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AFRIKA/2045: Uganda - US Special Forces jagen LRA-Anführer Joseph Kony (SB)


"Humanitäre Intervention" in Zentralafrika - Vorwand für außenpolitische und nationale Sicherheitsinteressen der USA


Wohl kaum ein Milizenführer gibt das Bild des Schurken besser ab als der Anführer der Ende der 1980er Jahre in Norduganda gegründeten Lord's Resistance Army (LRA), Joseph Kony. Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern wurden von ihm und seinen Leuten ermordet, vergewaltigt, verstümmelt oder entführt, mehrere Millionen vertrieben. Alle Versuche, den gefürchteten Joseph Kony oder einen seiner Stellvertreter zu fassen, schlugen bislang fehl. Vor einigen Jahren hat die LRA ihre Aktivitäten in andere Länder verlagert und wechselt nach Belieben zwischen Uganda, Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) und der Demokratischen Republik Kongo hin und her.

Wenn also vor diesem Hintergrund US-Präsident Barack Obama in einem Brief [1] an den Sprecher des Repräsentantenhauses sowie an den amtierenden Senatsvorsitzenden die Entsendung von rund 100 Elitesoldaten nach Uganda und seine Nachbarländer, in denen Kony sein Unwesen treibt, ankündigt, um diesem das Handwerk zu legen, sollte die Maßnahme eigentlich von allen Akteuren - mit Ausnahme der LRA, versteht sich - begrüßt werden. Doch ganz so simpel sind die Verhältnisse nicht gestaltet. Es hat einmal eine Zeit gegeben, als ein Friedensschluß mit Kony zum Greifen nahe war. Der ugandischen Unterhändlerin Betty Bigombe [2], die sich seit 1991 für einen Friedensschluß mit der LRA eingesetzt hatte, war es trotz erheblicher Hindernisse, die ihr auch aus den eigenen Reihen in den Weg gestellt wurden, gelungen, Kony zu einer Verhandlungsbereitschaft zu bewegen.

Diese Waffenstillstandsgespräche scheiterten jedoch ebenso wie die im Jahre 2008, die unter Mitwirkung der Regierung des damals noch zu Sudan gehörenden Südsudan stattfanden. Ob die offizielle Lesart, nach der Kony sowieso nie willens war, den Dschungel zu verlassen und ein ziviles Leben zu führen, zutrifft oder ob das Mißtrauen Konys, er könne in eine Falle gelockt werden, ausschlaggebend für die Fortsetzung des Kampfs war, vermag niemand endgültig zu beantworten. Eines allerdings ist gewiß: Der Waffenstillstand kam auch deswegen nicht zustande, weil sich Luis Moreno Ocampo, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, weigerte, die im Juni 2005 gegen Kony und vier Stellvertreter ausgestellten internationalen Haftbefehle zurückzuziehen.

Weil ein Friedensschluß für ihn bedeutet hätte, ins Gefängnis zu gehen, sah sich der LRA-Führer genötigt, in den Dschungel zurückzukehren und seinen Kampf, der nach vielen Jahren ausschließlich das Gesicht eines nackten Überlebenskampfs angenommen hatte, fortzusetzen. Der ursprünglich einmal von der LRA angestrebte Sturz des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni und die Errichtung eines Gottesstaats auf der Grundlage der zehn Gebote erscheint mehr denn je vollkommen illusionär.

Nachdem der zunächst aussichtsreiche Friedensprozeß scheiterte, wüteten die LRA-Milizen um so schlimmer in der DR Kongo und der ZAR. Viele hundert Menschen verloren ihr Leben. Die von Uganda, DR Kongo und Südsudan im Dezember 2008 durchgeführte "Operation Lightning Thunder", die von der US-Kommandostelle AFRICA COMMAND (AFRICOM) unterstützt wurde, brachte nicht das erhoffte Ergebnis. Kony war nicht zu fangen.

Die militärischen Option, wie sie nun durch die direkte Beteiligung der US-Regierung, die rund 100 Elitesoldaten entsendet - ein Voraustrupp ist bereits am 12. Oktober in Uganda eingetroffen - kam somit nicht unvermeidlich. Und sie wird nicht von allen Akteuren begrüßt. Die Acholi, die jahrelang von Konys LRA heimgesucht wurden, sehen im Ausstellen der internationalen Haftbefehle den eigentlichen Grund, warum die Friedensgespräche von Juba scheiterten. Wilson Hassan Peni, oberster Anführer der südsudanesischen Volksgruppe der Zande, die seit zwei Jahren häufiger von der LRA heimgesucht wird, hält zwar selber nichts von Friedensgesprächen mit Kony, weiß aber von einem Treffen mit Vertretern der Acholi, daß sie den militärischen Kurs Obamas ablehnen. Laut Peni baten sie den US-Präsidenten, die LRA nicht zu entwaffnen, sondern die Friedensbemühungen zu stärken. [3]

Obama beruft sich auf das Gesetz "Lord's Resistance Army Disarmament and Northern Uganda Recovery Act" aus dem Jahr 2009, das am 24. Mai 2010 als "Public Law 111 172" rechtskräftig wurde. Darin verpflichten sich die USA, einen Beitrag dazu zu leisten, daß die Gefahr durch die LRA für die Zivilbevölkerung und die regionale Stabilität gemildert oder gar beseitigt wird. Seit 2008 haben die USA mehr als 40 Mio. Dollar für Logistik, Ausrüstung und Ausbildung ausgegeben, damit die regionalen Militärapparate Joseph Kony fangen. [4] Davon allein in diesem Jahr 18 Mio. Dollar. [5] Obama erklärte aber auch, daß die Truppenentsendung den "nationalen Sicherheitsinteressen und der Außenpolitik" der USA dient. Was das mit einer "humanitären Intervention", wie sie nun betrieben wird, zu tun hat, wissen wohl nur die Strategen im Weißen Haus und Pentagon.

Die US-Elitesoldaten sollen den Militärs von Uganda, DR Kongo, Südsudan und ZAR mit Informationen und Ratschlägen unterstützen, um Joseph Kony "vom Schlachtfeld zu nehmen", wie Obama sich auszudrücken beliebte. Sie sollen sich aber nicht an den Kampfhandlungen beteiligen, es sei denn, sie müßten sich verteidigen. Die Bezeichnung "Selbstverteidigung" ist allerdings dehnbar und könnte durchaus nahtlos in Angriffshandlungen übergehen. Einmal angenommen, die US-Soldaten näherten sich einem Versteck Konys und der würde versuchen, sich den Weg freizuschießen. Dann würden sich die US-Soldaten "nur" verteidigen und befänden sich dennoch im Angriff.

Der Militäreinsatz der USA in Zentralafrika birgt eine Reihe von Aspekten, die die "humanitäre Intervention" als Deckmäntelchen erkennen lassen, hinter dem andere Ziele verfolgt werden. So waren bislang alle Bemühungen seitens der US-Regierung, das Hauptquartier des seit Oktober 2008 einsatzbereiten AFRICOM von den Kelley Baracks in Stuttgart-Möhringen nach Afrika zu verlegen, gescheitert. Lediglich Liberia hatte sich als Standort angeboten, doch das wollten die USA wiederum nicht. Ganz anders sieht es mit Uganda aus. Der zentralafrikanische Binnenstaat arbeitet bereits militärisch eng mit den Amerikanern zusammen, unter anderem werden gemeinsame Manöver wie Exercise Natural Fire, dessen zehnte Ausgabe vor zwei Jahren auf ugandischem Boden abgehalten wurde, durchgeführt.

Daran hatte auch der damals neu in sein Amt eingeführte US-Botschafter in Uganda, Jerry P. Lanier, teilgenommen. Der leitete zuvor im US-Außenministerium die Untersektion Sicherheit in der Abteilung Afrika das mit asymmetrischer Kriegführung befaßte ACOTA-Programm (African Contingency Operations Training and Assistance) und war zwei Jahre lang als Berater von AFRICOM tätig. Laut der ugandischen Zeitung "Monitor" [6] nahm Lanier in diesem Monat an einem Geheimtreffen in der ugandischen Hauptstadt Kampala mit hochrangigen Vertretern des ugandischen Militärs und weiteren US-Botschaftern teil. Das Thema: Kampf gegen die LRA.

Es bleibt der Spekulation überlassen, ob Lanier dabei nicht auch für AFRICOM geworben hat. Zumindest liegt die Standortwahl nur vorübergehend auf Eis, im kommenden Jahr will die US-Regierung eine neue Offensive starten. Wenn es gelänge, Kony zu beseitigen, wäre das für Washington ein enormer Prestigeerfolg und bedeutete möglicherweise grünes Licht für AFRICOM in Uganda oder einem der von der LRA heimgesuchten Nachbarländer. Südsudan wäre sicherlich auch eine Option, denn die Südsudanesen sind den USA zu Dank verpflichtet, waren doch vor knapp zehn Jahren unter massivem Druck des US-Sondergesandten Senator John Danforth die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Nord- und Südsudan vorangetrieben worden, was 2005 zu einem Friedensvertrag führte. Sechs Jahre darauf sprachen sich nahezu alle Südsudanesen in einem Referendum für die endgültige Abtrennung vom Norden aus.

Dennoch dürfte Uganda für die USA eine bessere Wahl sein, existieren doch dort bereits entwickelte militärische Strukturen sowie eine stärker ausgebaute Infrastruktur als in Südsudan. Gut vorstellbar wäre eine Aufteilung AFRICOMS in mehrere Stützpunkte auf afrikanischem Boden, was bereits im Gespräch ist, wobei neben Uganda noch Dschibuti in Frage käme. Dort unterhalten die USA einen Stützpunkt, von dem aus direkter Zugang zur geostrategisch wichtigen Seeverbindung Suezkanal-Rotes Meer-Arabisches Meer-Indischer Ozean besteht. Zu diesem maritimen Stützpunkt könnte eine Niederlassung in Uganda das binnenstaatliche Pendant bilden, wobei die geographische Nähe zum rohstoffreichen Ostkongo als zusätzlicher Vorteil angesehen werden dürfte.

Ein weiterer Grund für das US-Engagement in Uganda könnte darin liegen, daß ugandische Streitkräfte mit rund 5200 Soldaten das größte Kontingent der AU-Mission in Somalia (Amisom) stellen. Der Kampf gegen die LRA wäre damit als ein kleines Dankeschön für diese auch im US-Interesse liegenden Ordnungsfunktion zu bewerten. Außerdem entspricht es der üblichen Politik der US-Regierungen, auf die militärische Karte zu setzen. Es bestehen permanente Ausbildungsprogramme für afrikanische Offiziere in den USA, und es werden Jahr für Jahre verschiedene Manöver auf afrikanischem Boden durchgeführt.

Nicht zuletzt sind die USA am gewaltsamen Regimewechsel in Libyen beteiligt, und sie liquidieren in Ostafrika mutmaßliche Mitglieder von Al Qaida oder ihr angeblich nahestehender Organisationen mittels Drohnen. Im Rahmen dessen erscheint der aktuelle Einsatz in Zentralafrika eindeutig als hegemonial motiviert, wobei es Washington vor allem darum gehen könnte, China in die Schranken zu weisen. Die Chinesen haben im vergangenen Jahrzehnt eine stille Eroberung Afrikas mit Hilfe bilateraler Handelsabkommen begonnen und sich auf dem schwarzen Kontinent als Konkurrent zu den USA und Europa positioniert.

In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, daß vor wenigen Jahren in Uganda große Erdölvorkommen entdeckt wurden und seit einiger Zeit ausgebeutet werden. Zwar wäre es zu kurz gegriffen, den USA zu unterstellen, sie engagierten sich allein deshalb in Uganda, um an dessen Erdöl zu gelangen. Aber vollkommen losgelöst auch von diesem Interesse ist der aktuelle Einsatz nicht. Jedenfalls fällt es auf, daß die USA vorzugsweise dort militärisch intervenieren, wo Erdöl im Spiel ist, beispielsweise in Libyen, Sudan, Somalia und nun Uganda.


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Fußnoten:

[1] The White House (Washington, DC) Central Africa: Letter From the President to the Speaker of the House of Representatives and the President Pro Tempore of the Senate Regarding the Lord's Resistance Army, 14. Oktober 2011
http://allafrica.com/stories/201110150150.html

[2] Biography Betty Bigombe, aus dem Internet abgerufen am 17. Oktober 2011
http://www.huntalternatives.org/pages/489_betty_bigombe.cfm

[3] "Central Africa: On the Trail of the LRA", UN Integrated Regional Information Networks (IRIN), 12. Januar 2011
http://allafrica.com/stories/201101140879.html

[4] "Obama Sends 100 Troops to Fight Ugandan Rebels", BNO News, 15. Oktober 2011
http://www.informationclearinghouse.info/article29408.htm

[5] "Uganda: Obama Sends U.S. Military Advisers to Help Track LRA's Kony", Inter Press Service (IPS), 15. Oktober 2011
http://allafrica.com/stories/201110150156.html

[6] "Uganda: U.S. Troops Arrive to 'Kill or Capture' Kony", The Monitor, 16. Oktober 2011
http://allafrica.com/stories/201110160065.html

17. Oktober 2011