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AFRIKA/2146: Koloniales Erbe neokolonial aufgeheizt (SB)


Grenzkonflikt zwischen Eritrea und Dschibuti verschärft sich


Am Horn von Afrika droht ein seit langem schwelender Konflikt erneut aufzuflammen. Dschibuti beschuldigt das Nachbarland Eritrea, Truppen in ein von beiden Seiten beanspruchtes Gebiet an der gemeinsamen Grenze geschickt zu haben. Beide Länder hatten im Juni 2008 über diese umstrittene Doumeira-Region nahe der Straße von Bab el-Mandeb im Roten Meer mehrere Tage lang einen bewaffneten Konflikt ausgetragen, bei dem rund ein Dutzend Soldaten Dschibutis getötet wurden. Der Konflikt wurde bis heute nicht beigelegt, aber beide Seiten hatten sich auf Katar als Mediator geeinigt. Im Jahr 2010 marschierten katarische Soldaten als Friedenstruppe in den Grenzbereich ein und hielten seitdem die Streitparteien davon ab, einander zu bekriegen.

Am 14. Juni zog jedoch Katar seine Soldaten aus Doumeira ab. Diesem Schritt war die Entscheidung Dschibutis vom 7. Juni vorausgegangen, sich der von Saudi-Arabien angeführten Allianz gegen Katar anzuschließen. Nun behauptet der dschibutische Außenminister Mahamoud Ali Youssouf gegenüber Reuters, daß das eritreische Militär die volle Kontrolle über die Berge (Ras) und die Insel von Doumeira eingenommen habe, und er beklagt: "Das ist ein Bruch der Resolution des UN-Sicherheitsrats." [1] Die Afrikanische Union will sich um Vermittlung zwischen den beiden Ländern bemühen.

Die Allianz der sunnitisch-muslimischen Welt, angeführt von Saudi-Arabien und Ägypten, vor allem gegen den schiitisch-muslimischen Iran, aber auch dessen Verbündete wie beispielsweise Katar, paßt zu der Brandrede, die US-Präsident Donald Trump im Mai in Riad gehalten hat. An einer Stelle bezeichnete er Katar zwar als "strategischen Partner", aber der Schwerpunkt seiner Rede war die Bezichtigung Irans als Förderer des Terrorismus und der Aufruf an die arabische Welt, sich zusammenzuschließen und den Terrorismus zu bekämpfen und zu vernichten, wo immer er anzutreffen sei.

"Dies ist eine Schlacht zwischen barbarischen Verbrechern, die das menschliche Leben auslöschen wollen, und anständigen Menschen aller Religionen, die es schützen wollen. Dies ist ein Krieg zwischen Gut und Böse. Wir können dieses Böse jedoch nur besiegen, wenn die Kräfte des Guten geeint und stark sind und jeder hier im Raum seinen gerechten Anteil der Last trägt." [2]

Hat sich die Allianz gegen Iran zunächst Katar als Opfer ausgesucht? Der kleine Golfstaat, der über enorme Erdgasvorkommen verfügt, soll in die wirtschaftliche und diplomatische Isolation gedrängt werden, ungeachtet dessen, daß die USA und auch die Türkei, die wiederum Verbündete des saudischen Herrscherhauses im Krieg gegen Syrien sind, Soldaten in dem kleinen Scheichtum stationiert haben. Man könnte also sagen, daß die von Trump beschworene Allianz von Gut gegen Böse eine recht kurze Verfallszeit hat.

Der Grenzkonflikt zwischen Eritrea und Dschibuti wirkt nur auf den ersten Blick wie ein wenig spektakulärer Streit zwischen zwei kleineren Staaten irgendwo im Osten des afrikanischen Kontinents. Das Konfliktpotential geht weit über die nationalen Grenzen hinaus. Das ergibt sich allein schon aus der direkten Lage beider Kontrahenten an einer der weltweit wichtigsten Seehandelsverbindungen Suezkanal-Rotes Meer-Indischer Ozean.

Wie so häufig bei Grenzstreitigkeiten auf dem afrikanischen Kontinent wurzelt der Konflikt in der Kolonialzeit. Dschibuti beansprucht das Gebiet unter Berufung auf einen Vertrag von 1897, in dem Ras Doumeira zu Frankreich gehört und folglich zum heutigen Dschibuti. Eritrea hingegen führt einen Vertrag zwischen Italien und Frankreich aus dem Jahr 1901 an, demzufolge kein Drittstaat dieses Gebiet für sich beanspruchen dürfe; der genaue Grenzverlauf sollte zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden.

Katars Rückzug aus dem eritreisch-dschibutischen Grenzgebiet und der mutmaßliche Einmarsch Eritreas findet in einer geopolitisch äußerst unsicheren Region statt. Auf der gegenüberliegenden Seite Doumeiras, nur wenige Kilometer entfernt, liegt Jemen, wo zur Zeit Saudi-Arabien und seine Verbündeten einen Krieg gegen die sogenannten Huthi-Rebellen - Verbündete des Iran - führen. In Dschibutis südlichem Nachbarn Somalia wird seit 1991 Bürgerkrieg geführt, der jedoch breite internationale Implikationen hat. Und Äthiopien, der Nachbar im Westen, würde möglicherweise nicht tatenlos zusehen, sollte Eritrea versuchen, Territorien von Dschibuti militärisch zu annektieren. Eritrea und Äthiopien hatten 1998 den ersten High-Tech-Krieg Afrikas gegeneinander geführt. Auch dieser Konflikt ist nur oberflächlich beigelegt.

Es wäre wohl übertrieben, Trump die Verantwortung für den erneuten Ausbruch des älteren eritreisch-dschibutischen Konflikts zuzuschreiben. Allerdings hat er in seiner Rede und mit vereinbarten Rüstungsexporten im Wert von über 100 Milliarden Dollar für Saudi-Arabien vor allem dessen militärische Stellung in der Golfregion gestärkt und damit die anderer Staaten, die wie Katar eine eigenständige Politik neben dem saudischen Herrscherhaus betreiben wollen, geschwächt - Katar ist Sitz des Fernsehsenders Al Jazeera, der durchaus kritisch über Saudi-Arabien berichtet. Trump hat somit reichlich Öl ins Feuer gegossen - hätte er statt dessen Wasser genommen, wer weiß, ob Katar sich genötigt gesehen hätte, seine Friedenstruppe aus Doumeira abzuziehen.


Fußnoten:

[1] http://www.reuters.com/article/us-djibouti-eritrea-border-idUSKBN1971JR

[2] https://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/2017/05/21/botschaft-der-freundschaft-und-hoffnung/#more-12606

19. Juni 2017


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