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NAHOST/1064: Scheindiskussion um Bewaffnung der Gaddhafi-Gegner (SB)


Scheindiskussion um Bewaffnung der Gaddhafi-Gegner

NATO leitet propagandistisch die Eskalation des Libyen-Krieges ein


Die militärische Schwäche der Gegner der libyschen Zentralregierung und die unerwartete Widerstandsfähigkeit des "Regimes" Muammar Gaddhafis hat innerhalb der NATO eine aufgeregte Debatte ausgelöst. Man streitet darüber, ob Rüstungshilfe für die Rebellen nach den beiden in Sachen Libyen am 26. Februar und am 17. März vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedeten Resolutionen zulässig wäre oder nicht. Bei der Diskussion um die Waffenhilfe für die libyschen Rebellen handelt es sich jedoch um Theater fürs dumme Volk, mittels dessen eine Art demokratische Entscheidungsfindung innerhalb der nordatlantischen "Wertegemeinschaft" vorgetäuscht werden soll. Denn mehr als eine moralische und rhetorische Unterstützung bekommen die Gegner Gaddhafis seit zehn Tagen aus der Luft in Form von Bomben und Raketenangriffen auf die libyschen Streitkräfte und seit Wochen am Boden von Vertretern westlicher Geheimdienste und Spezialstreitkräfte in Form von Waffen und Beratung.

Vor diesem Hintergrund wunderte es nicht, als US-Außenministerin Hillary Clinton am 29. März auf der großen Libyen-Konferenz im Londoner Lancaster House vor Journalisten ihre Überzeugung kundtat, daß die zweite Resolution vom März, welche die Ergreifung "aller erforderlichen Maßnahmen" zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung vor übergriffen der Gaddhafi-Truppen gestattet, das mit der ersten Resolution vom Februar verhängte Waffenembargo aufhebe - jedenfalls, was die Rebellen betrifft. Während es seitens der UN-Vetomächte China und Rußland, der NATO-Mitgliedsländer Deutschland und Türkei und sogar des dänischen NATO-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen Einspruch gegen Clintons großzügige Auslegung von Resolution 1793 gab, haben sich Großbritanniens Premierminister David Cameron und Außenminister William Hague rasch der Position der ehemaligen Senatorin aus New York, die bekanntlich seit ihren Tagen als First Lady während der Präsidentschaft ihres Gatten Bill Clinton eine führende "humanitäre" Interventionistin ist, angeschlossen.

Der Gleichschritt Londons mit Washington in dieser brisanten Frage hängt sicherlich mit der Tatsache zusammen, daß Mitglieder der britischen Spezialstreitkräfte Special Air Service (SAS) und Special Boat Service (SBS) zusammen mit ihren amerikanischen Kameraden von der Central Intelligence Agency (CIA) seit einiger Zeit am Bürgerkrieg in Libyen beteiligt sind - wenn sie ihn nicht sogar initiiert haben. Was lange gemunkelt worden war, wurde am Abend des 30. März durch eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters und einen im Internet vorab erschienenen Artikel der New York Times zur Gewißheit. Unter Verweis auf nicht namentlich genannte Regierungsquellen in London und Washington schrieben Mark Mazzetti und Eric Schmitt in dem NYT-Artikel mit dem Titel "C.I.A. Agents in Libya Aid Airstrikes and Meet Rebels", "... kleine Gruppen von CIA-Agenten arbeiten seit mehreren Wochen als Teil einer westlichen Schattenarmee, von der die Obama-Administration hofft, daß sie oberst Gaddhafis Militär bluten lassen kann ...". In dem Artikel wird die Anwesenheit von SAS- und SBS-Soldaten ebenso erwähnt wie angeführt wird, daß US-Präsident Barack Obama die verdeckte CIA-Operation in Libyen vor mehreren Wochen persönlich genehmigt hatte.

Bereits im Februar, kurz nachdem die ersten "demokratischen" Proteste gegen die Gaddhafi-Regierung ausgebrochen waren, meldete der langjährige US-Kriegskorrespondent Eric Margolis die Anwesenheit westlicher Spezialstreitkräfte und Geheimdienstler in Libyen. In der Londoner Tageszeitung Independent berichtete am 7. März der ebenfalls langjährige britische Kriegeskorrespondent Robert Fisk, Saudi-Arabien habe in Absprache mit den USA begonnen, die libyschen Rebellen mit Waffen zu beliefern. Zwei Tage später behauptete die US-Nachrichtenagentur United Press International, die Anti-Gaddhafi-Kräfte im Osten Libyens erhielten bereits Rüstungshilfe aus Ägypten, dessen Armee eine der größten im Nahen Osten ist und dessen Militärführung traditionell eng mit dem Pentagon zusammenarbeitet. Bestätigung für die Angaben von UPI lieferte am 17. März das Wall Street Journal in seiner Online-Ausgabe unter der Überschrift "Egypt Said to Arm Libya Rebels".

Während die Amerikaner, Briten und Franzosen immer dreister den Vorwand des vermeintlichen Schutzes der libyschen Zivilbevölkerung benutzen, um den Bürgerkrieg zwischen Anhängern und Gegnern der Gaddhafi-Regierung anzuheizen, steigt die Gefahr, daß die Situation in dem nordafrikanischen Land völlig außer Kontrolle gerät. Angesichts der fehlenden militärischen Schlagkraft der Rebellen bereiten die westlichen Befürworter der Intervention jetzt schon die Entsendung von Bodentruppen vor, indem sie einen Sieg Gaddhafis zu einem vollkommen inakzeptablen Ergebnis der Kämpfe erklären - um der Glaubwürdigkeit Obamas, der USA und der NATO willen, versteht sich. Nach Meinung der Kriegsfalken in London, Paris und Washington würde Resolution 1973 einen solchen Schritt erlauben, wenn das der einzige Weg wäre, um die angeblich von Gaddhafi ausgehende "Bedrohung des libyschen Volkes" endgültig zu beseitigen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die jüngst aufgekommene Diskussion der Frage, wen die Amerikaner, Briten und Franzosen im Kampf gegen Gaddhafi eigentlich unterstützen. In journalistischen Kreisen scheinen Berichte einiger kritischer linker Publikationen wie Counterpunch und der World Socialist Web Site über die führende Rolle, welche die Al Kaida nahestehende Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) innerhalb des Provisorischen Nationalrats spielt, den Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am 11. März als einzig legitime Regierung Libyens anerkannte, nicht ohne Wirkung gewesen zu sein. Auf der Libyen-Konferenz in London geriet die US-Chefdiplomatin Clinton sichtlich in die Defensive, als ein akkreditierter Journalist sie nach dem Hintergrund derjenigen Personen, die sozusagen im Auftrag der NATO den Kampf gegen die Gaddhafi-Getreuen anführen, fragte. Abweisend und wenig glaubwürdig behauptete die US-Außenministerin: "Wir wissen nicht soviel, wie wir gerne wissen möchten und wie wir erwarten, daß wir es wissen werden."

Am selben Tag bei einer Anhörung vor dem US-Senat in Washington spielte der NATO-Oberbefehlshaber Admiral James Stavridis die Teilnahme der Gesinnungsgenossen Osama Bin Ladens am Anti-Gaddhafi-Feldzug herunter. Die Lage sei unübersichtlich, so Stavridis. Dies mag stimmen. Dafür jedoch läßt sich feststellen, daß Gaddhafis Warnung, bei Fortsetzung des Aufstands drohe Libyen zu einem zweiten Somalia und das vor den Toren Europas zu werden, nicht von der Hand zu weisen ist. Sollte dieses Schreckenszenario eintreffen, dann wissen wir bereits jetzt schon, wem man dafür zu danken hat - Frankreich, Großbritannien und die USA, die westlichen Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, die niemals müde werden, sich als Schützer der Menschenrechte, Bewahrer der Demokratie und Garanten für "Sicherheit und Stabilität" aufzuspielen.

31. März 2011