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AFRIKA/2069: Herakles Capital will in Kamerun artenreichen Regenwald für Monokultur-Ödnis roden (SB)


"Heuschrecken"-Alarm in Kamerun

New Yorker Investor beginnt Aufbau einer 70.000 Hektar großen Plantage



Ausgerechnet in einem von weltweit nur 25 Hotspots der Artenvielfalt will der New Yorker Investor Herakles Capital eine riesige Plantage errichten. Die ersten Palmen für diesen Monokulturanbau werden schon herangezogen. Dafür sollen im Südwesten Kameruns rund 70.000 Hektar Regenwald, das entspricht fast der Fläche des Stadtstaats Hamburg, der Motorsäge zum Opfer fallen. Die Herakles-Tochterfirma SGSOC (SG Sustainable Oils Cameroon) hält an ihren umstrittenen Plänen fest, obgleich in der örtlichen Bevölkerung der Widerstand gegen die Plantage wächst. Unterstützt werden die Menschen seit längerem durch internationale Umweltorganisationen wie SAVE Wildlife Conservation Fund [1], WWF [2] und Greenpeace [3] sowie Wissenschaftlern.

Das Unternehmen vertritt den Standpunkt, es habe alle Umwelt- und Sozialverträglichkeitsauflagen der Regierung erfüllt [4]. Das wird vom SAVE Wildlife Conservation Fund vehement bestritten. In einem Bericht auf seiner Website von Ende Juni heißt es dazu: "Die Liste der Kritikpunkte wächst und wächst: mangelhafte Umweltverträglichkeitsstudie, fehlende Sozialverträglichkeit und Verstoß gegen die Kriterien des Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl RSPO, bei dem der US-Investor Antrag auf Mitgliedschaft stellt. Und nicht zuletzt Landraub." [1]

Der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl hatte Herakles/SGSOC bis zum 8. Juli Zeit gegeben, sich mit den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) über die Einhaltung der Nachhaltigkeitsregeln zu einigen. Um zu beweisen, daß es den Naturschutz beachtet, schlägt das Unternehmen als Kompromiß vor, zunächst nur 2000 Hektar Land in die Bewirtschaftung zu nehmen [5]. Das wollen die NGOs aber gar nicht, denn sie lehnen "eine solche Plantage inmitten der artenreichsten und ältesten Regenwälder dieses Planeten" grundsätzlich ab, wie es Lars Gorschlüter vom SAVE Wildlife Conservation Fund formuliert [1].

Steuerfreiheit für zehn Jahre und ein Pachtpreis von nur 0,50 bis 1,00 Dollar pro Hektar mit jährlicher Steigerung von 2 Prozent auf 99 Jahre - ein Schnäppchen für den Konzern, selbst verglichen mit günstigen Landnahmen in anderen afrikanischen Staaten. Der Konflikt zwischen Investor und Regierung auf der einen Seite und der örtlichen Bevölkerung auf der anderen ist ein typisches Merkmal des schon alten, aber in jüngster Zeit verstärkt in den Medien diskutierten Landraubs. Die Zusage des Unternehmens, gewisse Infrastrukturverbesserungen (Straßen, Krankenstationen, Schulen) zu finanzieren und Arbeitsplätze zu schaffen, geht an dem vorbei, was die Menschen aus mindestens 30 Dörfern an Verlusten erleiden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Einwohner leben fortan in bzw. in enger Nachbarschaft zu einer Monokulturumgebung und sollen sich auch noch glücklich schätzen, wenn sie in dieser zukünftigen Agroindustriewüste bezahlte Arbeit verrichten dürfen. Man muß die Subsistenzwirtschaft als ein mögliches Gegenmodell zur Produktion von Exporterzeugnissen nicht idealisieren, wenn man die Frage aufwirft, ob solche Verluste an Lebensqualität durch irgendeine Summe der Welt kompensiert werden können.

"Uns mangelt es nicht an Palmöl. Soll uns kein Platz für unsere Familien bleiben? Wir haben Kinder zu ernähren. Wir sind es satt, immer nur Palmen, Palmen, Palmen", zitiert Reuters [5] Okpo wa Namolongo, den stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Mundemba, die an der südwestlichen Spitze des Herakles-Gebiets liegt.

Sicherlich, man könnte argumentieren, daß es doch wohl etwas zu spät sei, um den Einbruch des profitgetriebenen Wirtschaftsmodell in die entlegensten Regionen des afrikanischen Regenwalds aufhalten zu wollen. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Einwohner, von denen mehrere Zehntausend von der Plantage betroffen wären, sich widerstandslos herumschubsen lassen müssen, damit andere profitable Geschäfte machen können. Das Leben eines Kleinbauern ist womöglich kein Zuckerschlecken - aber inwiefern wäre das Leben als Lohnarbeiter auf einer Plantage überhaupt ein Leben?!

Der Aufbau einer riesigen Plantage geht nicht nur mit massiven ökologischen Verlusten einher, sondern auch mit sozialen. Das gilt es seitens der Regierung zu bedenken, und deswegen sollten die von Vertreibung bedrohten Einwohner die eigentliche Entscheidungsbefugnis über Fortsetzung oder Ende der Palmölplantage erhalten. Andernfalls ist zu fragen, ob nicht eine Regierung, die ihre Verfügungsgewalt gegen die örtlichen Interessen in die Waagschale wirft und womöglich das Projekt gegen die Widerstände durchsetzt, von den Betroffenen folgerichtig als diktatorisch angesehen werden müßte?

Die Plantage, deren Aufbau trotz der noch nicht abgeschlossenen rechtlichen Hürden bereits begonnen hat, würde im zweitgrößten zusammenhängenden Regenwaldgebiet der Welt entstehen. Das bliebe nicht ohne Folgen für die regionalen klimatischen Verhältnisse. Vom Amazonas-Regenwald her weiß man, daß der Monokulturanbau die Dürre verstärken kann. Wo ansonsten die enorme Blattoberfläche einer sich über mehrere Stockwerke erstreckenden, relativ unberührten Pflanzenwelt eine hohe Verdunstung ermöglicht - wobei sich dann die Feuchtigkeit zu Wolken massiert und wieder als Regen herabfällt -, entstünde eine eindimensionale Vegetationsödnis mit lauter zurechtgestutzten, soldatisch in Reih und Glied aufgereihten Palmen.

Das ursprüngliche Konzept hinter der Erfassung artenreicher Hotspot sah ganz und gar nicht vor, daß diese gerodet oder sie von ihrem natürlichen Umland abgeschnitten werden! Die Plantage würde sich jedoch wie eine Schneise zwischen die vier Naturschutzgebiete Korup National Park, Bakossi National Park, Rumpi Hills Forest Reserve und Banyang Mbo Wildlife Sanctuary legen.

Wäre nicht mit Blick auf den generell rasanten Verlust der Artenvielfalt weltweit ein Konzept denkbar, die Bewahrung solcher Hotspots in einer globalen Anstrengung zu fördern? Vielleicht vergleichbar mit den Bemühungen, den Yasuni-Nationalpark in Ecuador vor der Ausbeutung des darunterliegenden Erdöls zu schützen? Aber nicht als von oben aufgesetztes Modell, das über die Köpfe der eigentlich Betroffenen hinweg entschieden würde. Zumindest könnte man ein solches Konzept entwerfen und es den Einwohnern Kameruns zur Beratung vorlegen. Solange diese keine Alternativen zur Plantagenwirtschaft kennen, können sie sich gar nicht frei für eine Entwicklungsrichtung entscheiden.


Fußnoten:

[1] "Kameruner kämpfen um ihre biologische Schatzkammer", SAVE Wildlife Conservation Fund, 29. Juni 2012
e.com/de/aktuelles/324-kameruner-kaempfen-um-ihre-biologische-schatzkammer-gemeinsam-mit-internationalen-ngos-gegen-regenwaldabholzung

[2] "WWF erhebt schwere Vorwürfe gegen RSPO- Mitglied Herakles", World Wildlife Fund, 11. April 2012
http://www.wwf.de/2012/april/palmoelpest-in-kamerun/bl/1/listid/12937/backpid/186/

[3] "Herakles Farms and how a US agri-corporation sparked anger in Africa", Blogpost by Filip Verbelen, 6. Juli 2012
http://www.greenpeace.org/international/en/news/Blogs/makingwaves/how-an-american-corporation-sparked-anger/blog/41279/

[4] "Herakles Farms Announces Update on its Cameroon Palm Oil Subsidiary SGSOC. Company to Proceed with Phased Development Approach to Ensure Sustainable, Environmental and Socially Sensitive Growth", Presseerklärung von Herakles, 12. Juni 2012
http://www.heraklesfarms.com/docs/6-12%20FINAL%20Herakles%20Farms%20Press%20Release.pdf

[5] "Special Report: Africa palm-oil plan pits activists vs N.Y. investors", Reuters, 18. Juli 2012
http://farmlandgrab.org/post/view/20796

24. Juli 2012