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MEDIEN/467: Westliche Medien im Rausch des neuen Kalten Krieges (SB)


Westliche Medien im Rausch des neuen Kalten Krieges

Putins Rußland soll als das neue "Reich des Bösen" herhalten



Seit dem Putsch "pro-europäischer" Kräfte in Kiew Ende Februar und dem Beginn der daraus resultierenden, von Moskau unterstützten Bemühungen der russischen Mehrheit auf der Krim, sich von der Ukraine loszusagen, befinden sich Medien und Politik des Westens kollektiv wieder im Kalten Krieg. Die Besetzung der wichtigsten strategischen Punkte auf der Schwarzmeerhalbinsel durch russische Soldaten, deren Uniformen keine Abzeichen aufweisen, wird unisono mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen 1968 in Prag verglichen; diverse Kommentatoren unterstellen Wladimir Putin, er wolle einen neuen "Eisernen Vorhang" durch Europa ziehen. Der Kreml-Chef hat die Mobilisierung der russischen Streitkräfte angesichts des politischen Chaos in der Ukraine mit der Sorge um die Sicherheit russischer Bürger bzw. der russischsprachigen Minderheit begründet. Daher wäre der Vergleich der Handlungen Putins mit denen Ronald Reagans, als er 1983 nach einem blutigen Machtwechsel in St. George's in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Grenada besetzen ließ, zulässig. Damals hat der Ex-Hollywood-Schauspieler die Sicherheit mehrerer Dutzend amerikanischer Studenten in dem noch-sozialistischen Inselstaat als Motiv angegeben.

Statt dessen werden die Maßnahmen der russischen Führung - das Wall Street Journal spricht bereits im Englischen von "Blitzkrieg" - als irrational, anti-demokratisch und totalitär bezeichnet. Putins Rußland fühle sich der Entscheidung der angeblichen Mehrheit der Ukrainer, an den Vorzügen der fortschrittlichen westlichen Zivilisation teilzuhaben und sich von der korrupten, rückständigen Oligarchie Moskaus loszusagen, bedroht. Der Putinismus sei das letzte Aufbäumen eines alten zaristischen, von der russischen Orthodoxie geprägten Denkens, das, weil überholt, bald auf dem Müllhaufen der Geschichte landen werde, so das allgemeine Fazit der westlichen Medien, von der New York Times über den Londoner Guardian bis zur deutschen taz.

Es will etwas heißen, wenn nun ausgerechnet Hillary Clinton, die sich allmählich für die Wahl zur ersten Präsidentin der USA 2016 positioniert, Putin mit Adolf Hitler vergleicht. Bei einem Auftritt in Kalifornien am 4. März hatte die ehemalige US-Außenministerin Barack Obamas die aktuellen Aktivitäten russischer Militärs auf der Krim mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in das Sudetenland 1938 verglichen. Putin gehe es wie damals dem deutschen Reichskanzler um die eigenen Landsleute, so Clinton, was zeige, so ihre Logik, daß er in atavistischen Kategorien wie Nation und Volksgruppe denke. (Die USA agieren bekanntlich aus eigener Sicht stets auf der Basis "universeller" Werte und damit niemals in erster Linie eigennützig).

Eine Episode zeigt deutlich, wie sehr die Krim-Krise und die jüngsten Ereignisse in der Ukraine in den westlichen Medien als manichäischer Konflikt zwischen Fortschritt, Demokratie und Menschenrechten auf der einen und Korruption, Nationalismus und Engstirnigkeit auf der anderen Seite kolportiert werden. Den Hinweis auf diesen Vorfall haben wir Margaret Kimberley zu verdanken, die seine Bedeutung in einem am 5. März in der linken US-Zeitschrift Black Agenda Report erschienenen Artikel hervorhob. Es handelt sich um eine demonstrative Zurechtweisung, die Moderatorin Christiane Amanpour wenige Tage zuvor in der Live-Berichterstattung des US-Nachrichtensenders CNN ihrem langjährigen Kollegen Wolf Blitzer vor den Augen eines Millionenpublikums zuteil werden ließ. Anlaß des Eingriffs Amanpours war der Hinweis Blitzers auf den heftigen Streit im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zwischen den USA und Rußland über die Rechtmäßigkeit der Absetzung des gewählten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch. Kimberley gab den Dialog zwischen der lehrerhaft auftretenden Amanpour und einem sichtlich verdutzten Blitzer, der hier als erster spricht, wie folgt wieder:

"Sie hörten Vitali Churkin, den russischen Botschafter beim UN-Sicherheitsrat, der vorhin erklärte, daß Schuld am Ganzen diejenigen trügen, die er als Faschisten und Antisemiten in der Ukraine bezeichnete ..."
"Wissen Sie, Sie müssen extrem vorsichtig sein, wenn Sie das als Tatsache präsentieren", sagte Amanpour.
"Das ist es, was Vitali Churkin sagte", erwiderte Blitzer.
"Das mag sein", sagte Amanpour. "Wollen Sie mir sagen, daß die ganze pro-europäische...
"Natürlich nicht", verteidigte sich Blitzer, der erklärte, daß er das was Churkin sagte, wiedergebe.
"Richtig, und wir müssen extrem vorsichtig sein", warnte Amanpour.
Blitzer versuchte dazwischenzureden, und bat darum, die Äußerungen Churkins wieder abzuspielen.
"Ich habe sie gehört", erklärte Amanpour. "Doch wir als Sender müssen uns sehr davor hüten, die ganzen pro-europäischen Ukrainer mit Gruppen, die nationalistisch und extremistisch sein könnten, in einen Topf zu werfen."
"Wir tun es nicht. Ich tue es nicht", insistierte Blitzer.

Der zensorische Eingriff Amanpours ist leicht erklärlich. Die CNN-Vorzeigemoderatorin steht ideologisch wie auch persönlich-beruflich dem Klüngel um Bill und Hillary Clinton nahe. Vor zwanzig Jahren im Bosnien-Krieg hat sie sich einen Namen sowohl als Korrespondentin als auch als Befürworterin "humanitärer" Militärinterventionen der NATO gemacht. Ihr Ehemann, James Rubin, fungierte als Pressesprecher Madeleine Albrights, als 1998 und 1999 Bill Clintons Außenministerin den Kosovo-Krieg maßgeblich anschob. Damals rechtfertigte die NATO ihr militärisches Eingreifen in die jugoslawischen Sezessionskriege mit der Sorge um Kroaten, bosnische Muslime und Kosovo-Albaner, die unter dem serbischen Ultranationalismus von Slobodan Milosevic, Radovan Karadzic und Ratko Mladic zu leiden hätten. Heute sind es Putin und die Russen, die in die nationalistische, xenophobische Ecke gedrängt werden sollen, weshalb vor einem größeren Publikum jeder Hinweis auf die dubiosen politischen Hintergründe der fünften Kolonne des Westens in der Ukraine unerwünscht ist.

8. März 2014