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NAHOST/931: Kerry führt windige CIA-Erkenntnisse gegen Iran an (SB)


Kerry führt windige CIA-Erkenntnisse gegen Iran an

Führender US-Demokrat verkauft die Weltöffentlichkeit für dumm


Seitens der US-Diplomatie laufen die Vorbereitungen auf das mit Spannung erwartete, große Gesprächsangebot, das Präsident Barack Obama demnächst dem Iran machen will, auf Hochtouren. Bereits jetzt wird erkennbar, daß die Offerte eher die Form eines Ultimatums als die einer Einladung zum ehrlichen Gespräch, zur Beilegung früherer Animositäten und zum Beginn einer neuen Ära in den amerikanisch-iranischen Beziehungen annehmen wird. Für diese pessimistische Einschätzung sprechen nicht nur die Äußerungen von Obamas demokratischen Parteikollegen, allen voran Außenministerin Hillary Clinton und John Kerry, der einflußreiche Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Senats, sondern auch die demonstrativen und hochenergischen Bemühungen Washingtons, die NATO-Verbündeten und Rußland für die Verhängung weitreichender Sanktionen gegen Teheran zu gewinnen, sollte die iranische Führung nicht auf die im Angebot Obamas zu erwartenden Forderungen nach Einstellung der Urananreicherung, des Baus von Langstreckenraketen und der Unterstützung israelfeindlicher Gruppen wie der libanesischen Hisb Allah und der palästinensischen Hamas eingehen. Des weiteren deutet das am 3. März von Clinton bekanntgegebene und zuvor von Kerry durch einen Besuch in Damaskus am 21. Februar vorbereitete Ende der diplomatischen Eiszeit zwischen den USA und Syrien darauf hin, daß die Amerikaner die Syrer unbedingt aus ihrer Militärallianz mit dem Iran herauslösen wollen, um die Islamische Republik letztlich isolieren zu können. Auf diese Weise hofft man offenbar Teheran zur Annahme der eigenen Bedingungen zwingen zu können.

Wie die britische Tageszeitung Guardian am 4. März berichtete, hat sich am Tag davor Kerry auf einer Sitzung des außenpolitischen Ausschusses des Senats für direkte Gespräche zwischen Washington und Teheran zum Thema Atomstreit ausgesprochen, gleichzeitig jedoch den Standpunkt vertreten, daß die USA aus einer Position der Stärke heraus in die Verhandlungen gehen müßten und diesen darüber hinaus enge zeitliche Grenzen setzen sollten, um zu verhindern, daß die Iraner sie einfach in die Länge zögen (während sie heimlich weiter an der Kernwaffe bastelten - so die nicht direkt ausgesprochene Unterstellung). Im Guardian-Artikel mit der Überschrift "Obama hints at deal with Russia over Iran" zitierten der Washingtoner Korrespondent Ewen MacAskill und der Moskauer Korrespondent Luke Harding den unterlegenen Konkurrenten George W. Bushs bei der US-Präsidentenwahl 2004 wie folgt:

Wir müssen einen Zeitrahmen für substantiellen Fortschritt setzen. Und wir müssen dafür sorgen, daß die iranische Führung versteht, daß sie das volle Gewicht der internationalen Gemeinschaft zu spüren bekommen wird, sollte dieses Thema nicht gelöst werden. Und unter vollem Gewicht verstehe ich härtere Wirtschaftssanktionen sowie weitere Handels- und Finanzbeschränkungen, die in einer Phase, in der die Ölpreise gefallen sind und ihre Wirtschaft darunter leidet, signifikanten Druck auf das iranische Regime ausüben werden.

Wie die israelische Tageszeitung Ha'aretz unter der Überschrift "Obama: NYT report on U.S.-Russia 'Iran deal' was inaccurate" ebenfalls am 4. März berichtete, griff Kerry die abenteuerliche Einschätzung, welche zwei Tage zuvor im CNN-Interview Admiral Michael Mullen, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, hinsichtlich des Standes des iranischen Atomprogramms aufgestellt hatte, auf. Unter Hinweis auf jüngste Angaben der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien über die im Iran bereits produzierte Menge an schwachradioaktivem Uran hatte Mullen behauptet, Teheran verfüge inzwischen über genug Spaltmaterial zum Bau eines Atomsprengkopfes.

Theoretisch mag das stimmen, läßt jedoch die großen technischen Hindernisse - wie die Gewinnungen hochangereichterten Urans und den Bau eines mit einer Rakete transportierbaren Sprengkopfes -, die noch zu überwinden wären, außer Acht. Des weiteren muß daran erinnert werden, daß der Iran seit Jahren vehement bestreitet, daß sein Kernenergieprogramm irgendwelchen nicht-zivilen Zwecken dient, und daß die IAEO-Inspekteure, die gemäß des Nicht-Verbreitungsvertrages die entsprechenden iranischen Anlagen nicht nur persönlich, sondern auch über festinstallierte Kameras kontrollieren, bis heute keinerlei Hinweise für das Abzweigen irgendwelchen Spaltmaterials für die militärische Nutzung gefunden haben.

Nichtdestrotrotz griff Kerry die hauptsächlich von Israel und dessen Verbündeten in den USA ausgehende Hysterie über den angeblich immer bedrolicher werdenden Stand des iranischen Kernenergieprogramms auf und erklärte laut Ha'aretz folgendes:

Der Iran hat in Natans eine Urananreicherungsanlage rund 25 Meter unter der Erde gebaut, in der fast 4000 Zentrifugen vor sich hin Uran anreichern, während Hunderte weiterer Zentrifugen offenbar demnächst einsatzbereit sein werden. ... Wir müssen sie daran hindern, jenen gefährlichen nächsten Schritt zu tun.

Im Zusammenhang mit den "am meisten beunruhigenden Fragen" hinsichtlich des Atomprogramms der Islamischen Republik war sich Kerry nicht zu schade, jenen sagenumwobenen Laptop zu erwähnen, der früher angeblich einem iranischen Ingenieur gehörte und der seit 2004 im Besitz der CIA sein soll. Auf dem Laptop sollen sich 18 Dokumente zur technischen Frage der Funktionsweise eines Atomsprengkopfes befinden. Die Iraner bestreiten, jemals solche Dokumente besessen zu haben, während die USA ihnen einen Blick in die Unterlagen aus Gründen der "nationalen Sicherheit" verweigern. Nach Einschätzung von unabhängigen Experten wie dem Historiker Gareth Porter und dem Atomexperten Gordon Prather läßt die Tatsache, daß die Dokumente auf Englisch und nicht auf Farsi verfaßt sind, den Verdacht zu, daß der Laptop vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad stammt. Jedenfalls zitierte Ha'aretz Kerry hierzu mit folgendem, schier unglaublichen Satz:

Unter den Tausenden von Dokumentenseiten auf diesem Computer befinden sich laut Presseberichten welche, die Blaupausen für einen Atomsprengkopf und Entwürfe für Raketen, um ihn zu transportieren, zu zeigen scheinen.

Gerade die Formulierungen "laut Presseberichten" und "zu zeigen scheinen" geben zu erkennen, daß man es hier mit billiger Polemik, statt mit Fakten zu tun hat. Als Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Senats genießt Kerry Zugang zu den am strengsten geheimgehaltenen Regierungsdokumenten. Wenn er wollte, hätte er besagte Textdateien auf dem "iranischen" Laptop längst lesen können. Vielleicht hat er es schon getan und auch erkannt, daß diese als Propagandamaterial zu leicht erkennbar sind und deshalb unter Dauerverschluß gehalten werden müssen. Die Vorstellung, daß Kerry, der seit Jahren zur außenpolitischen Elite in Washington gehört, sein Wissen zu diesem hochbrisanten Thema aus denselben Zeitungen gewinnt, die Hans und Franz lesen können, ist mehr als abwegig. Allein die Suggestion läßt auf unlautere Motive schließen.

5. März 2009