebnis wurden viele Staaten Afrikas, die früher Nahrungsexporteure waren, zu -importeuren. Dadurch wurde die Abhängigkeit der afrikanischen Regierungen vom Westen sichergestellt, denn nun mußte die fehlende Nahrung auf dem Weltmarkt gekauft werden, wozu Devisen erforderlich waren, die wiederum häufig nur durch den Export von Rohstoffen aufgebracht werden konnten. Kurzum, die Staaten Afrikas befanden und befinden sich in einer Falle, in der sie immer tiefer hineinzugleiten drohen.

Bei der jüngsten Entwicklung dieses Teufelskreises erwerben oder pachten ausländische Unternehmen und Regierungen Ländereien in Afrika, um dort Pflanzen zur Produktion von Treibstoff oder Nahrung für den Export anzubauen. "Land grabbing" lautet die englischsprachige Bezeichnung für dieser neokoloniale Form der Landnahme bzw. des Landraubs.

Während gegenwärtig in Nordafrika Revolten ausbrechen und Regierungen stürzen, weil die Bevölkerungen die gestiegenen Lebensmittelpreise bitter zu spüren bekommen und es darüber hinaus nicht mehr ertragen, den Repressionen autokratischer Regime und somit den begünstigten Sachwaltern der oben beschriebenen Verwertungsordnung ausgeliefert zu sein, hält der Trend der Landnahme unvermindert an. So hat vor kurzem die malaysische Bionas Group angekündigt, sie wolle noch in diesem Jahr eine Tochterfirma am Londoner Alternative Investment Market (AIM) listen und hierfür 807,5 Millionen US-Dollar einsammeln. Bionas (Bio Oil Nasional) will in Afrika Jatropha-Plantagen anlegen, um schwerpunktmäßig den steigenden Bedarf an Agrosprit in Europa zu decken. [1]

Bionas ist vor rund drei Jahren ins Geschäft mit den ölhaltigen Samen des Buschs Jatropha curcas L. (auch Brechnuß genannt) eingestiegen und hat seitdem zahlreiche Tochterunternehmen in anderen Ländern gegründet. Im November 2010 nahm die hauseigene Fluggesellschaft Bionas Airways ihren Betrieb auf und fliegt seitdem muslimische Pilger auf ihrer jährlichen Hadsch nach Mekka. [2] Palmöl macht nach wie vor den Hauptanteil an Agrosprit aus Malaysia aus, Jatropha zieht jedoch nach. Für die Treibstoffproduktion werden auf dem Inselstaat riesige Flächen tropischer Regenwald gerodet, eine Entwicklung, die auch Afrika bevorstehen könnte, wenn sich Erdöl weiter verteuert, wovon auszugehen ist, und Ersatzstoffe um so attraktiver erscheinen.

Sollte Bionas seine Vorstellungen vom Jatropha-Anbau verwirklichen, würde dies der Landnahme in Afrika einen Schub verleihen. Mit dem üblichen Ergebnis: Wenige Privatpersonen würden sich bereichern, Bauern müßten sich als billige Arbeitskräfte in der Plantagenwirtschaft verdingen, und Regierungen würden Devisen einnehmen, die zu einem erheblichen Anteil in die Begleichung des Schuldendienstes fließen.

Der Anbau von Jatropha und anderen sogenannten Energiepflanzen wird schon seit Jahren propagiert und betrieben. Bislang sieht alles danach aus, als würde dies nicht dazu beitragen, die Bewohner des Kontinents von ihren existentiellen Sorgen zu befreien. Neben wenigen boomenden Wirtschaftszentren verelenden riesige Regionen, in denen dann auch noch bewaffnete Kämpfe um den Zugriff auf die Ressourcen ausgefochten werden. Selbst bei sehr hohen Investitionen, wie sie Bionas vorhat, wird die Produktion von Jatropha-Öl nicht per se zu einer Verringerung der Arbeitslosigkeit und Anhebung des Lebensstandards der Bevölkerung führen. In der Regel hat der Plantagenanbau zum Beispiel für Kaffee, Tee oder Kakao nur wenigen Einheimischen und Unternehmern in anderen Ländern Vorteile gebracht, es ist nicht ersichtlich, warum das bei Jatropha anders sein wird. Denjenigen Bauern, die einen Job als Erntehelfer erhalten, steht eine gewisse Zahl an Bauern gegenüber, die eben durch die Plantagen von ihrem Land verdrängt werden.

Ein schlüssiges Konzept zur Entwicklungsförderung Afrikas, bei dem die Bauern nicht gegeneinander ausgespielt werden und womöglich weder eine private noch staatliche Bereicherung zu Lasten anderer zulässig wäre, sähe anders aus: Zunächst einmal müßte dafür gesorgt werden, daß alle Menschen genügend zu essen haben - und "genügend" hieße nicht, daß die Menschen nur knapp überleben. Afrika sollte wieder zu einem Nahrungsselbstversorger werden. Erst wenn das Ziel erreicht ist, wäre zu überlegen, ob landwirtschaftliche Fläche erschlossen wird, um Treibstoff herzustellen. Umgekehrt sorgt die Exportorientierung unverarbeiteter Produkte im Ressourcenraum Afrika für extrem disparate Lebensverhältnisse. Und sie führt möglicherweise zu weiteren Revolten, die, wenn sie nicht gewaltsam niedergeschlagen werden, Machtwechsel auslösen. Ob sie auch das Machtgefüge an sich beenden, liegt nicht zuletzt an den Bewohnern des Kontinents und ihrer Entschlossenheit, sich von den herrschenden profitorientierten Produktionsbedingungen zu befreien.


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Anmerkungen:

[1] "Malaysian Biofuels Firm to Raise Funds for African Ventures", Alternative Energy Africa, 27. Februar 2011
http://ae-africa.com/read_article.php?NID=2760&PHPSESSID=ae2131fa4705c994784ba6ccb3abf4f0

[2] "Malaysia's Bionas eyes $807.5 mln in London IPO-report", Reuters, 21. Februar 2011
http://af.reuters.com/article/energyOilNews/idAFL3E7DL00020110221

28. Februar 2011