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AFRIKA/2112: Globaler Rohstoffbedarf treibt Bau neuer Tiefseehäfen voran (SB)


Ressourcenkontinent und lukrativer Absatzmarkt



In vielen afrikanischen Küstenstaaten werden zur Zeit neue Tiefseehäfen gebaut, Pläne zu ihrem Bau ausgearbeitet oder bestehende Anlagen erweitert. Es handelt sich häufig um milliardenschwere Projekte, für die mit dem Versprechen auf Wirtschaftswachstum geworben wird und für die sich auch die Afrikanische Union einsetzt. Fast immer unter Beteiligung des Auslands oder auch als Public-private-partnership-Investition konzipiert, werden die Tiefseehäfen zu Schnittstellen des Welthandels mit einem Kontinent, der sowohl hinsichtlich seiner Rohstoffnutzung als auch in seiner Funktion als Absatzraum für jenseits seiner Grenzen produzierte Waren noch immer "weiße Flecken auf der Landkarte" aufweist. Um deren Eroberung konkurrieren die EU-Staaten, China, die USA und viele weitere Staaten miteinander.

Die Tiefseehäfen dienen nicht zuletzt der Extraktionsindustrie, deren Investitionen in den afrikanischen Staaten zwar zunehmen, aber von einem vergleichsweise niedrigen Niveau aus starten. Kupfer, Gold, Steinkohle, Erdöl, Platin, Bauxit, Uran, aber auch Pflanzen für Agrosprit und vieles mehr stehen auf dem "Einkaufszettel" ausländischer Unternehmen. Denkt man an die verbreitete Armut in Angola, Nigeria, Mosambik und Südafrika, in denen Bergbau betrieben wird und die bereits über ausgedehnte Hafenanlagen verfügen, so ist von den neuen Projekten nicht zu erwarten, daß sie den Lebensstandard allgemein anheben, wohl aber, daß sie einigen wenigen an Bau und Nutzung der Tiefseehäfen beteiligten Unternehmen und Personen höhere Einnahmen bescheren.

In Kamerun wurde vor kurzem die erste von drei Phasen eines umfassenden Infrastrukturprojekts abgeschlossen. Am 8. Juli dieses Jahres legte der Schlepper "Val Paraiso" in Mboro an, was als offizielle Eröffnung des Tiefseehafens Kribi gefeiert wurde. [1] Technisch gesehen ist die Anlage, die von der China Harbour Engineering Company (CHEC) gebaut wird, betriebsbereit. Der Hafen wird 16 bis 25 Meter tief sein und Frachtschiffe von bis zu 100.000 Tonnen aufnehmen. Damit übertrifft er den benachbarten, traditionellen Seehafen Douala, der sechs bis sieben Meter tief ist und Schiffe mit einem Fassungsvolumen von bis zu 15.000 Tonnen abfertigen kann, um ein Mehrfaches. CHEC hat 85 Prozent der Baukosten in Höhe von 567 Mio. US-Dollar übernommen, 15 Prozent stammen aus Kamerun. In weiteren Bauphasen sollen bis zum Jahr 2040 ein Dock mit 20 verschiedenen Terminals, ein Flughafen und ein Industriegebiet entstehen.

Der chinesische Bauherr des Kribi-Tiefseehafens stellt überwiegend Arbeiter aus China ein, obgleich die Regierung Kameruns Empfehlungen ausgesprochen hat, daß bei Projekten dieser Art der Anteil einheimischer Kräfte bei 70 Prozent liegen und sich die Arbeitsplätze nicht auf ungelernte Tätigkeiten beschränken sollten. Das westafrikanische Land verzeichnet zwar ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent, doch geht die Armutsrate nicht zurück und liegt nach wie vor bei 40 Prozent. Ein typisches Beispiel dafür, daß sich angeblich positive Wirtschaftszahlen nicht in einer Steigerung der allgemeinen Lebensqualität niederschlagen.

Wie in anderen wirtschaftlich aufstrebenden Staaten wirkt sich der Bauboom in Kamerun so aus, daß die Land- und Immobilienpreise steigen. Davon profitieren wiederum nur wenige Kameruner, wohingegen die ärmeren Einwohner, die im Umfeld des Kribi-Tiefseehafens leben, nach und nach in andere Regionen abgedrängt werden. Dem Beratungsunternehmen Mercer zufolge ist Luanda, die Hauptstadt des erdölreichen Angola, für Ausländer die teuerste Stadt der Welt. [2]

Kameruns Nachbar Nigeria besitzt zwar bereits ausgedehnte Hafenanlagen, da das Land über erhebliche Erdölvorkommen im Nigerdelta und daraus hergeleitet hohe Einnahmen verfügt, aber am zukünftigen Boom des Warenverkehrs will es ebenfalls teilhaben. So hat die Regierung Ende vergangenen Jahres den Bau des Lekki-Tiefseehafens in der Wirtschaftsmetropole Lagos mit einer Investitionssumme von umgerechnet gut 1,35 Milliarden US-Dollar genehmigt. Die Baukosten teilen sich die nigerianische Bundesregierung (20 Prozent), die Staatsregierung von Lagos (gut 18 Prozent) und die Privatwirtschaft (knapp 62 Prozent). Die Fahrrinne zu dem neuen, 90 Hektar großen Hafengebiet wird auf eine Tiefe von 17,5 Metern ausgehoben, so daß dort in Zukunft die größten Schiffe der Welt anlanden können. Laut Informationsminister Labaran Maku wird der neue Hafen eine Umschlagskapazität von vier Millionen Tonnen pro Jahr aufweisen. [3]

100 Kilometer östlich von Lagos entsteht ebenfalls ein neuer Tiefseehafen, der zugleich als Freihandelszone nach dem Status des Nigerian Export Processing Zone Act anerkannt ist. Für den Bau des OK Free Trade Zone Enterprise (OKFTZ Enterprise) haben sich die nigerianischen Bundesstaaten Ogun und Ondo mit dem belgischen Unternehmen Rent-A-Port zusammengetan. In der ersten Ausbaustufe soll der Hafen auf acht Meter Tiefe ausgehoben werden. In weiteren Stufen wird er den Plänen zufolge auf zwölf und abschließend auf 16 Meter vertieft. [4]

Der Hafen Walvis Bay in Namibia will sich zur Drehscheibe des Warenumschlags für das gesamte südliche Afrika mausern und den Häfen der Republik Südafrika, über die bislang der Hauptschiffsverkehr dieser Region mit Europa abgewickelt wird, das Wasser abgraben. Zum einen wurde der namibische Hafen auf 12,8 Meter vertieft, so daß er nun auch von größeren Schiffen angesteuert werden kann. Zum anderen hat die namibische Regierung ein riesiges Infrastrukturprojekt, den SADC-Gateway-Hafen, aufgelegt. SADC steht für Southern African Development Community, (Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft). Ihr sind 15 Staaten angeschlossen, in der mehr als 240 Millionen Menschen leben.

SADC-Gateway - schon der Name des Hafens stellt eine Kampfansage Namibias an Südafrika dar. Der kleine Nachbar des großen Südafrika hat sich einiges vorgenommen. Im Nordhafen von Walvis Bay soll auf einer Fläche von 1330 Hektar ein riesiger Terminal entstehen - bisher ist der Hafen von Walvis Bay 105 Hektar groß. Investitionskosten für das neue Vorhaben: Rund 1,8 Mrd. US-Dollar. [5]

Kohle aus Botswana, Erze aus dem namibischen Bergbau, Erdöl für die Industrie, Container für den Konsum - über die beiden Schnellstraßen Trans-Kalahari- und Trans-Caprivi-Highway sowie noch größer auszubauende Eisenbahnverbindungen soll in Zukunft ein Großteil des Güterverkehrs der SADC-Staaten auf diesem Wege abgewickelt werden. Der Frachtumschlag in Walvis Bay würde sich dann von derzeit zwei auf fünf Millionen Transporteinheiten pro Jahr erhöhen. [6]

Auch in Ostafrika wird gebaut. Beispielsweise in Kenia. Dort soll in der Region Lamu ein neuer Tiefseehafen mitsamt infrastruktureller Anbindung nach Äthiopien und Südsudan entstehen. LAPSSET (Lamu Port and Southern Sudan-Ethiopia Transport Corridor) nennt sich das 23 Milliarden US-Dollar teure Projekt. Vor zwei Jahren erfolgte hierzu der erste Spatenstich, 2030 soll es abgeschlossen sein. LAPSSET gehört zu den "Leuchtturmprojekten" in Kenias "Vision 2030". [7]

Mehrere 10.000 Containerschiffe sollen hier einmal jährlich abgefertigt werden. Außerdem werden aus Südsudan Ölpipelines zu einem noch zu bauenden Erdölterminal gelegt. Abgesehen von drei internationalen Flughäfen will Kenia auch ein Netz von Schnellzugverbindungen und Autobahnen bauen, die den gesamten Osten des Kontinents für den schnellen Güterverkehr erschließen. [8]

Dies ist nur eine kleine Auswahl an Beispielen für den Neu- oder Ausbau von Tiefseehäfen in Afrika. Deren Betreiber werben für ihre Projekte mit Bezeichnungen wie "Tor zur Welt", "Drehscheibe Westafrikas", etc. In fast allen afrikanischen Küstenstaaten bestehen ähnliche Pläne, was von Anfang an zu einer verschärften Konkurrenz führt, bei der einige das Nachsehen haben dürften. Solange die Wachstumszahlen nach oben weisen, werden die Probleme zeitlich nach hinten verschoben. Aber sie sind damit nicht aufgehoben.

Nach Einschätzung des Londoner Instituts Chatham House verfügt Afrika über fast vierzig Prozent der Rohstoffe, Agrargüter, Wasservorräte und Energiereserven der Welt. Bisher hat allein schon die Extraktionsindustrie zu so gravierenden sozialen Problemen geführt, daß sich dafür die Bezeichnung "Ressourcenfluch" etabliert hat. Welche Folgen die Zunahme des Containerverkehrs auf die Lebensverhältnisse der Einwohner des Kontinents und die stärkere Anbindung an den Weltmarkt hat, weiß man nicht. Geht man allein nach den ökonomischen Zahlen, scheint es für die zahlreichen neuen Tiefseehäfen und Infrastrukturprojekte keine Alternative zu geben. Die Apologeten des Wachstums können all das, was sich in Geldwert ausdrücken läßt, als argumentative Unterstützung ihres Anliegens auf ihrer Seite verbuchen. Eine Entwicklung ohne Verlierer ist das aber nicht. Im Gegenteil, ist doch zu erwarten, daß zeitgleich mit dem sogenannten Wachstum bestehende Einkommensunterschiede vertieft, unterschwellige und offene Konflikte befeuert und neue Räume der Verelendung geschaffen werden.


Fußnoten:

[1] http://edennewspaper.net/2014/07/24/first-ship-symbolically-docks-at-kribi-seaport/

[2] http://www.bilanz.ch/management/zuerich-ist-die-teuerste-stadt-fuer-auslaender-383974

[3] http://www.ventures-africa.com/2013/12/nigeria-approves-1-3bn-for-deep-seaport-in-lagos/

[4] http://www.okftz.net/index.php?option=com_content&view=article&id=47&Itemid=55

[5] http://www.az.com.na/verkehr-transport/gigantischer-griff-nach-neuem-tiefseehafen.416340

[6] http://www.namibia-botschaft.de/index.php/tiefseehafen-walvis-bay

[7] http://www.vision2030.go.ke/

[8] http://renevesper.wordpress.com/2014/05/11/ein-neuer-tiefseehafen-fur-ostafrika/

4. August 2014