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NAHOST/1063: Washingtons Kriegspropaganda - Gates und Clinton rechtfertigen Angriff auf Libyen (SB)


US-Regierung hält sich alle militärischen Optionen offen


Die Aufstandsbewegungen im Nahen Osten stellen die teils kooperierenden, teils konkurrierenden Hegemonialmächte USA und EU vor die Herausforderung, die sogenannten Revolutionen je nach Bedarf zu unterstützen, auszubremsen oder zu unterdrücken. Übergeordnetes Ziel bleibt die Rekonstruktion von Stabilität auf höherem Niveau, indem unter Einbindung und Verwertung aufbegehrender Fraktionen die militärische, ökonomische, politische und administrative Zugriffssicherheit nicht nur wiederhergestellt, sondern womöglich in diesem Umwälzungsprozeß gesteigert wird. Die Doktrin, es gelte freiheitliche Bestrebungen zu schützen und der Mißachtung von Menschenrechten einen Riegel vorzuschieben, liefert als Legalisierung der Intervention das Feigenblatt für den Angriffskrieg in Libyen.

Da diese Widerspruchslage Erklärungsnöte ohne Ende produziert, flankiert man in ständigem Wechselspiel von vollendeten Tatsachen auf militärischem Gebiet und deren ideologischer Verbrämung den Luftkrieg mit fortlaufend angepaßten Propagandakonstrukten. Fallen den verheerenden Waffen der selbstmandatierten Angriffskoalition nicht auch Zivilisten zum Opfer, womit der vorgehaltene Zweck des Feldzugs ad absurdum geführt wäre? Nein, behauptet US-Verteidigungsminister Robert Gates, der in der Sendung "Face the Nation" auf CBS diesbezügliche Angaben der libyschen Regierung mit einer auffallend ausweichenden Antwort zurückweist: Die Wahrheit sei, daß man Schwierigkeiten habe, Beweise für irgendwelche zivilen Opfer, für die man verantwortlich sei, zu finden. Dann spricht Gates von Belegen, deren Quelle er freilich nicht nennt, wonach die Truppen Gaddafis die Leichen der von ihnen Getöteten sammelten und an Orten ablegten, wo Luftangriffe stattgefunden haben. [1]

So absurd diese Propaganda auch anmuten mag, belegt die offensichtliche Annahme des US-Verteidigungsministers, daß sie auf den fruchtbaren Boden kriegslüsterner Akzeptanz zu fallen verspricht. Daß man im nächsten Schritt zivile Opfer der eigenen Luftschläge unter Krokodilstränen beklagen, jedoch im Dienst des höheren Zwecks eines damit angeblich abgewendeten Massakers für unumgänglich erklären wird, liegt auf der Hand.

In der Sendung "This Week" bei ABC fragt der Moderator Jake Tapper den Verteidigungsminister, ob Libyen eine aktuelle oder immanente Gefahr für die Vereinigten Staaten darstelle. Aber nein, erwidert Gates, vitale nationale Interessen der USA seien nicht betroffen - aber von Interesse sei die Sache schon. Mit seiner Antwort belegt der Minister die Willkür der Entscheidung Präsident Obamas, der ohne Konsultation oder gar Zustimmung des Kongresses den Kriegseintritt verfügt hat. Der War Powers Act ermächtigt den Präsidenten zu dieser Handlungsweise, jedoch nur im Falle immanenter Angriffsgefahr für die USA oder einer Gefährdung vitaler nationaler Interessen.

Wie Gates weiter ausführt, hätten Revolutionen im Osten und Westen Libyens stattgefunden. In Libyen lägen potentiell destabilisierende Ereignisse vor, welche die Revolutionen in Tunesien und Ägypten gefährden könnten. Dies habe man bei der Entscheidung in Betracht ziehen müssen. Wenngleich der Verteidigungsminister natürlich nicht offen von einer Vasallenregierung spricht, die es in Libyen zu installieren gelte, deutet er doch das Ziel an, die von Militärs kontrollierten Regimes in Tunesien und Ägypten nach dem Sturz der langjährigen Verbündeten Ben Ali und Mubarak auch von Libyen aus zu stabilisieren.

Auf die Frage Jake Tappers, ob die Mission Ende des Jahres beendet sein werde, erwidert Gates ebenso kryptisch wie vielsagend, seines Erachtens könne das niemand beantworten. Ähnlich bedeckt hält sich Außenministerin Hillary Clinton in "Face the Nation" bei CBS, wo sie eine Teilung Libyens unter Kontrolle der USA und anderer führender Mächte nicht ausschließen wollte. Als Moderator Bob Schieffer fragt, was ein akzeptables Resultat der Mission sein könnte und ob sie im Zweifelsfall ein zweigeteiltes Land für eine mögliche Lösung erachte, erwidert Clinton vage, es sei noch zu früh, um das vorherzusagen. Nimmt man die Einlassung des Verteidigungsministers bei "Meet the Press" auf NBC hinzu, wonach man zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht entschieden habe, ob man die Rebellen mit Waffen versorgt, tritt die von der US-Regierung vorgehaltene Option offen zutage, die Intervention unter Umständen bis hin zum Einsatz von Bodentruppen zum gewünschten Ziel voranzutreiben.

Was aber die Lage im Jemen betrifft, wo Präsident Ali Abdullah Saleh den Protest mit einer Repression unterdrückt, der zahlreiche Menschen zum Opfer gefallen und noch mehr verhaftet worden sind, läßt Gates keinen Zweifel daran, daß Washington den Machthaber weiter unterstützt. Unter Verweis auf die Präsenz eines Zweigs der Al Kaida in diesem Land erklärt der Verteidigungsminister, daß ein "post-Saleh" Jemen zu echter Besorgnis Anlaß gebe. Der Präsident habe auf dem Feld des Counterterrorismus eng mit den USA zusammengearbeitet. Sollte seine Regierung stürzen oder durch eine wesentlich schwächere ersetzt werden, würde man tatsächlich ein Problem haben.

Im Wall Street Journal spricht der Demokrat John Kerry, Vorsitzender des Foreign Relations Committee im Senat, Klartext. Aus humanitären Gründen könne man auch andere Regimes der Region mit vergleichbaren Missionen überziehen, wobei er insbesondere den Iran nannte. Die Führung in Teheran solle nur aufmerksam verfolgen, welche Lösung die internationale Gemeinschaft in Libyen anbiete.

Anmerkungen:

[1] Gates and Clinton hint at open-ended war in Libya (28.03.11)
World Socialist Web Site

28. März 2011