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NAHOST/1182: USA befreien die Volksmudschaheddin vom Terrormakel (SB)


USA befreien die Volksmudschaheddin vom Terrormakel

Washingtoner Entscheidung sendet eindeutiges Signal an Teheran



In einem am 21. September an das Repräsentantenhaus und den Senat in Washington zugestellten Brief setzte Hillary Clinton den Kongreß von der Entscheidung des Außenministeriums, die iranische Volksmudschaheddin (Mujaheddin-e Khalq - MEK) von der Liste der Foreign Terrorist Organizations (FTO) zu nehmen, in Kenntnis. Die Maßnahme erfolgt in einer Phase hoher Spannungen zwischen den USA und dem Iran im sogenannten "Atomstreit" und dürfte zur Eskalation beitragen. Schließlich stehen die Volksmudschaheddin im Iran unter dringendem Verdacht, im Auftrag westlicher Geheimdienste Sabotageaktionen gegen die Nuklearanlagen der Islamischen Republik durchgeführt und mehrere am iranischen Atomprogramm beteiligte Wissenschaftler ermordet zu haben.

Die Volksmudschaheddin wurden in den sechziger Jahren im Iran als marxistisch-islamische Oppositionsgruppe gegründet. Bei Anschlägen haben sie sechs US-Bürger getötet. Sie beteiligten sich 1979 am Sturz des Schah, nahmen dabei aktiv an der Erstürmung der US-Botschaft und der Geiselnahme des dortigen Personals teil. Kurz darauf gerieten sie mit der neuen geistlichen Führung in Teheran unter Ajatollah Ruhollah Khomeini in Konflikt und setzten sich deshalb in den Irak ab. Während des Iran-Irak-Krieges kämpften sie auf der Seite der Truppen Saddam Husseins und gelten seitdem im eigenen Land als Verräter. Lange Zeit wohnten die MEK mit ihren Familien auf einem eigenen Stützpunkt, Camp Ashraf, im Irak. Auf Drängen der USA bezogen etwa 3.000 bis 3.200 von ihnen in den letzten Wochen und Monaten eine neue Siedlung in der Nähe von Baghdad.

In den achtziger und neunziger Jahren führten die MEK mehrere Anschläge und Flugzeugentführungen innerhalb und außerhalb des Irans durch. Ihre spektakulärste Aktion erfolgte im April 1992, als sie gleichzeitig 13 Botschaften und Konsulate des Irans, darunter auch die Vertretung am Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York, angriffen. Bill Clintons Außenminister Warren Christopher setzte die MEK im Jahr 1997 auf die FTO-Liste. Die neokonservativen Republikaner, für die der Iran die Hauptquelle des "internationalen Terrorismus" bildet, kritisierten den Schritt als Zugeständnis Washingtons an Teheran vehement und setzten sich seitdem unermüdlich für seine Revidierung ein.

Diese Bemühungen wurden intensiviert, nachdem der republikanische Präsident George W. Bush im Januar 2002 den Irak, den Iran und Nordkorea zu einer "Achse des Bösen" erklärte. Zahlreiche prominente Vertreter des reaktionären politischen Flügels in Washington erschienen bei Veranstaltungen der MEK, lobten diese öffentlich als Freiheitshelden - und strichen anschließend Auftrittsgelder von mehreren zehntausend Dollar ein. Zu denjenigen, die über die Jahre hinweg nicht nur Werbung für eine "ausländische Terrororganisation" machten, sondern auch deren Geld - dessen Ursprung bis heute ein großes Rätsel ist - annahmen, ohne von den zuständigen Behörden auch nur im geringsten behelligt zu werden, gehörten der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolf Giuliani, der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh, der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey, der ehemalige Vizeverteidigungsminister Richard Perle, der ehemalige Justizminister Michael Mukasey, der ehemalige Stabschef im Weißen Haus Andrew Card und der ehemalige UN-Botschafter John Bolton.

Für besagte Kreise sollten die MEK eine ähnliche Funktion wie 2002 und 2003 der Iraqi National Congress in Bezug auf Saddam Hussein spielen und Washington mit Informationen beliefern, die man gegebenenfalls zu einem Kriegsgrund zusammenbasteln könnte. In den letzten Jahren hat die MEK auch mit entsprechenden Enthüllungen über den Stand des iranischen Atomprogramms aufgewartet. Es spricht aber vieles dafür, daß nicht sie, sondern westliche Geheimdienste, allen voran der israelische Mossad, die Informationsbeschaffer gewesen sind. Ähnlich verhält es sich bei der anhaltenden Serie von Anschlägen auf Anlagen und Wissenschaftler im Iran.

In einer wohlwollenden Reaktion auf die Entscheidung Hillary Clintons brachte der republikanische Kongreßabgeordnete Ted Poe aus Texas beispielhaft die manichäische Sichtweise der Neocons zum Ausdruck: "Die MEK hat vor langer Zeit der Gewalt abgeschworen und hilft in den letzten Jahren den US-Geheimdiensten aktiv bei der Beschaffung von Informationen über Aktivitäten innerhalb des Irans. Vor kurzem haben wir gesehen, daß die wahren Terroristen die Mullahs des Irans und der winzige Wüstentyrann, Mahmud Ahmadinedschad, sind und nicht die Freiheitskämpfer, die auf einen demokratischen Iran hoffen."

Die Hoffnungen, daß die Konfrontation zwischen den USA und dem Iran allen Drängens des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu zum Trotz nicht in eine militärische Auseinandersetzung ausarten wird, haben durch die Streichung des Namens der MEK von der offiziellen "Terrorliste" des State Department einen Dämpfer erfahren. Am Tag nach nach Bekanntwerden von Hillary Clintons nicht unumstrittenen Beschluß äußerte General Mohammed Ali Jafari, der Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden, bei einer Pressekonferenz in Teheran, irgendwann werde Israel seine Drohungen in die Tat umsetzen, ein Krieg zwischen der Islamischen Republik und dem "zionistischen Regime" sei nur eine Frage der Zeit. Am 23. September äußerte Brigadegeneral Amir Ali Hajizadeh, Luftwaffenchef der Revolutionsgarden, in einem Interview mit dem iranischen Fernsehsender Al-Alam die Ansicht, daß im Falle eines israelischen "Überraschungsangriffs" auf die Atomanlagen des Irans die Streitkräfte der Islamischen Republik die US-Militärstützpunkte "in Bahrain, Katar und Afghanistan mit Sicherheit angreifen". Hajizadeh warnte vor einem solchen Konflikt, weil der sich aufgrund der instabilen Verhältnisse im Nahen Osten allzu leicht "in den Dritten Weltkrieg verwandeln" könnte.

24. September 2012