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AFRIKA/2194: Frieden - verteilte Kampfpräsenzen ... (SB)



Die Bundeswehr wird weiter an der Befriedung anderer Länder und damit ihrer Zurichtung auf die Verwertungsinteressen Deutschlands teilnehmen. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett die Verlängerung von drei Afrikamissionen der deutschen Soldatinnen und Soldaten beschlossen. Eine Zustimmung des Bundestags gilt als sicher.

In Mali werden Soldaten ausgebildet und dadurch enger an die Bundeswehr und die Interessen, für die sie kämpft, angebunden (EUTM Mali). Zugleich sammelt die Bundeswehr in dem afrikanischen Land, quasi als Manöverraum unter realen Bedingungen, praktische Erfahrungen im Konflikt mit Gruppen von irregulären Kämpfern (MINUSMA). Die Marine wiederum hat sich dauerhaft vor der Küste Somalias eingerichtet und nimmt dort weltpolizeiliche Aufgaben wahr (EU NAVFOR Somalia - Operation ATALANTA). Alle Kampfpräsenzen finden im Rahmen internationaler Vernetzungen und unter dem Vorwand von UN-Missionen zur "Stabilisierung" statt.

Die Lage in Mali wurde allerdings erst instabil, nachdem dort in den Nuller Jahren die Vereinigten Staaten eine sogenannte Anti-Terror-Mission, die Pan Sahel Initiative, an der noch vier weitere Staaten der Region beteiligt sind, gestartet hatten. Nochmals verschärft wurde der Konflikt, nachdem eine von der NATO angeführte Kriegsallianz 2011 Libyen angegriffen und bombardiert hatte. Anschließend war eine größere Anzahl von Kämpfern und mit ihnen eine Menge an Waffen nach Mali gebracht worden. Piraterie vor der Küste Somalias hat es zwar schon lange gegeben, aber sie nahm erst enorme Ausmaße an, nachdem die örtlichen Fischer eine neue Einkommensquelle benötigten, weil in den somalischen Hoheitsgewässern ausländische Fischtrawler die Fanggründe geplündert hatten.

Beide Regionen, Mali wie Somalia, waren auch in früheren Jahren nie konfliktfrei gewesen, bevor der vom Westen dominierte UN-Sicherheitsrat das Mandat zur Stabilisierung dieser Länder erteilt hat und dies von den gleichen westlichen Staaten zur Intervention genutzt wurde. Doch kommt man nicht umhin festzustellen, daß, wenn es jene sogenannten Instabilitäten nicht gäbe, sie geradezu erfunden werden müßten, um Stabilität erzeugen zu dürfen. Die auf den eigenen Vorteil bedachte Ideologie ist heute die gleiche wie vor über hundert Jahren zur Zeit der Hochphase des Kolonialismus: Der zivilisierte Europäer ist gezwungen, für Ordnung bei den vermeintlich primitiven Völkern in Afrika zu sorgen, da sie selbst dazu nicht in der Lage sind.

Als eine der weltweit führenden Handelsmächte hat Deutschland Interessen. Das festzustellen klingt banal, und doch wird das beispielsweise aktuell in der Berichterstattung über die geplanten Mandatsverlängerungen unterschlagen. Die eigenen hegemonialen Absichten verschleiernd heißt es in der Pressemitteilung des Bundesverteidigungsministeriums:

"Mit der Fortführung der Einsätze soll die Bundeswehr einen Beitrag zur internationalen Verlässlichkeit Deutschlands leisten. Sie kommt damit auch ihrer Verantwortung für die eigenen Soldatinnen und Soldaten im Hinblick auf die Planungssicherheit bei Einsätzen nach." [1]

Die Formulierung Planungssicherheit für den Einsatz der eigenen Soldatinnen und Soldaten klingt nach einer selbstreferentiellen Begründung für die Fortsetzung der Bundeswehreinsätze. Ein Blick in das Weißbuch [2], auf das sich auch der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler sinngemäß bezogen hat, als er 2010 sagte, daß die Bundeswehr auch zur Sicherung von Ressourcen und Handelswegen gebraucht wird, verhilft zu einer plausibleren Einschätzung als die weichgespülte Pressemeldung aus dem Bundesverteidigungsministerium.

Die Europäische Union will sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch auf der Weltbühne mit den Stärksten messen, und Deutschland als führende Wirtschaftsnation der EU zeigt inzwischen recht unverhohlen Flagge. Wenn demnächst Großbritannien aus der EU austritt, hinterläßt das Land militärische Lücken, die zu füllen sich andere Länder anschicken werden. Deutschland wird die Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen. Zumal es sowieso zur Zeit von der US-Regierung zu höheren Rüstungsausgaben gedrängt wird.

Mali, Somalia und viele weitere Staaten des Kontinents, die als instabil gelten, haben bis heute nicht nur kolonialzeitlich generierte Widersprüche auszutragen, sondern sind auch neokolonialistischen Ambitionen einer Reihe von Ländern ausgesetzt. Wortungetüme wie "Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission" und Einordnungen wie, "die Bundeswehr ist Teil des vernetzten Ansatzes der Bundesregierung und des umfassenden internationalen Ansatzes zur Stabilisierung der Region" (BMVg), bedeuten nicht, daß Deutschland und die anderen beteiligten Nationen nicht auch jede für sich Eigeninteressen verfolgen.

Wie wohl häufiger bei Raubgesindeln anzutreffen, ist das Verhältnis untereinander vom Vorteilsstreben jedes einzelnen geprägt. Der Begriff "Raub" mag in manchen Ohren übertrieben oder sogar völlig abwegig klingen, aber er umfaßt sehr viel mehr, als mit Soldaten in ein Land einzufallen und seine Rohstoffe zu plündern. So sichert die Bundeswehr keineswegs Transporte mit Ballen von Baumwolle, die in Mali angebaut wird, um Lager in Deutschland damit zu füllen. Doch die Kampfpräsenz Deutschlands trägt zur Sicherung von Vorteilen bei. Sie begünstigt auf einer nur dem äußeren Anschein nach anderen Ebene Handelsabkommen mit Mali und leitet möglicherweise Verträge zum Abbau und zur Lieferung von Rohstoffen ein. Darüberhinaus sollen Flüchtlingsströme nach Europa möglichst frühzeitig unterbunden werden, weil man die gesammelte Beute hinter den Festungsmauern der Europäischen Union mit niemandem teilen will. Es sei denn, man könnte jemanden als Arbeitshilfe gebrauchen ...

Deutschland ist auch nicht sonderlich am Weihrauch und Khat interessiert, die in Somalia erzeugt werden, aber an einer Präsenz auf dieser geostrategisch bedeutsamen Seeverbindung zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean und somit dem asiatischen Wirtschaftsraum. Die Bundeswehr in alle Herren Länder zu entsenden wäre somit als Bestandteil des Handels anzusehen, der nach den Regeln ablaufen soll, die im Rahmen internationaler Institutionen wie der WTO (Welthandelsorganisation) und von Verträgen wie den EPAs (Wirtschaftspartnerschaftsabkommen) auch von Deutschland geschaffen wurden, um als Wirtschaftsstandort Vorteile zu erringen.

Das versuchen andere Staaten selbstverständlich ebenfalls, China beispielsweise betreibt das in Afrika mit großem Erfolg. Somit bleibt der Kontinent weiterhin (Handels-)Schlachtfeld sowohl widerstreitender als auch befristet miteinander paktierender Interessen. Die Befreiungsbewegungen von einst, die von den vorherrschenden Interessen innerhalb wie außerhalb Afrikas erfolgreich zur Ideologie der Wirtschaftsliberalität pervertiert wurden, sind noch nicht vollendet.


Fußnoten:

[1] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/kabinett-verlaengert-einsaetze-in-afrika-37974

[2] https://www.bmvg.de/resource/blob/13708/015be272f8c0098f1537a491676bfc31/weissbuch2016-barrierefrei-data.pdf

4. April 2019


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