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AFRIKA/2108: Senegal gibt russischen Trawler "Oleg Naydenov" frei (SB)


Küstenkrieg Runde 1: Vorteil Senegal



Wem gehört das Meer? Diese Frage beschäftigt nicht nur nationale und transnationale Institutionen, sondern auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Forum Umwelt und Entwicklung und Initiativen wie Fair Oceans [1]. Sie wollen eine möglichst gleiche Aufteilung der zum "Menschheitserbe" erklärten Meere und sprechen sich bei der Festlegung der nationalen Fischfangquoten, der Zugriffsrechte auf Rohstofflagerstätten und andere marine Ressourcen für einen so niedrigen Nutzungsgrad aus, daß auch zukünftige Generationen noch von ihnen profitieren können.

Trotz des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS) und einer Reihe weiterer multilateraler Übereinkünfte, mit denen das Meer als Ressource global geregelt ist, zeigt die Praxis, daß sich die wirtschaftlich führenden Nationen selbst dann noch gegenüber Konkurrenten durchsetzen, wenn durch ein umfangreiches Regelwerk wie das UNCLOS ein Ausgleich geschaffen werden soll.

Aber nicht immer gehen die wirtschaftlich überlegenen Staaten aus einem Konflikt als Gewinner hervor. So hat am 4. Januar die Küstenwache des westafrikanischen Staats Senegal (BIP 2007: 111 Mrd. Dollar) den Fischtrawler "Oleg Naydenov" der Reederei Fenix aus Rußland (BIP 2011: 1850 Mrd. Dollar) aufgebracht und in den Hafen von Dakar gelotst. Die Besatzung aus 61 Russen und 20 Bürgern Guinea-Bissaus wurde festgesetzt, die Ware beschlagnahmt. Der Trawler habe in senegalesischen Gewässern gefischt, lautet der Vorwurf. Stimmt nicht, behauptet die Gegenseite, das Schiff habe sich im Meeresgebiet des benachbarten Guinea-Bissau aufgehalten. Man sei Opfer von Piraterie. [2]

Nach nunmehr drei Wochen wurde die "Oleg Naydenov" freigegeben. Ein senegalesischer Minister erklärte, daß der Reeder 1,2 Million Dollar "Schadenersatz" für illegale Fischerei in ihren Gewässern gezahlt habe. [3] Anfang des Jahres hatte der senegalesische Fischereiminister Haidar El-Ali von einer zu zahlenden Strafe in Höhe von umgerechnet rund 825 Mio. Dollar sowie einer weiteren erheblichen Entschädigungssumme für die Verluste der örtlichen Fischereigemeinschaften gesprochen. Wohingegen Fenix-Direktor Yuri Parshev davon sprach, daß für die Freigabe des Schiffs eine "Kaution" gezahlt wurde. [4] Die Reederei behält sich vor, Senegal vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg anzuklagen.

Solange die Sachlage ungeklärt ist, steht dieser Konflikt nicht als typisches Beispiel dafür, wie die westafrikanischen Küstengewässer durch ausländische Trawler leergefischt werden, wohl aber als Beispiel für ein allmähliches Erstarken der Küstenwachen Afrikas. So hat Mauretanien ein bilaterales Fischereiabkommen mit der Europäischen Union geschlossen, deren Mitglieder regelrechte Fabrikschiffe auf Fischfang schicken, und ist sogar in der Lage, seine Ausschließliche Wirtschaftszone (200-Meilen-Zone) relativ zuverlässig zu überwachen. Somalia hingegen, das über die längste Küste des Kontinents verfügt, vermag seine Souveränitätsrechte faktisch überhaupt nicht ausreichend wahrzunehmen.

Die Frage, wem das Meer gehört, wird somit immer noch von denjenigen beantwortet, die - notfalls mit deutlichem Nachdruck, wie das Beispiel Senegal zeigt - über die entsprechenden Mittel verfügen, ihre Interessen durchzusetzen. Neu an der geschilderten Situation ist hingegen, daß sich ein politisch, wirtschaftlich und militärisch relativ kleines Land bislang gegenüber einem in allen Belangen erheblich größeren Land behauptet hat.

Das Beispiel könnte Schule machen, wenn die Europäische Union mehr dazu betrüge, nationale Küstenwachen in Afrika aufzubauen. Damit wäre zwar noch nicht garantiert, daß beispielsweise die Einnahmen aus Entschädigungszahlungen tatsächlich zur Stärkung der handwerklichen Fischerei verwendet werden, aber ohne eine ausgebaute Küstenwache hätten die örtlichen Fischerinnen und Fischer auf jeden Fall das Nachsehen. Die EU ist aber anscheinend mehr daran interessiert, mit afrikanischen Küstenstaaten bilaterale Fischereiabkommen abzuschließen, um deren Gewässer leerfischen zu können, als diese Staaten darin zu unterstützen, daß sie erstens über eine ausreichend gewappnete Küstenwache verfügen, zweitens die handwerkliche Fischerei Vorgriffsrechte auf den Fischfang erhält und drittens die lokalen Märkte nicht durch Dumpingpreise in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werden.


Fußnoten:

[1] Näheres dazu im Schattenblick unter:
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0076.html
und
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0065.html

[2] http://www.aljazeera.com/news/africa/2014/01/russia-accuses-senegal-piracy-201411053643263556.html

[3] http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-25859387

[4] http://voiceofrussia.com/news/2014_01_21/Russian-Oleg-Naydenov-trawler-to-leave-Dakar-port-soon-4663/

24. Januar 2014